Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

Bild:
<< vorherige Seite
Erzbisch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers.

Nunmehr stand das zertheilte weitläuftige Liefland unter 5 gebietenden1562
Herren, die ihren neuen Unterthanen das veränderte Regiment durch mancherley
zugestandene Vortheile erträglich zu machen suchten. Der Czaar von Rußland,
Jvan Basilowitz,
welcher ausser der Stadt Narva das ganze Stift Dörpt,

Allen-
ga habe dem König schon 1562 am 6ten Merz ordentlich geschworen, welches doch in
der neuen Auflage weggeblieben; obgleich das seine Richtigkeit hat, daß Kettler ih-
renthalben mit Sigismund Augusten in Unterhandlung getreten. Sie hat sich ihr
ursprüngliches Recht, den dritten Stand in Liefland abzugeben, und ununterworfen
zu bleiben, weder von dem Erzbischof noch dem Orden ganz abstreiten lassen. Man
mus ihr Betragen, ihre Widersprüche und die Ausführung derselben wider die bei-
den andern Stände in der Historie aus einem ganz andern Gesichtspunkt ansehen, als
aus dem Verhältnis der Unterthanen gegen ihre ordentliche Obrigkeit. Jetzo wurde sie
einer Last von selbst los, an der sie sich über 200 Jahr, von ihrer Unterwerfung unter
dem Orden an zu rechnen, fast müde geschüttelt. Kurz Riga genos unter römisch-
kaiserlichem Schutz ihre uralte Freiheit, und prägte auf ihren Münzen zum Andenken
dieser Unabhängigkeit ihr Wapen auf beide Seiten: sie hat aber nie den römischen
Reichsadler nach dem Beispiel andrer freien Reichsstädte geführet, und den Kaiser nur
als Schirmherrn, nicht aber als Oberherrn erkant. Als sich bey dieser fast 20 jahrigen
Freiheit viele Wolken aufzogen, wolte die Stadt diesem Gewitter entgehen, und unter-
warf sich der Krone Pohlen mit einem unerwarteten und ungleich grösserm Verlust ih-
res Glücks, als das Land nach seiner Unterwerfung kaum erfahren können. Paulus
Piasecius
in seiner Chronik berichtet ausdrücklich, daß die Stadt aus Bewunderung
der heldenmüthigen Thaten des Königs Stephani und aus freiem Triebe ihm gehul-
digt, und den Eid der Treue in die Hände des Demetrius Solikovski abgelegt habe.
Allein diese Willigkeit hatte ihren Grund theils in den glatten und süssen Worten, theils in
den scharfen Drohungen der Pohlen, hauptsächlich aber in den vortreflichen zugestan-
denen Freiheiten, Vorrechten und Privilegien von Seiten eines grosmüthigen Königs,
an deren Erfüllung hingegen die Republik nicht immer gebunden seyn wolte. Die Hi-
storie der rigischen Unterwerfung ist nach dem Archiv kürzlich diese: Die Stadt fer-
tigte den 7ten Octobr. 1561 eigene Gevolmächtigte nach Vilna ab, wozu die Bürger-
meister Hinrich von Ulenbrock und Johan zum Berge, der Syndicus Stephan
Schoenbach,
der Rathsherr Melchior Kirchhoff und der Secretair Johan
Tastius
ernennet waren. Als der Erzbischof und Herrmeister den Unterwerfunfseid
leisteten, so gab die Stadt nur den Handschlag, sich von den Pohlen nicht zu trennen,
weigerte sich aber so lange den Eid abzulegen, bis sie die Bestätigung ihrer Privilegien,
Rechte und Freiheiten erhielt, und der Kron Pohlen einverleibet würde, und erbot sich
indessen mit ihrem Siegel die vorige Versicherung zu unterzeichnen. Sie protestirte
aber gleich gegen alles, da der König dem Erzbischof und seinem Coadjutor bey seinem
Stifte uud Kirchen geistlich oder weltlich zu bleiben freie Macht gab, dem Herrmeister
aber ein Theil von Liefland mit dem fürstlichen Titel zuzuwenden versprach. Daher
verfertigte der kluge Radzivil den 17ten Merz 1562 die so genante zweite Caution und
gelobte die königliche Bestätigung, dieselbe auf dem nächsten Reichstage zu Petricow
darüber zu verschaffen. Weil diese noch grosmüthiger als die erste heraus kam, lies
sich die Stadt gefallen, einen Eventualeid nach diesem Formular abzulegen.
