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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Erzbisch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers.
Zug nach Vellin. Der Ort wurde am Tage Mariä Magdalenä beschossen,1560
die Mauren eingeworfen, und das Städgen bis auf 5 Häuser verbrant. Die einzige
Compagnie Soldaten hielt sich auf dem Schlosse noch 4 Wochen. Als sie weiter
nichts als die unausbleibliche Gefangenschaft zu erwarten hatten, sprachen sie von
Unterhandlungen. Ob nun wol der alte Fürstenberg, welcher sich hier der Ruhe
halber niedergelassen, alle sein Gold und Silber den murrenden Soldaten so lan-
ge anbot, bis er sie mit geprägter Münze würde befriedigen können, auch an
Vorrath noch kein Mangel war; so war doch weder aus der Nähe noch Ferne ein
Entsatz zu hoffen. Die Besatzung bedung sich also freien Abzug, und lies trefliches
Geschütz im Stiche. Doch wolte sie sich wegen des rückständigen Soldes selbst
bezahlt machen, und erbrach Kisten und Kasten, in welche der alte Fürstenberg
und viele vom Adel aus der Nähe ihre Geräthe eingepacket hatten, in der Mei-
nung selbige zum Reisegelde zu gebrauchen. Allein die Russen bekamen Wind
davon, jagten den unrechtmäßigen Jnhabern die geplünderten Schätze wieder ab
und sandten die Leute nackend und kahl nach Riga. Hier machte ihnen Kettler
einen kurzen Proces, und lies sie als Verräther aufhängen. Fürstenberg wur-
de samt seinem Diener von den Russen nach Moskau auf das Schlos Lubin
geführet, und ihm selbiges Zeitlebens zum Leibgedinge überlassen, wo er auch To-
des verblichen h).

Als
umtaufen lassen wolte, gefiel dem Czaar dergestalt, daß er ihm seine Begnadigung
noch nach dem Gerichtsplatze schickte, welche aber zu spät einlief.
h) Es lautet sehr gefärlich was D. Lucas Osiander, Heinrich Petri, Nigrinus,
M. David Förster und viele andre von Fürstenbergs Gefangenschaft schreiben.
Wir wollen stat aller Münstern in seiner Cosmographey B. III, Bl. 1165 hören:
Da Vellin eingenommen, setzt Münster mit völliger Unwarheit, haben die Russen
den Herrn Meister Wilhelm von Fürstenberg gefangen genommen. Sie schmie-
deten ihn in Ketten, schickten ihn in die Moskau, führten ihn alle Nacht einmal an
Ketten wie einen Bär zum Schauspiel, liessen ihn grossen Hunger leiden; seiner Knech-
te einer folgte ihm willig nach, wolte nicht von seinem Herrn weichen, bis nach der
Niederlage vor Wittenstein, da erzürnte der Moskowiter, lies ihn und den Knecht
tödten. Elerd Kruse berichtet, daß die Russen alle Liefländer, die sie vor Per-
nau, Revel
und Hapsal gefangen bekommen, und worunter viele von Adel gewesen,
nach Wittenstein geführet, sie meist alle erwürget und ihnen die Hälse abgestochen.
Was Fürstenbergen betrift, so findet sich von ihm ein Brief aus Lubin unterm 16ten
Decemb. 1563, der mit einer weissen Oblate oder Hostie versiegelt ist, in welchem er
Nicolaum Radewille, (so hies dieser Herr gemeiniglich in Liefland) seinen alten
und bekanten Freund, ersuchet, den König von Pohlen zur Fürsprache für ihn bey dem
Czaar zu vermögen. Er nennt seinen Aufenthalt in Moskau ein Exilium, und sein
Schlos ein Gefängnis, thut aber von seinen Banden keine Erwehnung, die doch hier
hätten zuerst angeführet werden müssen. Endlich bittet er um die 6000 Thaler, die er
ehemals diesem Waywoden vorgeschossen. Der deutsche Hochmeister Wolfgang
Schutzbar
zu Milchlingen nahm sich des gefangenen Fürstenbergs 1564 eifriger an,
und schickte Bernhard von Bevern, Theobald von Romschwag, Melchior
Dermo
und Franz von Hatzfeld, Ordensritter, ingleichen Johan Wagnern und
Oswald Lurznig, beide Doctoren der Rechte, an den Czaar ab. Weil man diesel-
ben für kaiserliche Gesandten angesehen, und das Ceremoniel zu vornehm eingerichtet
hatte, so erlangten sie schlechtes Gehör, und musten mit einer übelverstandnen Antwort
über Narva wieder nach Deutschland gehen. Jm Jahr 1565 lies der Czaar Für-
stenbergen
vor sich kommen, und bot ihm in Beiseyn des gewesenen Mannrichters Joh.
