Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.Zulassung zum Studium ist aber das Recht zur Praxis noch keineswegs verbunden; indeß auch hier zeigt sich ein Hoffnungsstrahl für die Thätigkeit der Frauen. In der letzten Session der Volksvertretung haben wissenschaftlich und politisch bedeutende Männer, die obendrein Mediciner waren, Männer wie Virchow, Löwe (Calbe) u. A., den Vorschlag vertreten, die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht mehr von der Ablegung der bisher vom Staate geforderten Prüfungen abhängig zu machen, sondern Jedem die Freiheit zu gewähren, nach eigenem Ermessen über die Befähigung, über das Können und Wissen derjenigen Personen zu entscheiden, von denen er sich heilen oder nicht heilen zu lassen die Neigung hegt. Geht dieser Vorschlag früher oder später als Gesetz bei uns durch*), so öffnet er natürlich dem wunderthuenden Charlatan, der quacksalbernden Kräuterfrau Thür und Thor, aber er führt dann auch diejenigen Frauen an das Ziel, welche auf Gymnasien oder Realschulen gehörig vorbereitet, auf Universitäten ihre medicinischen Studien vollbracht, ihre Prüfungen vor der betreffenden Facultät abgelegt, und das Diplom einer vollständigen Durchbildung für ihren Beruf gewonnen haben. Man hat mir eingewendet, daß das gemeinsame Studium der Medicin für Frauen und Männer seine *) Der Vorschlag ist schon Gesetz geworden.
Zulassung zum Studium ist aber das Recht zur Praxis noch keineswegs verbunden; indeß auch hier zeigt sich ein Hoffnungsstrahl für die Thätigkeit der Frauen. In der letzten Session der Volksvertretung haben wissenschaftlich und politisch bedeutende Männer, die obendrein Mediciner waren, Männer wie Virchow, Löwe (Calbe) u. A., den Vorschlag vertreten, die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht mehr von der Ablegung der bisher vom Staate geforderten Prüfungen abhängig zu machen, sondern Jedem die Freiheit zu gewähren, nach eigenem Ermessen über die Befähigung, über das Können und Wissen derjenigen Personen zu entscheiden, von denen er sich heilen oder nicht heilen zu lassen die Neigung hegt. Geht dieser Vorschlag früher oder später als Gesetz bei uns durch*), so öffnet er natürlich dem wunderthuenden Charlatan, der quacksalbernden Kräuterfrau Thür und Thor, aber er führt dann auch diejenigen Frauen an das Ziel, welche auf Gymnasien oder Realschulen gehörig vorbereitet, auf Universitäten ihre medicinischen Studien vollbracht, ihre Prüfungen vor der betreffenden Facultät abgelegt, und das Diplom einer vollständigen Durchbildung für ihren Beruf gewonnen haben. Man hat mir eingewendet, daß das gemeinsame Studium der Medicin für Frauen und Männer seine *) Der Vorschlag ist schon Gesetz geworden.
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Zulassung zum Studium ist aber das Recht zur Praxis noch keineswegs verbunden; indeß auch hier zeigt sich ein Hoffnungsstrahl für die Thätigkeit der Frauen. In der letzten Session der Volksvertretung haben wissenschaftlich und politisch bedeutende Männer, die obendrein Mediciner waren, Männer wie Virchow, Löwe (Calbe) u. A., den Vorschlag vertreten, die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht mehr von der Ablegung der bisher vom Staate geforderten Prüfungen abhängig zu machen, sondern Jedem die Freiheit zu gewähren, nach eigenem Ermessen über die Befähigung, über das Können und Wissen derjenigen Personen zu entscheiden, von denen er sich heilen oder nicht heilen zu lassen die Neigung hegt. Geht dieser Vorschlag früher oder später als Gesetz bei uns durch *), so öffnet er natürlich dem wunderthuenden Charlatan, der quacksalbernden Kräuterfrau Thür und Thor, aber er führt dann auch diejenigen Frauen an das Ziel, welche auf Gymnasien oder Realschulen gehörig vorbereitet, auf Universitäten ihre medicinischen Studien vollbracht, ihre Prüfungen vor der betreffenden Facultät abgelegt, und das Diplom einer vollständigen Durchbildung für ihren Beruf gewonnen haben.
Man hat mir eingewendet, daß das gemeinsame Studium der Medicin für Frauen und Männer seine
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/136>, abgerufen am 16.02.2025. |