Jch N. N. lobe und schwöre, daß ich bey der Unterwerfung, welche dem aller-
durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Sigismund Augusto, König zu
Pohlen,
Jahr 1590 kam seine lief- und curländische Chronik zu Rostock durch Augustin Ferber den
Jüngern in Folio zum Druck, welcher Ausgabe wir uns bedienet haben. Sie wurde zum andern
mal zu Leipzig 1594 durch Zachariam Berwaldt in eben dem Format zu drucken angefangen
und 1595 geendiget. Jn dieser letzten sind 4 Blätter auf Befehl des Königs von Pohlen, und
der Churfürsten des Reichs unterdruckt worden, weil die Stadt Riga durch ihren Syndicus
Hilcken drauf drang, und ist unter andern Unrichtigkeiten die Beichuldigung des Krumhausen,
Bl. 32 aber der königlich pohlnische Eid weggeblieben. Chyträus muste gleichfals in seiner an-
dern Auflage das Privilegium vom 6ten Tage nach Catharinen weglassen, wie es denn auch in
desselben deutschen Uebersetzung nicht mit befindlich ist. Doch dadurch ist weder das herrliche
Privilegium vertilget, noch der königliche Eid aus dem corpore priuileg. Nobilit. Liuoniae aus-
gekratzet worden, als welcher ein wesentliches Stück der Unterwerfungsverträge in selbigem aus-
macht. Henning beförderte die schöne Kirchenordnung, welche der Herzog Kettler zu Rostock
1570 drucken und in Curland einführen lies, die aber nun sehr selten und fast unsichtbar ge-
worden.
D d d d 2
Erzbiſch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers.

Nunmehr ſtand das zertheilte weitlaͤuftige Liefland unter 5 gebietenden1562
Herren, die ihren neuen Unterthanen das veraͤnderte Regiment durch mancherley
zugeſtandene Vortheile ertraͤglich zu machen ſuchten. Der Czaar von Rußland,
Jvan Baſilowitz,
welcher auſſer der Stadt Narva das ganze Stift Doͤrpt,

Allen-
ga habe dem Koͤnig ſchon 1562 am 6ten Merz ordentlich geſchworen, welches doch in
der neuen Auflage weggeblieben; obgleich das ſeine Richtigkeit hat, daß Kettler ih-
renthalben mit Sigismund Auguſten in Unterhandlung getreten. Sie hat ſich ihr
urſpruͤngliches Recht, den dritten Stand in Liefland abzugeben, und ununterworfen
zu bleiben, weder von dem Erzbiſchof noch dem Orden ganz abſtreiten laſſen. Man
mus ihr Betragen, ihre Widerſpruͤche und die Ausfuͤhrung derſelben wider die bei-
den andern Staͤnde in der Hiſtorie aus einem ganz andern Geſichtspunkt anſehen, als
aus dem Verhaͤltnis der Unterthanen gegen ihre ordentliche Obrigkeit. Jetzo wurde ſie
einer Laſt von ſelbſt los, an der ſie ſich uͤber 200 Jahr, von ihrer Unterwerfung unter
dem Orden an zu rechnen, faſt muͤde geſchuͤttelt. Kurz Riga genos unter roͤmiſch-
kaiſerlichem Schutz ihre uralte Freiheit, und praͤgte auf ihren Muͤnzen zum Andenken
dieſer Unabhaͤngigkeit ihr Wapen auf beide Seiten: ſie hat aber nie den roͤmiſchen
Reichsadler nach dem Beiſpiel andrer freien Reichsſtaͤdte gefuͤhret, und den Kaiſer nur
als Schirmherrn, nicht aber als Oberherrn erkant. Als ſich bey dieſer faſt 20 jahrigen
Freiheit viele Wolken aufzogen, wolte die Stadt dieſem Gewitter entgehen, und unter-
warf ſich der Krone Pohlen mit einem unerwarteten und ungleich groͤſſerm Verluſt ih-
res Gluͤcks, als das Land nach ſeiner Unterwerfung kaum erfahren koͤnnen. Paulus
Piaſecius
in ſeiner Chronik berichtet ausdruͤcklich, daß die Stadt aus Bewunderung
der heldenmuͤthigen Thaten des Koͤnigs Stephani und aus freiem Triebe ihm gehul-
digt, und den Eid der Treue in die Haͤnde des Demetrius Solikovski abgelegt habe.