Tauben
und Elerd Crusens die Provinz Liefland an, wenn er dem rußischen
Scepter huldigen wolte. Aber Fürstenberg, schreibt Neustädt, wolte sein Gewissen
nicht beschweren. Daher der Czaar aus Unwillen ihn wieder nach Lubin schafte.
Der König von Pohlen giebt in einem Briefe an den König von Dännemark den
Deutschen Schuld, daß sie Fürstenbergen verlassen und an die Russen verrathen.
Russov nennet sein Gefängnis fürstlich. Es bezeugens auch andre, daß die Gefan-
genen Liefländer es in Moskau erträglicher gehabt als man in Liefland glauben
können.
T t t

Erzbiſch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers.
Zug nach Vellin. Der Ort wurde am Tage Mariaͤ Magdalenaͤ beſchoſſen,1560
die Mauren eingeworfen, und das Staͤdgen bis auf 5 Haͤuſer verbrant. Die einzige
Compagnie Soldaten hielt ſich auf dem Schloſſe noch 4 Wochen. Als ſie weiter
nichts als die unausbleibliche Gefangenſchaft zu erwarten hatten, ſprachen ſie von
Unterhandlungen. Ob nun wol der alte Fuͤrſtenberg, welcher ſich hier der Ruhe
halber niedergelaſſen, alle ſein Gold und Silber den murrenden Soldaten ſo lan-
ge anbot, bis er ſie mit gepraͤgter Muͤnze wuͤrde befriedigen koͤnnen, auch an
Vorrath noch kein Mangel war; ſo war doch weder aus der Naͤhe noch Ferne ein
Entſatz zu hoffen. Die Beſatzung bedung ſich alſo freien Abzug, und lies trefliches
Geſchuͤtz im Stiche. Doch wolte ſie ſich wegen des ruͤckſtaͤndigen Soldes ſelbſt
bezahlt machen, und erbrach Kiſten und Kaſten, in welche der alte Fuͤrſtenberg
und viele vom Adel aus der Naͤhe ihre Geraͤthe eingepacket hatten, in der Mei-
nung ſelbige zum Reiſegelde zu gebrauchen. Allein die Ruſſen bekamen Wind
davon, jagten den unrechtmaͤßigen Jnhabern die gepluͤnderten Schaͤtze wieder ab
und ſandten die Leute nackend und kahl nach Riga. Hier machte ihnen Kettler
einen kurzen Proces, und lies ſie als Verraͤther aufhaͤngen. Fuͤrſtenberg wur-
de ſamt ſeinem Diener von den Ruſſen nach Moskau auf das Schlos Lubin
gefuͤhret, und ihm ſelbiges Zeitlebens zum Leibgedinge uͤberlaſſen, wo er auch To-
des verblichen h).

Als
umtaufen laſſen wolte, gefiel dem Czaar dergeſtalt, daß er ihm ſeine Begnadigung
noch nach dem Gerichtsplatze ſchickte, welche aber zu ſpaͤt einlief.
h) Es lautet ſehr gefaͤrlich was D. Lucas Oſiander, Heinrich Petri, Nigrinus,
M. David Foͤrſter und viele andre von Fuͤrſtenbergs Gefangenſchaft ſchreiben.
Wir wollen ſtat aller Muͤnſtern in ſeiner Cosmographey B. III, Bl. 1165 hoͤren:
Da Vellin eingenommen, ſetzt Muͤnſter mit voͤlliger Unwarheit, haben die Ruſſen
den Herrn Meiſter Wilhelm von Fuͤrſtenberg gefangen genommen. Sie ſchmie-
deten ihn in Ketten, ſchickten ihn in die Moskau, fuͤhrten ihn alle Nacht einmal an
Ketten wie einen Baͤr zum Schauſpiel, lieſſen ihn groſſen Hunger leiden; ſeiner Knech-
te einer folgte ihm willig nach, wolte nicht von ſeinem Herrn weichen, bis nach der
Niederlage vor Wittenſtein, da erzuͤrnte der Moskowiter, lies ihn und den Knecht
toͤdten. Elerd Kruſe berichtet, daß die Ruſſen alle Lieflaͤnder, die ſie vor Per-
nau, Revel
und Hapſal gefangen bekommen, und worunter viele von Adel geweſen,
nach Wittenſtein gefuͤhret, ſie meiſt alle erwuͤrget und ihnen die Haͤlſe abgeſtochen.
