Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

war an großen Luxus, an die Loge im Theater, an Badereisen u.s.w. gewöhnt, und sie hatte keinen Heller Vermögen und war doch nur "eine Gesellschafterin", die nicht einmal mit dem Haushalte Bescheid wußte, für den eine andere Person zu sorgen hatte. Es ging denn wie es immer geht: Auguste hatte getäuschte Hoffnungen die Hülle und Fülle erlitten, ihre gute Laune, ihr Frohsinn ließen allmälig nach, die Präsidentin fand, daß ihre Gesellschafterin unliebenswürdig werde, sie war nicht mehr das Kind, mit dem alle Welt zu tändeln geliebt hatte. Es gab auch gelegentlich Mißverständnisse, die Thränen fließen machten; das verjüngte und verschönte Auguste auch nicht, und -- man trennte sich endlich, weil Auguste es unerträglich fand, immerfort nur "zum Liebenswürdigsein auf dem Platze zu stehen". Sie wollte sich nützlich machen, wissen, wozu sie auf der Welt sei, und entschloß sich als Haushälterin in das Haus eines bejahrten Mannes, eines Wittwers einzutreten, der vier, fünf erwachsene Söhne hatte und als Hoflieferant das damals berühmteste Modegeschäft von Berlin betrieb. Sie nahm sich in den sehr veränderten Verhältnissen vortrefflich, aber die "Gesellschaft", die es ganz in der Ordnung gefunden hatte, daß sie zehn Jahre lang im Hause der Präsidentin einen ungehinderten unnützen und müßigen Verkehr mit Männern gehabt hatte, fand es "nicht in der Ordnung", daß sie für das häusliche Behagen von sechs Männern sorgte, gegen deren Aufnahme in die Gesellschaft man

war an großen Luxus, an die Loge im Theater, an Badereisen u.s.w. gewöhnt, und sie hatte keinen Heller Vermögen und war doch nur »eine Gesellschafterin«, die nicht einmal mit dem Haushalte Bescheid wußte, für den eine andere Person zu sorgen hatte. Es ging denn wie es immer geht: Auguste hatte getäuschte Hoffnungen die Hülle und Fülle erlitten, ihre gute Laune, ihr Frohsinn ließen allmälig nach, die Präsidentin fand, daß ihre Gesellschafterin unliebenswürdig werde, sie war nicht mehr das Kind, mit dem alle Welt zu tändeln geliebt hatte. Es gab auch gelegentlich Mißverständnisse, die Thränen fließen machten; das verjüngte und verschönte Auguste auch nicht, und — man trennte sich endlich, weil Auguste es unerträglich fand, immerfort nur »zum Liebenswürdigsein auf dem Platze zu stehen«. Sie wollte sich nützlich machen, wissen, wozu sie auf der Welt sei, und entschloß sich als Haushälterin in das Haus eines bejahrten Mannes, eines Wittwers einzutreten, der vier, fünf erwachsene Söhne hatte und als Hoflieferant das damals berühmteste Modegeschäft von Berlin betrieb. Sie nahm sich in den sehr veränderten Verhältnissen vortrefflich, aber die »Gesellschaft«, die es ganz in der Ordnung gefunden hatte, daß sie zehn Jahre lang im Hause der Präsidentin einen ungehinderten unnützen und müßigen Verkehr mit Männern gehabt hatte, fand es »nicht in der Ordnung«, daß sie für das häusliche Behagen von sechs Männern sorgte, gegen deren Aufnahme in die Gesellschaft man

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0060" n="50"/>
war an großen Luxus, an die Loge im Theater, an Badereisen u.s.w. gewöhnt, und sie hatte keinen Heller Vermögen und war doch nur »eine Gesellschafterin«, die nicht einmal mit dem Haushalte Bescheid wußte, für den eine andere Person zu sorgen hatte. Es ging denn wie es immer geht: Auguste hatte getäuschte Hoffnungen die Hülle und Fülle erlitten, ihre gute Laune, ihr Frohsinn ließen allmälig nach, die Präsidentin fand, daß ihre Gesellschafterin unliebenswürdig werde, sie war nicht mehr das Kind, mit dem alle Welt zu tändeln geliebt hatte. Es gab auch gelegentlich Mißverständnisse, die Thränen fließen machten; das verjüngte und verschönte Auguste auch nicht, und &#x2014; man trennte sich endlich, weil Auguste es unerträglich fand, immerfort nur »zum Liebenswürdigsein auf dem Platze zu stehen«. Sie wollte sich nützlich machen, wissen, wozu sie auf der Welt sei, und entschloß sich als Haushälterin in das Haus eines bejahrten Mannes, eines Wittwers einzutreten, der vier, fünf erwachsene Söhne hatte und als Hoflieferant das damals berühmteste Modegeschäft von Berlin betrieb. Sie nahm sich in den sehr veränderten Verhältnissen vortrefflich, aber die »Gesellschaft«, die es ganz in der Ordnung gefunden hatte, daß sie zehn Jahre lang im Hause der Präsidentin einen ungehinderten unnützen und müßigen Verkehr mit Männern gehabt hatte, fand es »nicht in der Ordnung«, daß sie für das häusliche Behagen von sechs Männern sorgte, gegen deren Aufnahme in die Gesellschaft man
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0060] war an großen Luxus, an die Loge im Theater, an Badereisen u.s.w. gewöhnt, und sie hatte keinen Heller Vermögen und war doch nur »eine Gesellschafterin«, die nicht einmal mit dem Haushalte Bescheid wußte, für den eine andere Person zu sorgen hatte. Es ging denn wie es immer geht: Auguste hatte getäuschte Hoffnungen die Hülle und Fülle erlitten, ihre gute Laune, ihr Frohsinn ließen allmälig nach, die Präsidentin fand, daß ihre Gesellschafterin unliebenswürdig werde, sie war nicht mehr das Kind, mit dem alle Welt zu tändeln geliebt hatte. Es gab auch gelegentlich Mißverständnisse, die Thränen fließen machten; das verjüngte und verschönte Auguste auch nicht, und — man trennte sich endlich, weil Auguste es unerträglich fand, immerfort nur »zum Liebenswürdigsein auf dem Platze zu stehen«. Sie wollte sich nützlich machen, wissen, wozu sie auf der Welt sei, und entschloß sich als Haushälterin in das Haus eines bejahrten Mannes, eines Wittwers einzutreten, der vier, fünf erwachsene Söhne hatte und als Hoflieferant das damals berühmteste Modegeschäft von Berlin betrieb. Sie nahm sich in den sehr veränderten Verhältnissen vortrefflich, aber die »Gesellschaft«, die es ganz in der Ordnung gefunden hatte, daß sie zehn Jahre lang im Hause der Präsidentin einen ungehinderten unnützen und müßigen Verkehr mit Männern gehabt hatte, fand es »nicht in der Ordnung«, daß sie für das häusliche Behagen von sechs Männern sorgte, gegen deren Aufnahme in die Gesellschaft man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von zeno.org (2013-01-04T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus zeno.org entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-04T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-04T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/60
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/60>, abgerufen am 06.05.2024.