Allein dieſe Willigkeit hatte ihren Grund theils in den glatten und ſuͤſſen Worten, theils in
den ſcharfen Drohungen der Pohlen, hauptſaͤchlich aber in den vortreflichen zugeſtan-
denen Freiheiten, Vorrechten und Privilegien von Seiten eines grosmuͤthigen Koͤnigs,
an deren Erfuͤllung hingegen die Republik nicht immer gebunden ſeyn wolte. Die Hi-
ſtorie der rigiſchen Unterwerfung iſt nach dem Archiv kuͤrzlich dieſe: Die Stadt fer-
tigte den 7ten Octobr. 1561 eigene Gevolmaͤchtigte nach Vilna ab, wozu die Buͤrger-
meiſter Hinrich von Ulenbrock und Johan zum Berge, der Syndicus Stephan
Schoenbach,
der Rathsherr Melchior Kirchhoff und der Secretair Johan
Taſtius
ernennet waren. Als der Erzbiſchof und Herrmeiſter den Unterwerfunfseid
leiſteten, ſo gab die Stadt nur den Handſchlag, ſich von den Pohlen nicht zu trennen,
weigerte ſich aber ſo lange den Eid abzulegen, bis ſie die Beſtaͤtigung ihrer Privilegien,
Rechte und Freiheiten erhielt, und der Kron Pohlen einverleibet wuͤrde, und erbot ſich
indeſſen mit ihrem Siegel die vorige Verſicherung zu unterzeichnen. Sie proteſtirte
aber gleich gegen alles, da der Koͤnig dem Erzbiſchof und ſeinem Coadjutor bey ſeinem
Stifte uud Kirchen geiſtlich oder weltlich zu bleiben freie Macht gab, dem Herrmeiſter
aber ein Theil von Liefland mit dem fuͤrſtlichen Titel zuzuwenden verſprach. Daher
verfertigte der kluge Radzivil den 17ten Merz 1562 die ſo genante zweite Caution und
gelobte die koͤnigliche Beſtaͤtigung, dieſelbe auf dem naͤchſten Reichstage zu Petricow
daruͤber zu verſchaffen. Weil dieſe noch grosmuͤthiger als die erſte heraus kam, lies
ſich die Stadt gefallen, einen Eventualeid nach dieſem Formular abzulegen.
