[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister, 1558Die Russen warfen 2 Schanzen auf, eine vor der Drenspforte, die an- Der Feldherr Zuski, dem Neustädt das Zeugnis eines frommen und sit- Den h) Die Umstände der dörptischen Belagerung findet man am volständigsten beim Neu-
städt. Bredenbach geht in einigen Stücken von ihm ab, legt die Uebergabe den Bür- gern allein zur Last, und bezeuget, daß der Bischof sich hart dagegen gesträubet, ob er gleich diesen braven Herrn an einigen Stellen nicht so vortheilhaft schildert, weil er den Lutheranern zu gewogen schien. Henning macht, wie sein Herr Meister, lauter Ver- rätherey daraus. Russov aber kan es den Dörptischen gar nicht vergeben, daß sie ohne Sturm und Verlust aus grosser Furcht und Leichtfertigkeit, ohne Noth, ihre Stadt dem Feinde überlassen. Doch Russov, der dem Wahn des Pöbels glaubte, wird Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, 1558Die Ruſſen warfen 2 Schanzen auf, eine vor der Drenspforte, die an- Der Feldherr Zuski, dem Neuſtaͤdt das Zeugnis eines frommen und ſit- Den h) Die Umſtaͤnde der doͤrptiſchen Belagerung findet man am volſtaͤndigſten beim Neu-
ſtaͤdt. Bredenbach geht in einigen Stuͤcken von ihm ab, legt die Uebergabe den Buͤr- gern allein zur Laſt, und bezeuget, daß der Biſchof ſich hart dagegen geſtraͤubet, ob er gleich dieſen braven Herrn an einigen Stellen nicht ſo vortheilhaft ſchildert, weil er den Lutheranern zu gewogen ſchien. Henning macht, wie ſein Herr Meiſter, lauter Ver- raͤtherey daraus. Ruſſov aber kan es den Doͤrptiſchen gar nicht vergeben, daß ſie ohne Sturm und Verluſt aus groſſer Furcht und Leichtfertigkeit, ohne Noth, ihre Stadt dem Feinde uͤberlaſſen. Doch Ruſſov, der dem Wahn des Poͤbels glaubte, wird <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0254" n="236"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,</hi> </fw><lb/> <note place="left">1558</note> <p>Die <hi rendition="#fr">Ruſſen</hi> warfen 2 Schanzen auf, eine vor der <hi rendition="#fr">Drenspforte,</hi> die an-<lb/> dre an der <hi rendition="#fr">Deutſchen</hi> Pforte uͤber der <hi rendition="#fr">Embach,</hi> auf der Balbahne, welche man<lb/> aus der Stadt des dicken Nebels wegen in 3 Tagen nicht ſehen konte. Der an-<lb/> fuͤhrende Feldherr <hi rendition="#fr">Knees Peter Jvanewitz Zuski</hi> forderte die Stadt auf,<lb/> und bot den Einwohnern einen ſehr leidlichen Vergleich an, der aber von Seiten<lb/> des Biſchofs ausgeſchlagen wurde. Auf die erſte Lage mit dem Geſchuͤtz fluͤchte-<lb/> ten die Domherren und der ſtiftiſche Adel des Nachts aus der Stadt, und nah-<lb/> men ihren Weg nach <hi rendition="#fr">Riga,</hi> wo ſie nicht ſonderlich wilkommen waren. Der<lb/> Magiſtrat entdeckte dem Biſchof ſo gleich die Schwaͤche der Gegenwehr, und wie<lb/> wenig man ſich auf den Entſatz des Herrn Meiſters verlaſſen koͤnne. Von ihren<lb/> Soldaten, deren 200 in voͤlliger Bereitſchaft ſeyn ſolten, waͤren viele krank und<lb/> geſtorben. Die Bruſtſeuche habe manchen jungen Buͤrger weggeraffet, und die<lb/> Handwerksburſche waͤren ſchon vorher nach <hi rendition="#fr">Deutſchland</hi> gezogen. Der Bi-<lb/> ſchof frug, ob auch das feindliche Schieſſen Schaden angerichtet, worauf der<lb/> Magiſtrat verſetzte, daß ihrem Quartiermeiſter <hi rendition="#fr">Eberhard Starcken</hi> auf dem<lb/> Drensthurm ein Schenkel abgeſchoſſen, zwey Handlanger getoͤdtet und etliche an-<lb/> dre bey dem Ausfal verungluͤcket waͤren. Die Tag und Nacht zu haltende Wa-<lb/> che fiele der Buͤrgerſchaft und Beſatzung zu ſchwer; indeſſen haͤtten ſie 2 Bauren<lb/> erkauft, die ſich bereden laſſen dem Ordensmeiſter einige Bitſchreiben um baldige<lb/> Huͤlfe zu uͤberbringen; welchen Vorſchlag ſich denn der Biſchof gefallen lies.<lb/> Die beiden Bauren wurden in der Nacht 3 Stunden von einander mit einem<lb/> Schreiben an den Meiſter abgeſchickt, die auch beide ankamen, aber keine andre<lb/> Antwort zuruͤck brachten, als den aufrichtigen Wunſch, die <hi rendition="#fr">Doͤrptiſchen</hi> moͤch-<lb/> ten ſich heldenmuͤthig betragen, und ſich nach Moͤglichkeit wehren; der Orden<lb/> koͤnne nicht helfen, der Meiſter wolle fuͤr ſie beten, und zur Herbeiſchaffung eini-<lb/> ger neu angeworbenen Manſchaft Anſtalt machen. Das war der ganze Troſt in<lb/> in einer Noth, da der Feind nur 5 oder 6 Faden weit von den Thoren ſeine Schan-<lb/> zen errichtet, und den Sandberg unter dem Schloſſe ſchon untergraben hatte.