Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864.einem Besuche in der Fabrik beschlossen wurden. Es verging noch eine halbe Stunde, ehe Adele nach Hause kam. Samuel hatte volle Zeit, sich in dem Zimmer umzusehen. Mit der ihr eigenthümlichen Hast öffnete sie die Thüre. Ihre blonden Locken waren vom Regen geglättet und hingen schlaff an ihren Wangen herab. Sie sah bleich und übermüdet aus. Als sie Samuel gewahr wurde, blieb sie stehen. "Wie kommen Sie hierher?" fragte sie. "Es war das einzige helle Zimmer im Hause, und ich wollte Sie gern sprechen!" sagte er. "Was ist geschehen?" rief sie erschreckend. "Nichts! Nichts, Cousine! Ist es denn so unbegreiflich, daß ich mir die Freiheit nehme, Sie hier aufzusuchen, um eine Stunde mit Ihnen zu verplaudern?" "Ach, nein!" entgegnete sie, "aber ich bin nicht glücksgewohnt, darum erschreckt mich alles Unerwartete." einem Besuche in der Fabrik beschlossen wurden. Es verging noch eine halbe Stunde, ehe Adele nach Hause kam. Samuel hatte volle Zeit, sich in dem Zimmer umzusehen. Mit der ihr eigenthümlichen Hast öffnete sie die Thüre. Ihre blonden Locken waren vom Regen geglättet und hingen schlaff an ihren Wangen herab. Sie sah bleich und übermüdet aus. Als sie Samuel gewahr wurde, blieb sie stehen. “Wie kommen Sie hierher?” fragte sie. “Es war das einzige helle Zimmer im Hause, und ich wollte Sie gern sprechen!” sagte er. “Was ist geschehen?” rief sie erschreckend. “Nichts! Nichts, Cousine! Ist es denn so unbegreiflich, daß ich mir die Freiheit nehme, Sie hier aufzusuchen, um eine Stunde mit Ihnen zu verplaudern?” “Ach, nein!” entgegnete sie, “aber ich bin nicht glücksgewohnt, darum erschreckt mich alles Unerwartete.” <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0081" n="71"/> einem Besuche in der Fabrik beschlossen wurden.</p> <p> Es verging noch eine halbe Stunde, ehe Adele nach Hause kam. Samuel hatte volle Zeit, sich in dem Zimmer umzusehen. Mit der ihr eigenthümlichen Hast öffnete sie die Thüre. Ihre blonden Locken waren vom Regen geglättet und hingen schlaff an ihren Wangen herab. Sie sah bleich und übermüdet aus.</p> <p> Als sie Samuel gewahr wurde, blieb sie stehen. “Wie kommen Sie hierher?” fragte sie.</p> <p> “Es war das einzige helle Zimmer im Hause, und ich wollte Sie gern sprechen!” sagte er.</p> <p> “Was ist geschehen?” rief sie erschreckend.</p> <p> “Nichts! Nichts, Cousine! Ist es denn so unbegreiflich, daß ich mir die Freiheit nehme, Sie hier aufzusuchen, um eine Stunde mit Ihnen zu verplaudern?”</p> <p> “Ach, nein!” entgegnete sie, “aber ich bin nicht glücksgewohnt, darum erschreckt mich alles Unerwartete.” </p> </div> </body> </text> </TEI> [71/0081]
einem Besuche in der Fabrik beschlossen wurden.
Es verging noch eine halbe Stunde, ehe Adele nach Hause kam. Samuel hatte volle Zeit, sich in dem Zimmer umzusehen. Mit der ihr eigenthümlichen Hast öffnete sie die Thüre. Ihre blonden Locken waren vom Regen geglättet und hingen schlaff an ihren Wangen herab. Sie sah bleich und übermüdet aus.
Als sie Samuel gewahr wurde, blieb sie stehen. “Wie kommen Sie hierher?” fragte sie.
“Es war das einzige helle Zimmer im Hause, und ich wollte Sie gern sprechen!” sagte er.
“Was ist geschehen?” rief sie erschreckend.
“Nichts! Nichts, Cousine! Ist es denn so unbegreiflich, daß ich mir die Freiheit nehme, Sie hier aufzusuchen, um eine Stunde mit Ihnen zu verplaudern?”
“Ach, nein!” entgegnete sie, “aber ich bin nicht glücksgewohnt, darum erschreckt mich alles Unerwartete.”
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