Jch N. N. lobe und ſchwoͤre, daß ich bey der Unterwerfung, welche dem aller-
durchlauchtigſten Fuͤrſten und Herrn, Herrn Sigismund Auguſto, Koͤnig zu
Pohlen,
Jahr 1590 kam ſeine lief- und curlaͤndiſche Chronik zu Roſtock durch Auguſtin Ferber den
Juͤngern in Folio zum Druck, welcher Ausgabe wir uns bedienet haben. Sie wurde zum andern
mal zu Leipzig 1594 durch Zachariam Berwaldt in eben dem Format zu drucken angefangen
und 1595 geendiget. Jn dieſer letzten ſind 4 Blaͤtter auf Befehl des Koͤnigs von Pohlen, und
der Churfuͤrſten des Reichs unterdruckt worden, weil die Stadt Riga durch ihren Syndicus
Hilcken drauf drang, und iſt unter andern Unrichtigkeiten die Beichuldigung des Krumhauſen,
Bl. 32 aber der koͤniglich pohlniſche Eid weggeblieben. Chytraͤus muſte gleichfals in ſeiner an-
dern Auflage das Privilegium vom 6ten Tage nach Catharinen weglaſſen, wie es denn auch in
deſſelben deutſchen Ueberſetzung nicht mit befindlich iſt. Doch dadurch iſt weder das herrliche
Privilegium vertilget, noch der koͤnigliche Eid aus dem corpore priuileg. Nobilit. Liuoniae aus-
gekratzet worden, als welcher ein weſentliches Stuͤck der Unterwerfungsvertraͤge in ſelbigem aus-
macht. Henning befoͤrderte die ſchoͤne Kirchenordnung, welche der Herzog Kettler zu Roſtock
1570 drucken und in Curland einfuͤhren lies, die aber nun ſehr ſelten und faſt unſichtbar ge-
worden.
D d d d 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0309" n="291"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Erzbi&#x017F;ch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers.</hi> </fw><lb/>
        <p>Nunmehr &#x017F;tand das zertheilte weitla&#x0364;uftige <hi rendition="#fr">Liefland</hi> unter 5 gebietenden<note place="right">1562</note><lb/>
Herren, die ihren neuen Unterthanen das vera&#x0364;nderte Regiment durch mancherley<lb/>
zuge&#x017F;tandene Vortheile ertra&#x0364;glich zu machen &#x017F;uchten. Der Czaar von <hi rendition="#fr">Rußland,<lb/>
Jvan Ba&#x017F;ilowitz,</hi> welcher au&#x017F;&#x017F;er der Stadt <hi rendition="#fr">Narva</hi> das ganze Stift <hi rendition="#fr">Do&#x0364;rpt,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D d d d 2</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Allen-</hi></fw><lb/><note next="#i85" xml:id="i84" prev="#i83" place="foot" n="w)"><hi rendition="#fr">ga</hi> habe dem Ko&#x0364;nig &#x017F;chon 1562 am 6ten Merz ordentlich ge&#x017F;chworen, welches doch in<lb/>
der neuen Auflage weggeblieben; obgleich das &#x017F;eine Richtigkeit hat, daß <hi rendition="#fr">Kettler</hi> ih-<lb/>
renthalben mit <hi rendition="#fr">Sigismund Augu&#x017F;ten</hi> in Unterhandlung getreten. Sie hat &#x017F;ich ihr<lb/>
ur&#x017F;pru&#x0364;ngliches Recht, den dritten Stand in <hi rendition="#fr">Liefland</hi> abzugeben, und ununterworfen<lb/>
zu bleiben, weder von dem Erzbi&#x017F;chof noch dem Orden ganz ab&#x017F;treiten la&#x017F;&#x017F;en. Man<lb/>
mus ihr Betragen, ihre Wider&#x017F;pru&#x0364;che und die Ausfu&#x0364;hrung der&#x017F;elben wider die bei-<lb/>
