[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister, 1558Nachdem sich Dörpt am 19ten Jul. ergeben hatte, fertigte Zuski Bevol- Da der Orden in Liefland wegen der Uebergabe kleinerer Plätze schon so Das erste Gericht hielt man über die aus Moskau zurückgekommenen Gel- Der Ordensmeister Fürstenberg, bey welchem der gegen den Bischof ge- Hätte k) Lustver bekante unter der Marter, daß ihn der Bischof mit Briefen nach Moskau
geschickt, wo ihm der rußische Kanzler eröfnet, der Bischof wolle sich unterwerfen, wenn ihm der Kaiser aller Reussen bey seiner Religion und Freiheiten lassen wolte. Lustver flochte den Stiftskanzler Holtschuher mit in den Handel, als ob der Bischof mit diesem alles verabredet. Holtschuher, sagte er, habe ihn vor den Bischof gefüh- ret, alsdenn habe ihm der Bischof 55 Thlr. und 45 Mark Ferdinge zum Reisegelde ge- zahlet, 40 Thlr. nachgeschicket, ihm die Hand drauf gegeben, daß er ihn wegen der Reise gegen allen Ankläger schützen wolte, mit den angehengten Worten: Jch wil dich zum Manne machen. Er führte auch die Worte an, welche sich der Bischof sol ha- ben verlauten lassen, daß der Czaar Gewalt brauchen, und die dörptischen Deutschen mit Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, 1558Nachdem ſich Doͤrpt am 19ten Jul. ergeben hatte, fertigte Zuski Bevol- Da der Orden in Liefland wegen der Uebergabe kleinerer Plaͤtze ſchon ſo Das erſte Gericht hielt man uͤber die aus Moskau zuruͤckgekommenen Gel- Der Ordensmeiſter Fuͤrſtenberg, bey welchem der gegen den Biſchof ge- Haͤtte k) Luſtver bekante unter der Marter, daß ihn der Biſchof mit Briefen nach Moskau
geſchickt, wo ihm der rußiſche Kanzler eroͤfnet, der Biſchof wolle ſich unterwerfen, wenn ihm der Kaiſer aller Reuſſen bey ſeiner Religion und Freiheiten laſſen wolte. Luſtver flochte den Stiftskanzler Holtſchuher mit in den Handel, als ob der Biſchof mit dieſem alles verabredet. Holtſchuher, ſagte er, habe ihn vor den Biſchof gefuͤh- ret, alsdenn habe ihm der Biſchof 55 Thlr. und 45 Mark Ferdinge zum Reiſegelde ge- zahlet, 40 Thlr. nachgeſchicket, ihm die Hand drauf gegeben, daß er ihn wegen der Reiſe gegen allen Anklaͤger ſchuͤtzen wolte, mit den angehengten Worten: Jch wil dich zum Manne machen. Er fuͤhrte auch die Worte an, welche ſich der Biſchof ſol ha- ben verlauten laſſen, daß der Czaar Gewalt brauchen, und die doͤrptiſchen Deutſchen mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0258" n="240"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,</hi> </fw><lb/> <note place="left">1558</note> <p>Nachdem ſich <hi rendition="#fr">Doͤrpt</hi> am 19ten Jul. ergeben hatte, fertigte <hi rendition="#fr">Zuski</hi> Bevol-<lb/> maͤchtigte ab, die die Stadt <hi rendition="#fr">Revel</hi> zur Uebergabe auffordern und ihr die ſchoͤn-<lb/> ſten Bedingungen anbieten ſolten. 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Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
Nachdem ſich Doͤrpt am 19ten Jul. ergeben hatte, fertigte Zuski Bevol-
maͤchtigte ab, die die Stadt Revel zur Uebergabe auffordern und ihr die ſchoͤn-
ſten Bedingungen anbieten ſolten. Die Stadt aber, die ſich auf weit feſtere und
von der Natur verſtaͤrkte Werke verlaſſen konte, dergleichen Doͤrpt nicht hatte,
ertheilte 2 Meilen von Revel in des Raths Hofe den rußiſchen Unterhaͤndlern
die kurze Antwort, daß ſie als eine herrmeiſterliche Stadt zum Capituliren keine
Erlaubnis habe.