Was Fuͤrſtenbergen betrift, ſo findet ſich von ihm ein Brief aus Lubin unterm 16ten
Decemb. 1563, der mit einer weiſſen Oblate oder Hoſtie verſiegelt iſt, in welchem er
Nicolaum Radewille, (ſo hies dieſer Herr gemeiniglich in Liefland) ſeinen alten
und bekanten Freund, erſuchet, den Koͤnig von Pohlen zur Fuͤrſprache fuͤr ihn bey dem
Czaar zu vermoͤgen. Er nennt ſeinen Aufenthalt in Moskau ein Exilium, und ſein
Schlos ein Gefaͤngnis, thut aber von ſeinen Banden keine Erwehnung, die doch hier
haͤtten zuerſt angefuͤhret werden muͤſſen. Endlich bittet er um die 6000 Thaler, die er
ehemals dieſem Waywoden vorgeſchoſſen. Der deutſche Hochmeiſter Wolfgang
Schutzbar
zu Milchlingen nahm ſich des gefangenen Fuͤrſtenbergs 1564 eifriger an,
und ſchickte Bernhard von Bevern, Theobald von Romſchwag, Melchior
Dermo
und Franz von Hatzfeld, Ordensritter, ingleichen Johan Wagnern und
Oſwald Lurznig, beide Doctoren der Rechte, an den Czaar ab. Weil man dieſel-
ben fuͤr kaiſerliche Geſandten angeſehen, und das Ceremoniel zu vornehm eingerichtet
hatte, ſo erlangten ſie ſchlechtes Gehoͤr, und muſten mit einer uͤbelverſtandnen Antwort
uͤber Narva wieder nach Deutſchland gehen. Jm Jahr 1565 lies der Czaar Fuͤr-
ſtenbergen
vor ſich kommen, und bot ihm in Beiſeyn des geweſenen Mannrichters Joh.
Tauben
und Elerd Cruſens die Provinz Liefland an, wenn er dem rußiſchen
Scepter huldigen wolte. Aber Fuͤrſtenberg, ſchreibt Neuſtaͤdt, wolte ſein Gewiſſen
nicht beſchweren. Daher der Czaar aus Unwillen ihn wieder nach Lubin ſchafte.
Der Koͤnig von Pohlen giebt in einem Briefe an den Koͤnig von Daͤnnemark den
Deutſchen Schuld, daß ſie Fuͤrſtenbergen verlaſſen und an die Ruſſen verrathen.
Ruſſov nennet ſein Gefaͤngnis fuͤrſtlich. Es bezeugens auch andre, daß die Gefan-
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[257/0275] Erzbiſch. Wilhelm. zur Zeit der Regierung Gotthard Kettlers. Zug nach Vellin. Der Ort wurde am Tage Mariaͤ Magdalenaͤ beſchoſſen, die Mauren eingeworfen, und das Staͤdgen bis auf 5 Haͤuſer verbrant. Die einzige Compagnie Soldaten hielt ſich auf dem Schloſſe noch 4 Wochen. Als ſie weiter nichts als die unausbleibliche Gefangenſchaft zu erwarten hatten, ſprachen ſie von Unterhandlungen. Ob nun wol der alte Fuͤrſtenberg, welcher ſich hier der Ruhe halber niedergelaſſen, alle ſein Gold und Silber den murrenden Soldaten ſo lan- ge anbot, bis er ſie mit gepraͤgter Muͤnze wuͤrde befriedigen koͤnnen, auch an Vorrath noch kein Mangel war; ſo war doch weder aus der Naͤhe noch Ferne ein Entſatz zu hoffen. Die Beſatzung bedung ſich alſo freien Abzug, und lies trefliches Geſchuͤtz im Stiche. Doch wolte ſie ſich wegen des ruͤckſtaͤndigen Soldes ſelbſt bezahlt machen, und erbrach Kiſten und Kaſten, in welche der alte Fuͤrſtenberg und viele vom Adel aus der Naͤhe ihre Geraͤthe eingepacket hatten, in der Mei- nung ſelbige zum Reiſegelde zu gebrauchen. Allein die Ruſſen bekamen Wind davon, jagten den unrechtmaͤßigen Jnhabern die gepluͤnderten Schaͤtze wieder ab und ſandten die Leute nackend und kahl nach Riga. Hier machte ihnen Kettler einen kurzen Proces, und lies ſie als Verraͤther aufhaͤngen. Fuͤrſtenberg wur- de ſamt ſeinem Diener von den Ruſſen nach Moskau auf das Schlos Lubin gefuͤhret, und ihm ſelbiges Zeitlebens zum Leibgedinge uͤberlaſſen, wo er auch To- des verblichen h). 