den andern Sta&#x0364;nde in der Hi&#x017F;torie aus einem ganz andern Ge&#x017F;ichtspunkt an&#x017F;ehen, als<lb/>
aus dem Verha&#x0364;ltnis der Unterthanen gegen ihre ordentliche Obrigkeit. Jetzo wurde &#x017F;ie<lb/>
einer La&#x017F;t von &#x017F;elb&#x017F;t los, an der &#x017F;ie &#x017F;ich u&#x0364;ber 200 Jahr, von ihrer Unterwerfung unter<lb/>
dem Orden an zu rechnen, fa&#x017F;t mu&#x0364;de ge&#x017F;chu&#x0364;ttelt. Kurz <hi rendition="#fr">Riga</hi> genos unter <hi rendition="#fr">ro&#x0364;mi&#x017F;ch-</hi><lb/>
kai&#x017F;erlichem Schutz ihre uralte Freiheit, und pra&#x0364;gte auf ihren Mu&#x0364;nzen zum Andenken<lb/>
die&#x017F;er Unabha&#x0364;ngigkeit ihr Wapen auf beide Seiten: &#x017F;ie hat aber nie den <hi rendition="#fr">ro&#x0364;mi&#x017F;chen</hi><lb/>
Reichsadler nach dem Bei&#x017F;piel andrer freien Reichs&#x017F;ta&#x0364;dte gefu&#x0364;hret, und den Kai&#x017F;er nur<lb/>
als Schirmherrn, nicht aber als Oberherrn erkant. Als &#x017F;ich bey die&#x017F;er fa&#x017F;t 20 jahrigen<lb/>
Freiheit viele Wolken aufzogen, wolte die Stadt die&#x017F;em Gewitter entgehen, und unter-<lb/>
warf &#x017F;ich der Krone <hi rendition="#fr">Pohlen</hi> mit einem unerwarteten und ungleich gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erm Verlu&#x017F;t ih-<lb/>
res Glu&#x0364;cks, als das Land nach &#x017F;einer Unterwerfung kaum erfahren ko&#x0364;nnen. <hi rendition="#fr">Paulus<lb/>
Pia&#x017F;ecius</hi> in &#x017F;einer Chronik berichtet ausdru&#x0364;cklich, daß die Stadt aus Bewunderung<lb/>
der heldenmu&#x0364;thigen Thaten des Ko&#x0364;nigs <hi rendition="#fr">Stephani</hi> und aus freiem Triebe ihm gehul-<lb/>
digt, und den Eid der Treue in die Ha&#x0364;nde des <hi rendition="#fr">Demetrius Solikovski</hi> abgelegt habe.<lb/>
Allein die&#x017F;e Willigkeit hatte ihren Grund theils in den glatten und &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Worten, theils in<lb/>
den &#x017F;charfen Drohungen der <hi rendition="#fr">Pohlen,</hi> haupt&#x017F;a&#x0364;chlich aber in den vortreflichen zuge&#x017F;tan-<lb/>
denen Freiheiten, Vorrechten und Privilegien von Seiten eines grosmu&#x0364;thigen Ko&#x0364;nigs,<lb/>
an deren Erfu&#x0364;llung hingegen die Republik nicht immer gebunden &#x017F;eyn wolte. Die Hi-<lb/>
&#x017F;torie der <hi rendition="#fr">rigi&#x017F;chen</hi> Unterwerfung i&#x017F;t nach dem Archiv ku&#x0364;rzlich die&#x017F;e: Die Stadt fer-<lb/>
tigte den 7ten Octobr. 1561 eigene Gevolma&#x0364;chtigte nach <hi rendition="#fr">Vilna</hi> ab, wozu die Bu&#x0364;rger-<lb/>
mei&#x017F;ter <hi rendition="#fr">Hinrich</hi> von <hi rendition="#fr">Ulenbrock</hi> und <hi rendition="#fr">Johan zum Berge,</hi> der Syndicus <hi rendition="#fr">Stephan<lb/>
Schoenbach,</hi> der Rathsherr <hi rendition="#fr">Melchior Kirchhoff</hi> und der Secretair <hi rendition="#fr">Johan<lb/>
Ta&#x017F;tius</hi> ernennet waren. Als der Erzbi&#x017F;chof und Herrmei&#x017F;ter den Unterwerfunfseid<lb/>