</p><lb/> <p>Der Feldherr <hi rendition="#fr">Zuski,</hi> dem <hi rendition="#fr">Neuſtaͤdt</hi> das Zeugnis eines frommen und ſit-<lb/> ſamen Mannes giebt, lies die Gnade ſeines Czaars nochmals unter Trompeten-<lb/> ſchal bekant machen, und der Stadt verſichern, ſein Herr werde ſie als ein chriſt-<lb/> licher Kaiſer und Grosfuͤrſt bey ihrer Religion und Rechten nach dem alten Her-<lb/> kommen ſchuͤtzen; wie er denn auch allen, die abziehen wolten, freien Pas und<lb/> freie Ruͤckkehr erlaubte. Der Magiſtrat nebſt der Buͤrgerſchaft lagen dem Bi-<lb/> ſchof ſehr an, er moͤchte ſich bey ſo herrlichen Vortheilen zu Unterhandlungen ver-<lb/> ſtehen, zumal da <hi rendition="#fr">Zuski</hi> der Stadt auf 2 Tage einen Stilſtand bewilligte; ſie er-<lb/> boten ſich aber dabey ſich zu wehren und zu fechten, ſo lange ein Schluͤſſel an der<lb/> Wand und ein Loͤffel im Schranke ſtecke, wenn nur dieſes Verfahren den Na-<lb/> men einer vernuͤnftigen Tapferkeit und keiner verwegenen Unbeſonnenheit verdiene.<lb/> Ein gleiches verſicherte die Beſatzung, und verlangte ein Zeugnis von ihrem Wohl-<lb/> verhalten nebſt einem ordentlichen Reiſepas. Die Prieſterſchaft verbot gleichfals<lb/> alle Widerſpenſtigkeit, wodurch die <hi rendition="#fr">Ruſſen</hi> erbittert werden koͤnten. Die Ge-<lb/> meinde hielt nur theils um die Sicherheit ihrer Habe und Guͤter, theils um freien<lb/> und ungehinderten Abzug an <note xml:id="i27" next="#i28" place="foot" n="h)">Die Umſtaͤnde der <hi rendition="#fr">doͤrptiſchen</hi> Belagerung findet man am volſtaͤndigſten beim <hi rendition="#fr">Neu-<lb/> ſtaͤdt. Bredenbach</hi> geht in einigen Stuͤcken von ihm ab, legt die Uebergabe den Buͤr-<lb/> gern allein zur Laſt, und bezeuget, daß der Biſchof ſich hart dagegen geſtraͤubet, ob er<lb/> gleich dieſen braven Herrn an einigen Stellen nicht ſo vortheilhaft ſchildert, weil er den<lb/><hi rendition="#fr">Lutheranern</hi> zu gewogen ſchien. <hi rendition="#fr">Henning</hi> macht, wie ſein Herr Meiſter, lauter Ver-<lb/> raͤtherey daraus. <hi rendition="#fr">Ruſſov</hi> aber kan es den <hi rendition="#fr">Doͤrptiſchen</hi> gar nicht vergeben, daß ſie<lb/> ohne Sturm und Verluſt aus groſſer Furcht und Leichtfertigkeit, ohne Noth, ihre<lb/> Stadt dem Feinde uͤberlaſſen. Doch <hi rendition="#fr">Ruſſov,</hi> der dem Wahn des Poͤbels glaubte,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wird</fw></note>.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Den</fw><lb/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [236/0254]
Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
Die Ruſſen warfen 2 Schanzen auf, eine vor der Drenspforte, die an-
dre an der Deutſchen Pforte uͤber der Embach, auf der Balbahne, welche man
aus der Stadt des dicken Nebels wegen in 3 Tagen nicht ſehen konte. Der an-
fuͤhrende Feldherr Knees Peter Jvanewitz Zuski forderte die Stadt auf,
und bot den Einwohnern einen ſehr leidlichen Vergleich an, der aber von Seiten
des Biſchofs ausgeſchlagen wurde. Auf die erſte Lage mit dem Geſchuͤtz fluͤchte-
ten die Domherren und der ſtiftiſche Adel des Nachts aus der Stadt, und nah-
men ihren Weg nach Riga, wo ſie nicht ſonderlich wilkommen waren. Der
Magiſtrat entdeckte dem Biſchof ſo gleich die Schwaͤche der Gegenwehr, und wie
wenig man ſich auf den Entſatz des Herrn Meiſters verlaſſen koͤnne. Von ihren
Soldaten, deren 200 in voͤlliger Bereitſchaft ſeyn ſolten, waͤren viele krank und
geſtorben. Die Bruſtſeuche habe manchen jungen Buͤrger weggeraffet, und die
Handwerksburſche waͤren ſchon vorher nach Deutſchland gezogen. Der Bi-
ſchof frug, ob auch das feindliche Schieſſen Schaden angerichtet, worauf der
Magiſtrat verſetzte, daß ihrem Quartiermeiſter Eberhard Starcken auf dem
Drensthurm ein Schenkel abgeſchoſſen, zwey Handlanger getoͤdtet und etliche an-
dre bey dem Ausfal verungluͤcket waͤren. Die Tag und Nacht zu haltende Wa-
che fiele der Buͤrgerſchaft und Beſatzung zu ſchwer; indeſſen haͤtten ſie 2 Bauren
erkauft, die ſich bereden laſſen dem Ordensmeiſter einige Bitſchreiben um baldige
Huͤlfe zu uͤberbringen; welchen Vorſchlag ſich denn der Biſchof gefallen lies.