1560 Als g) h) Es lautet ſehr gefaͤrlich was D. Lucas Oſiander, Heinrich Petri, Nigrinus, M. David Foͤrſter und viele andre von Fuͤrſtenbergs Gefangenſchaft ſchreiben. Wir wollen ſtat aller Muͤnſtern in ſeiner Cosmographey B. III, Bl. 1165 hoͤren: Da Vellin eingenommen, ſetzt Muͤnſter mit voͤlliger Unwarheit, haben die Ruſſen den Herrn Meiſter Wilhelm von Fuͤrſtenberg gefangen genommen. Sie ſchmie- deten ihn in Ketten, ſchickten ihn in die Moskau, fuͤhrten ihn alle Nacht einmal an Ketten wie einen Baͤr zum Schauſpiel, lieſſen ihn groſſen Hunger leiden; ſeiner Knech- te einer folgte ihm willig nach, wolte nicht von ſeinem Herrn weichen, bis nach der Niederlage vor Wittenſtein, da erzuͤrnte der Moskowiter, lies ihn und den Knecht toͤdten. Elerd Kruſe berichtet, daß die Ruſſen alle Lieflaͤnder, die ſie vor Per- nau, Revel und Hapſal gefangen bekommen, und worunter viele von Adel geweſen, nach Wittenſtein gefuͤhret, ſie meiſt alle erwuͤrget und ihnen die Haͤlſe abgeſtochen. Was Fuͤrſtenbergen betrift, ſo findet ſich von ihm ein Brief aus Lubin unterm 16ten Decemb. 1563, der mit einer weiſſen Oblate oder Hoſtie verſiegelt iſt, in welchem er Nicolaum Radewille, (ſo hies dieſer Herr gemeiniglich in Liefland) ſeinen alten und bekanten Freund, erſuchet, den Koͤnig von Pohlen zur Fuͤrſprache fuͤr ihn bey dem Czaar zu vermoͤgen. Er nennt ſeinen Aufenthalt in Moskau ein Exilium, und ſein Schlos ein Gefaͤngnis, thut aber von ſeinen Banden keine Erwehnung, die doch hier haͤtten zuerſt angefuͤhret werden muͤſſen. Endlich bittet er um die 6000 Thaler, die er ehemals dieſem Waywoden vorgeſchoſſen. Der deutſche Hochmeiſter Wolfgang Schutzbar zu Milchlingen nahm ſich des gefangenen Fuͤrſtenbergs 1564 eifriger an, und ſchickte Bernhard von Bevern, Theobald von Romſchwag, Melchior Dermo und Franz von Hatzfeld, Ordensritter, ingleichen Johan Wagnern und Oſwald Lurznig, beide Doctoren der Rechte, an den Czaar ab. Weil man dieſel- ben fuͤr kaiſerliche Geſandten angeſehen, und das Ceremoniel zu vornehm eingerichtet hatte, ſo erlangten ſie ſchlechtes Gehoͤr, und muſten mit einer uͤbelverſtandnen Antwort uͤber Narva wieder nach Deutſchland gehen. Jm Jahr 1565 lies der Czaar Fuͤr- ſtenbergen vor ſich kommen, und bot ihm in Beiſeyn des geweſenen Mannrichters Joh. Tauben und Elerd Cruſens die Provinz Liefland an, wenn er dem rußiſchen Scepter huldigen wolte. Aber Fuͤrſtenberg, ſchreibt Neuſtaͤdt, wolte ſein Gewiſſen nicht beſchweren. Daher der Czaar aus Unwillen ihn wieder nach Lubin ſchafte. Der Koͤnig von Pohlen giebt in einem Briefe an den Koͤnig von Daͤnnemark den Deutſchen Schuld, daß ſie Fuͤrſtenbergen verlaſſen und an die Ruſſen verrathen. Ruſſov nennet ſein Gefaͤngnis fuͤrſtlich. Es bezeugens auch andre, daß die Gefan- genen Lieflaͤnder es in Moskau ertraͤglicher gehabt als man in Liefland glauben koͤnnen. g) umtaufen laſſen wolte, gefiel dem Czaar dergeſtalt, daß er ihm ſeine Begnadigung noch nach dem Gerichtsplatze ſchickte, welche aber zu ſpaͤt einlief. T t t

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/275>, abgerufen am 23.11.2024.