lei&#x017F;teten, &#x017F;o gab die Stadt nur den Hand&#x017F;chlag, &#x017F;ich von den <hi rendition="#fr">Pohlen</hi> nicht zu trennen,<lb/>
weigerte &#x017F;ich aber &#x017F;o lange den Eid abzulegen, bis &#x017F;ie die Be&#x017F;ta&#x0364;tigung ihrer Privilegien,<lb/>
Rechte und Freiheiten erhielt, und der Kron <hi rendition="#fr">Pohlen</hi> einverleibet wu&#x0364;rde, und erbot &#x017F;ich<lb/>
inde&#x017F;&#x017F;en mit ihrem Siegel die vorige Ver&#x017F;icherung zu unterzeichnen. Sie prote&#x017F;tirte<lb/>
aber gleich gegen alles, da der Ko&#x0364;nig dem Erzbi&#x017F;chof und &#x017F;einem Coadjutor bey &#x017F;einem<lb/>
Stifte uud Kirchen gei&#x017F;tlich oder weltlich zu bleiben freie Macht gab, dem Herrmei&#x017F;ter<lb/>
aber ein Theil von <hi rendition="#fr">Liefland</hi> mit dem fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Titel zuzuwenden ver&#x017F;prach. Daher<lb/>
verfertigte der kluge <hi rendition="#fr">Radzivil</hi> den 17ten Merz 1562 die &#x017F;o genante zweite Caution und<lb/>
gelobte die ko&#x0364;nigliche Be&#x017F;ta&#x0364;tigung, die&#x017F;elbe auf dem na&#x0364;ch&#x017F;ten Reichstage zu <hi rendition="#fr">Petricow</hi><lb/>
daru&#x0364;ber zu ver&#x017F;chaffen. Weil die&#x017F;e noch grosmu&#x0364;thiger als die er&#x017F;te heraus kam, lies<lb/>
&#x017F;ich die Stadt gefallen, einen Eventualeid nach die&#x017F;em Formular abzulegen.<lb/>
Jch <hi rendition="#aq">N. N.</hi> lobe und &#x017F;chwo&#x0364;re, daß ich bey der Unterwerfung, welche dem aller-<lb/>
durchlauchtig&#x017F;ten Fu&#x0364;r&#x017F;ten und Herrn, Herrn <hi rendition="#fr">Sigismund Augu&#x017F;to,</hi> Ko&#x0364;nig zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Pohlen,</hi></fw></note><lb/><note xml:id="f67" prev="#f66" place="foot" n="*)">Jahr 1590 kam &#x017F;eine lief- und <hi rendition="#fr">curla&#x0364;ndi&#x017F;che</hi> Chronik zu <hi rendition="#fr">Ro&#x017F;tock</hi> durch <hi rendition="#fr">Augu&#x017F;tin Ferber</hi> den<lb/>
Ju&#x0364;ngern in Folio zum Druck, welcher Ausgabe wir uns bedienet haben. Sie wurde zum andern<lb/>
mal zu <hi rendition="#fr">Leipzig</hi> 1594 durch <hi rendition="#fr">Zachariam Berwaldt</hi> in eben dem Format zu drucken angefangen<lb/>
und 1595 geendiget. Jn die&#x017F;er letzten &#x017F;ind 4 Bla&#x0364;tter auf Befehl des Ko&#x0364;nigs von <hi rendition="#fr">Pohlen,</hi> und<lb/>
der Churfu&#x0364;r&#x017F;ten des Reichs unterdruckt worden, weil die Stadt <hi rendition="#fr">Riga</hi> durch ihren Syndicus<lb/><hi rendition="#fr">Hilcken</hi> drauf drang, und i&#x017F;t unter andern Unrichtigkeiten die Beichuldigung des <hi rendition="#fr">Krumhau&#x017F;en,</hi><lb/>
Bl. 32 aber der ko&#x0364;niglich <hi rendition="#fr">pohlni&#x017F;che</hi> Eid weggeblieben. <hi rendition="#fr">Chytra&#x0364;us</hi> mu&#x017F;te gleichfals in &#x017F;einer an-<lb/>
dern Auflage das Privilegium vom 6ten Tage nach <hi rendition="#fr">Catharinen</hi> wegla&#x017F;&#x017F;en, wie es denn auch in<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben <hi rendition="#fr">deut&#x017F;chen</hi> Ueber&#x017F;etzung nicht mit befindlich i&#x017F;t. Doch dadurch i&#x017F;t weder das herrliche<lb/>
Privilegium vertilget, noch der ko&#x0364;nigliche Eid aus dem <hi rendition="#aq">corpore priuileg. Nobilit. <hi rendition="#i">Liuoniae</hi></hi> aus-<lb/>
gekratzet worden, als welcher ein we&#x017F;entliches Stu&#x0364;ck der Unterwerfungsvertra&#x0364;ge in &#x017F;elbigem aus-<lb/>
macht. <hi rendition="#fr">Henning</hi> befo&#x0364;rderte die &#x017F;cho&#x0364;ne Kirchenordnung, welche der Herzog <hi rendition="#fr">Kettler</hi> zu <hi rendition="#fr">Ro&#x017F;tock</hi><lb/>
1570 drucken und in <hi rendition="#fr">Curland</hi> einfu&#x0364;hren lies, die aber nun &#x017F;ehr &#x017F;elten und fa&#x017F;t un&#x017F;ichtbar ge-<lb/>
worden.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[291/0309] Erzbiſch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers. Nunmehr ſtand das zertheilte weitlaͤuftige Liefland unter 5 gebietenden Herren, die ihren neuen Unterthanen das veraͤnderte Regiment durch mancherley zugeſtandene Vortheile ertraͤglich zu machen ſuchten. Der Czaar von Rußland, Jvan Baſilowitz, welcher auſſer der Stadt Narva das ganze Stift Doͤrpt, Allen- w) *) 1562 w) ga habe dem Koͤnig ſchon 1562 am 6ten Merz ordentlich geſchworen, welches doch in der neuen Auflage weggeblieben; obgleich das ſeine Richtigkeit hat, daß Kettler ih- renthalben mit Sigismund Auguſten in Unterhandlung getreten. Sie hat ſich ihr urſpruͤngliches Recht, den dritten Stand in Liefland abzugeben, und ununterworfen zu bleiben, weder von dem Erzbiſchof noch dem Orden ganz abſtreiten laſſen. Man mus ihr Betragen, ihre Widerſpruͤche und die Ausfuͤhrung derſelben wider die bei- den andern Staͤnde in der Hiſtorie aus einem ganz andern Geſichtspunkt anſehen, als aus dem Verhaͤltnis der Unterthanen gegen ihre ordentliche Obrigkeit. Jetzo wurde ſie einer Laſt von ſelbſt los, an der ſie ſich uͤber 200 Jahr, von ihrer Unterwerfung unter dem Orden an zu rechnen, faſt muͤde geſchuͤttelt. Kurz Riga genos unter roͤmiſch- kaiſerlichem Schutz ihre uralte Freiheit, und praͤgte auf ihren Muͤnzen zum Andenken dieſer Unabhaͤngigkeit ihr Wapen auf beide Seiten: ſie hat aber nie den roͤmiſchen Reichsadler nach dem Beiſpiel andrer freien Reichsſtaͤdte gefuͤhret, und den Kaiſer nur als Schirmherrn, nicht aber als Oberherrn erkant. Als ſich bey dieſer faſt 20 jahrigen Freiheit viele Wolken aufzogen, wolte die Stadt dieſem Gewitter entgehen, und unter- warf ſich der Krone Pohlen mit einem unerwarteten und ungleich groͤſſerm Verluſt ih- res Gluͤcks, als das Land nach ſeiner Unterwerfung kaum erfahren koͤnnen. Paulus Piaſecius in ſeiner Chronik berichtet ausdruͤcklich, daß die Stadt aus Bewunderung der heldenmuͤthigen Thaten des Koͤnigs Stephani und aus freiem Triebe ihm gehul- digt, und den Eid der Treue in die Haͤnde des Demetrius Solikovski abgelegt habe. Allein dieſe Willigkeit hatte ihren Grund theils in den glatten und ſuͤſſen Worten, theils in den ſcharfen Drohungen der Pohlen, hauptſaͤchlich aber in den vortreflichen zugeſtan- denen Freiheiten, Vorrechten und Privilegien von Seiten eines grosmuͤthigen Koͤnigs, an deren Erfuͤllung hingegen die Republik nicht immer gebunden ſeyn wolte. Die Hi- ſtorie der rigiſchen Unterwerfung iſt nach dem Archiv kuͤrzlich dieſe: Die Stadt fer- tigte den 7ten Octobr. 1561 eigene Gevolmaͤchtigte nach Vilna ab, wozu die Buͤrger- meiſter Hinrich von Ulenbrock und Johan zum Berge, der Syndicus Stephan Schoenbach, der Rathsherr Melchior Kirchhoff und der Secretair Johan Taſtius ernennet waren. Als der Erzbiſchof und Herrmeiſter den Unterwerfunfseid leiſteten, ſo gab die Stadt nur den Handſchlag, ſich von den Pohlen nicht zu trennen, weigerte ſich aber ſo lange den Eid abzulegen, bis ſie die Beſtaͤtigung ihrer Privilegien, Rechte und Freiheiten erhielt, und der Kron Pohlen einverleibet wuͤrde, und erbot ſich indeſſen mit ihrem Siegel die vorige Verſicherung zu unterzeichnen. Sie proteſtirte aber gleich gegen alles, da der Koͤnig dem Erzbiſchof und ſeinem Coadjutor bey ſeinem Stifte uud Kirchen geiſtlich oder weltlich zu bleiben freie Macht gab, dem Herrmeiſter aber ein Theil von Liefland mit dem fuͤrſtlichen Titel zuzuwenden verſprach. Daher verfertigte der kluge Radzivil den 17ten Merz 1562 die ſo genante zweite Caution und gelobte die koͤnigliche Beſtaͤtigung, dieſelbe auf dem naͤchſten Reichstage zu Petricow daruͤber zu verſchaffen. Weil dieſe noch grosmuͤthiger als die erſte heraus kam, lies ſich die Stadt gefallen, einen Eventualeid nach dieſem Formular abzulegen. Jch N. N. lobe und ſchwoͤre, daß ich bey der Unterwerfung, welche dem aller- durchlauchtigſten Fuͤrſten und Herrn, Herrn Sigismund Auguſto, Koͤnig zu Pohlen, *) Jahr 1590 kam ſeine lief- und curlaͤndiſche Chronik zu Roſtock durch Auguſtin Ferber den Juͤngern in Folio zum Druck, welcher Ausgabe wir uns bedienet haben. Sie wurde zum andern mal zu Leipzig 1594 durch Zachariam Berwaldt in eben dem Format zu drucken angefangen und 1595 geendiget. Jn dieſer letzten ſind 4 Blaͤtter auf Befehl des Koͤnigs von Pohlen, und der Churfuͤrſten des Reichs unterdruckt worden, weil die Stadt Riga durch ihren Syndicus Hilcken drauf drang, und iſt unter andern Unrichtigkeiten die Beichuldigung des Krumhauſen, Bl. 32 aber der koͤniglich pohlniſche Eid weggeblieben. Chytraͤus muſte gleichfals in ſeiner an- dern Auflage das Privilegium vom 6ten Tage nach Catharinen weglaſſen, wie es denn auch in deſſelben deutſchen Ueberſetzung nicht mit befindlich iſt. Doch dadurch iſt weder das herrliche Privilegium vertilget, noch der koͤnigliche Eid aus dem corpore priuileg. Nobilit. Liuoniae aus- gekratzet worden, als welcher ein weſentliches Stuͤck der Unterwerfungsvertraͤge in ſelbigem aus- macht. Henning befoͤrderte die ſchoͤne Kirchenordnung, welche der Herzog Kettler zu Roſtock 1570 drucken und in Curland einfuͤhren lies, die aber nun ſehr ſelten und faſt unſichtbar ge- worden. D d d d 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/309
Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/309>, abgerufen am 13.05.2024.