Die beiden Bauren wurden in der Nacht 3 Stunden von einander mit einem
Schreiben an den Meiſter abgeſchickt, die auch beide ankamen, aber keine andre
Antwort zuruͤck brachten, als den aufrichtigen Wunſch, die Doͤrptiſchen moͤch-
ten ſich heldenmuͤthig betragen, und ſich nach Moͤglichkeit wehren; der Orden
koͤnne nicht helfen, der Meiſter wolle fuͤr ſie beten, und zur Herbeiſchaffung eini-
ger neu angeworbenen Manſchaft Anſtalt machen. Das war der ganze Troſt in
in einer Noth, da der Feind nur 5 oder 6 Faden weit von den Thoren ſeine Schan-
zen errichtet, und den Sandberg unter dem Schloſſe ſchon untergraben hatte.
Der Feldherr Zuski, dem Neuſtaͤdt das Zeugnis eines frommen und ſit-
ſamen Mannes giebt, lies die Gnade ſeines Czaars nochmals unter Trompeten-
ſchal bekant machen, und der Stadt verſichern, ſein Herr werde ſie als ein chriſt-
licher Kaiſer und Grosfuͤrſt bey ihrer Religion und Rechten nach dem alten Her-
kommen ſchuͤtzen; wie er denn auch allen, die abziehen wolten, freien Pas und
freie Ruͤckkehr erlaubte. Der Magiſtrat nebſt der Buͤrgerſchaft lagen dem Bi-
ſchof ſehr an, er moͤchte ſich bey ſo herrlichen Vortheilen zu Unterhandlungen ver-
ſtehen, zumal da Zuski der Stadt auf 2 Tage einen Stilſtand bewilligte; ſie er-
boten ſich aber dabey ſich zu wehren und zu fechten, ſo lange ein Schluͤſſel an der
Wand und ein Loͤffel im Schranke ſtecke, wenn nur dieſes Verfahren den Na-
men einer vernuͤnftigen Tapferkeit und keiner verwegenen Unbeſonnenheit verdiene.
Ein gleiches verſicherte die Beſatzung, und verlangte ein Zeugnis von ihrem Wohl-
verhalten nebſt einem ordentlichen Reiſepas. Die Prieſterſchaft verbot gleichfals
alle Widerſpenſtigkeit, wodurch die Ruſſen erbittert werden koͤnten. Die Ge-
meinde hielt nur theils um die Sicherheit ihrer Habe und Guͤter, theils um freien
und ungehinderten Abzug an h).
Den
h) Die Umſtaͤnde der doͤrptiſchen Belagerung findet man am volſtaͤndigſten beim Neu-
ſtaͤdt. Bredenbach geht in einigen Stuͤcken von ihm ab, legt die Uebergabe den Buͤr-
gern allein zur Laſt, und bezeuget, daß der Biſchof ſich hart dagegen geſtraͤubet, ob er
gleich dieſen braven Herrn an einigen Stellen nicht ſo vortheilhaft ſchildert, weil er den
Lutheranern zu gewogen ſchien. Henning macht, wie ſein Herr Meiſter, lauter Ver-
raͤtherey daraus. Ruſſov aber kan es den Doͤrptiſchen gar nicht vergeben, daß ſie
ohne Sturm und Verluſt aus groſſer Furcht und Leichtfertigkeit, ohne Noth, ihre
Stadt dem Feinde uͤberlaſſen. Doch Ruſſov, der dem Wahn des Poͤbels glaubte,
wird
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |