Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.finden sich reichlich so viel Männer als Frauen -- aus den begüterten Ständen. Ich habe es in einem der früheren Briefe ausgesprochen: kaum in einer anderen wichtigen Angelegenheit hat man sich bisher so gedankenlos dem Vorurtheil überlassen, sich so gedankenlos mit landläufigen Phrasen abgefunden, als in der Beurtheilung der socialen und politischen Stellung der Frauen; und schlimmer noch als das gedankenlose Vorurtheil der Männer steift sich das hochmüthige Vorurtheil jener begüterten Frauen gegen die Emancipation der Frauen auf, an welche der Ernst des Lebens und die Noth des Lebens mit ihrer herzbedrückenden Sorge niemals herangetreten sind. Es hat mir oft das Herz empört, wenn ich eben die Frauen jener Stände das Lob des häuslichen Heerdes singen hörte, an dem sie nie in ihrem ganzen Leben gestanden hatten; wenn ich sie, die sich aus Eitelkeit und Zerstreuungssucht nur zu häufig fast allen ihren häuslichen Pflichten zu entziehen wissen, von dem Beruf der Gattin und der Mutter salbungs- und gefühlvoll predigen hörte, während eine bezahlte Haushälterin ihr Haus versah, ein bezahltes entehrtes Frauenzimmer ihre Kinder nährte, eine bezahlte Gouvernante ihre Kinder überwachte und erzog; während sie selber die Morgen in ihren Equipagen auf der Promenade und die Abende am Toilettentisch mit dem Friseur, und danach mit oder ohne ihre Männer im Theater oder in der Gesellschaft zubrachten, finden sich reichlich so viel Männer als Frauen — aus den begüterten Ständen. Ich habe es in einem der früheren Briefe ausgesprochen: kaum in einer anderen wichtigen Angelegenheit hat man sich bisher so gedankenlos dem Vorurtheil überlassen, sich so gedankenlos mit landläufigen Phrasen abgefunden, als in der Beurtheilung der socialen und politischen Stellung der Frauen; und schlimmer noch als das gedankenlose Vorurtheil der Männer steift sich das hochmüthige Vorurtheil jener begüterten Frauen gegen die Emancipation der Frauen auf, an welche der Ernst des Lebens und die Noth des Lebens mit ihrer herzbedrückenden Sorge niemals herangetreten sind. Es hat mir oft das Herz empört, wenn ich eben die Frauen jener Stände das Lob des häuslichen Heerdes singen hörte, an dem sie nie in ihrem ganzen Leben gestanden hatten; wenn ich sie, die sich aus Eitelkeit und Zerstreuungssucht nur zu häufig fast allen ihren häuslichen Pflichten zu entziehen wissen, von dem Beruf der Gattin und der Mutter salbungs- und gefühlvoll predigen hörte, während eine bezahlte Haushälterin ihr Haus versah, ein bezahltes entehrtes Frauenzimmer ihre Kinder nährte, eine bezahlte Gouvernante ihre Kinder überwachte und erzog; während sie selber die Morgen in ihren Equipagen auf der Promenade und die Abende am Toilettentisch mit dem Friseur, und danach mit oder ohne ihre Männer im Theater oder in der Gesellschaft zubrachten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0112" n="102"/> finden sich reichlich so viel Männer als Frauen — aus den begüterten Ständen.</p> <p>Ich habe es in einem der früheren Briefe ausgesprochen: kaum in einer anderen wichtigen Angelegenheit hat man sich bisher so gedankenlos dem Vorurtheil überlassen, sich so gedankenlos mit landläufigen Phrasen abgefunden, als in der Beurtheilung der socialen und politischen Stellung der Frauen; und schlimmer noch als das gedankenlose Vorurtheil der Männer steift sich das hochmüthige Vorurtheil jener begüterten Frauen gegen die Emancipation der Frauen auf, an welche der Ernst des Lebens und die Noth des Lebens mit ihrer herzbedrückenden Sorge niemals herangetreten sind.</p> <p>Es hat mir oft das Herz empört, wenn ich eben die Frauen jener Stände das Lob des häuslichen Heerdes singen hörte, an dem sie nie in ihrem ganzen Leben gestanden hatten; wenn ich sie, die sich aus Eitelkeit und Zerstreuungssucht nur zu häufig fast allen ihren häuslichen Pflichten zu entziehen wissen, von dem Beruf der Gattin und der Mutter salbungs- und gefühlvoll predigen hörte, während eine bezahlte Haushälterin ihr Haus versah, ein bezahltes entehrtes Frauenzimmer ihre Kinder nährte, eine bezahlte Gouvernante ihre Kinder überwachte und erzog; während sie selber die Morgen in ihren Equipagen auf der Promenade und die Abende am Toilettentisch mit dem Friseur, und danach mit oder ohne ihre Männer im Theater oder in der Gesellschaft zubrachten, </p> </div> </body> </text> </TEI> [102/0112]
finden sich reichlich so viel Männer als Frauen — aus den begüterten Ständen.
Ich habe es in einem der früheren Briefe ausgesprochen: kaum in einer anderen wichtigen Angelegenheit hat man sich bisher so gedankenlos dem Vorurtheil überlassen, sich so gedankenlos mit landläufigen Phrasen abgefunden, als in der Beurtheilung der socialen und politischen Stellung der Frauen; und schlimmer noch als das gedankenlose Vorurtheil der Männer steift sich das hochmüthige Vorurtheil jener begüterten Frauen gegen die Emancipation der Frauen auf, an welche der Ernst des Lebens und die Noth des Lebens mit ihrer herzbedrückenden Sorge niemals herangetreten sind.
Es hat mir oft das Herz empört, wenn ich eben die Frauen jener Stände das Lob des häuslichen Heerdes singen hörte, an dem sie nie in ihrem ganzen Leben gestanden hatten; wenn ich sie, die sich aus Eitelkeit und Zerstreuungssucht nur zu häufig fast allen ihren häuslichen Pflichten zu entziehen wissen, von dem Beruf der Gattin und der Mutter salbungs- und gefühlvoll predigen hörte, während eine bezahlte Haushälterin ihr Haus versah, ein bezahltes entehrtes Frauenzimmer ihre Kinder nährte, eine bezahlte Gouvernante ihre Kinder überwachte und erzog; während sie selber die Morgen in ihren Equipagen auf der Promenade und die Abende am Toilettentisch mit dem Friseur, und danach mit oder ohne ihre Männer im Theater oder in der Gesellschaft zubrachten,
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/112>, abgerufen am 16.02.2025. |