Da der Orden in Liefland wegen der Uebergabe kleinerer Plaͤtze ſchon ſo
viel Aufhebens machte, ſo iſt leicht zu begreifen, warum dieſes ein wenig befeſtigte
Doͤrpt, das man mit Gewalt fuͤr eine Vormauer des Landes ausgab, bey ſei-
ner Ergebung noch viel mehr Reden und Verwirrung verurſachte. Man nante
die Einwohner deſſelben reiche und bemittelte Leute, die ihr Vermoͤgen zur Ret-
tung des ganzen Landes haͤtten anwenden ſollen. Man ſchaͤtzte die Baarſchaft an-
ſehnlicher Stiftsraͤthe, denen man Geitz und Eigennutz vorwarf. Die Aermern
beſchuldigte man der Schwelgerey und des Durchbringens. Man redete von
Verraͤthern, man ſpottete der Ungluͤcklichen, und verfuhr nicht anders, als ob
die Rechnung ſchon richtig waͤre, daß ein jeder Doͤrptiſcher wol 100 Ruſſen
auf ſich nehmen koͤnte.
Das erſte Gericht hielt man uͤber die aus Moskau zuruͤckgekommenen Gel-
der, die zu Riga in der Maſſelſtraſſe in dem Hauſe des Herrn Joh. Uxkuͤls
von Mentzen niedergeleget waren, wovon denen Doͤrptern wenig wieder in die
Haͤnde kam. Man ſahe ſie als Gelder an, welche nun rußiſch waͤren, und die
man daher nicht zuruͤckgeben duͤrfte. Selbſt diejenigen Gelder, welche die aus
Doͤrpt wegziehenden Einwohner aus Verkaufung ihres Geraͤthes geloͤſet, wur-
den fuͤr feindlich erklaͤret, und dieſen fluͤchtigen Leuten auf dem Wege nach Re-
vel durch den Gebietiger Wilhelm Wifferling abgenommen.
Der Ordensmeiſter Fuͤrſtenberg, bey welchem der gegen den Biſchof ge-
faſte Argwohn bey dieſem Verluſt gleichſam von neuem aufwachte, ruhete nicht
eher, bis er die vermuthete Verraͤtherey entdecket hatte. Man nahm den biſchoͤfli-
chen Bedienten Chriſtoph Luſtvern in Verhaft, und brachte ihn nach Wenden
in den Peinthurm. Dieſer der Tortur ungewohnte Hoͤfling that eine ziemlich un-
ordentliche Auſſage, und muſte ſie nach empfangenem Abendmahl den 25ſten Jul.
in Gegenwart des roͤmiſch-kaiſerlichen Notarii Thomas Tarnow in der
hauscomturlichen Kammer Vormittages um 8 Uhr guͤtlich bekraͤftigen, woruͤber
der Ordensſecretarius Baſtian Dittmarſchen das Protocol fuͤhrete. Die
Auſſage des Weinſchenken in Wenden, Reinhold Fackens, hieng nicht ordentli-
cher zuſammen; gleichwol machte des erſtern Bekentnis, daß man den ehrlichen
Kanzler Georg Holtſchuher in Hapſal einzog, deſſen Auſſage man wieder
ſo drehete, als ob der Biſchof mit Fleis und Vorſatz die Ruſſen ins Land einge-
locket, und ihnen die Feſtungen in die Haͤnde geſpielet habe. Dis Verfahren
machte den uͤbrigen doͤrptiſchen Kapitelsherren geſchwinde Fuͤſſe nach ihrem Va-
terlande, damit ſie nicht auch das Ungluͤck haͤtten, unſchuldiger weiſe mit in die
Jnquiſition uͤber die ſo genanten Landesverraͤther zu gerathen. Luſtver fiel ſelbſt
uͤber ſeine Ausſage in Verzweifelung und erhieng ſich im Gefaͤngnis k).
Haͤtte
k) Luſtver bekante unter der Marter, daß ihn der Biſchof mit Briefen nach Moskau
geſchickt, wo ihm der rußiſche Kanzler eroͤfnet, der Biſchof wolle ſich unterwerfen,
wenn ihm der Kaiſer aller Reuſſen bey ſeiner Religion und Freiheiten laſſen wolte.
Luſtver flochte den Stiftskanzler Holtſchuher mit in den Handel, als ob der Biſchof
mit dieſem alles verabredet. Holtſchuher, ſagte er, habe ihn vor den Biſchof gefuͤh-
ret, alsdenn habe ihm der Biſchof 55 Thlr. und 45 Mark Ferdinge zum Reiſegelde ge-
zahlet, 40 Thlr. nachgeſchicket, ihm die Hand drauf gegeben, daß er ihn wegen der
Reiſe gegen allen Anklaͤger ſchuͤtzen wolte, mit den angehengten Worten: Jch wil dich
zum Manne machen. Er fuͤhrte auch die Worte an, welche ſich der Biſchof ſol ha-
ben verlauten laſſen, daß der Czaar Gewalt brauchen, und die doͤrptiſchen Deutſchen
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