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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister,
1558rischen Gnadenbrief den Narvischen überbrächte. Und also beurlaubten sich bei-
de Abgeordnete, fanden aber bey ihrer Zurückkunft die Stadt in ganz andern
Umständen.

Der vellinsche Comtur, Gotthard Kettler, und der revelsche Comtur
Franz von Segehafen, genant Azel, waren mit etlichen 800 Man und einigem
Feldgeschütze auf dem Wege Narva zu entsetzen; dieses machte einige Constabler
von der narvischen Besatzung so übermüthig, daß sie auf eine höchst unbesonne-
ne Weise unter die in Jvanogrod an einem Festtage bezechten Russen ihr gro-
bes Geschütz losbranten, und viele tödteten. Die Russen geriethen darüber in
grosse Bestürzung, und holten von ihren Befehlshabern Befehl zur Gegenwehr
ein' weil sie den Stilstand zu beobachten hatten. Zum Unglück der armen Stadt
kam in des Barbiers Cordt Ulken Hause plötzlich Feuer aus, welches unter den
mehrentheils hölzernen Häusern recht wütend um sich grif und sie in Asche legte.
Bey dieser Unordnung schwammen die Russen über den Strom, drungen in die
Stadt hinein, besetzten die Thore und halfen noch manches retten. Die Bürger-
schaft und Besatzung flüchtete nach dem Schlosse. Hier erboten sie sich so gleich
zur Uebergabe, unter der Bedingung eines freien Abzugs, welcher ihnen auch von
den Russen zugestanden wurde. Kettler lag 3 Meilen von der Stadt hinter
3 Bergen, sahe sich aber viel zu schwach den Entsatz zu wagen: doch glaubte er,
diese Vormauer von Estland könne ihrer Vestigkeit wegen den grimmigsten An-
grif aushalten, zumal da eine auf Kundschaft ausgeschickte Parthey die Nachricht
überbrachte, daß sie nur eine halbe Meile von der Stadt gewesen, in welcher das
Feuer glücklich gedämpfet worden, und alles ausser Gefahr sey. Doch da man
im Lager erst recht ruhen wolte, so kam schon die Bürgerschaft und Garnison aus
Narva bey ihnen an, und legte von ihrer Uebergabe den warhaftigen Bericht ab.
Die Narvischen beklagten sich über die ausgebliebene Hülfe, Kettler hingegen,
der diesen so unvermutheten Verlust nicht begreifen konte, fiel auf die Gedanken,
die Stadt müste durch Verrätherey übergeben seyn, davon er die Urheber zu ent-
decken sich bemühte. Die Eroberung dieses haltbaren Platzes, so am 12ten May
geschahe, verursachte in den benachbarten Oertern ein solches Schrecken, daß eine
Unordnung auf die andre folgte, und man dieselbe billig für den Anfang aller wi-
derwärtigen Begebenheiten damaliger Zeit halten kan.

Zwey Tage nach Einäscherung der Stadt Narva kamen die Abgeordneten,
Krumhausen und Deden, aus Moscau mit dem czaarischen Gnadenbriefe
zurück, und sahen ihr Hab und Gut unter der noch rauchenden Asche verzehret.
Sie begaben sich laut ihrem Versprechen nach Jvanogrod und baten um die Frei-
heit der eingelieferten Geisseln, weil der Czaar die Stadt seiner Gnade versichert.
Man versprach auch sie loszugeben, wenn Krumhausen den Gnadenbrief den
ausgezogenen Einwohnern den Augenblick nachschicken würde, damit sie sich wieder
anbauen und die Handlung nach Rußland fortsetzen möchten. Ein Bürger,
Namens Hans Bernd, stelte vor, daß es keine Liefländer, sondern nur
Fremde wären, die bisher nach Rußland gehandelt hätten, worauf er auch in
Freiheit kam, dabey aber angeloben muste, die czaarische Begnadigung der Stadt
an Kettlern abzugeben. Der unschuldige Man erhielt ein schlechtes Botenlohn,
indem ihn Kettler nach Revel abführen lies, wo er auf dem Schlosse lange Zeit
gefangen sitzen muste. Die Beschuldigung der Verrätherey traf endlich Krum-
hausen
selbst, in welchen Verdacht so gar der Vogt, der Rath und die ganze
Gemeine verwickelt wurde g). Denn die in Jvanogrod nachgebliebenen Geis-

seln
g) Der alte Krumhausen wird von Henningen in der liefländischen Chronik S. 27
und von andern mit unter die Verräther von Liefland gerechnet. Und warum nicht?
Es war ja auf der Tortur von andern auf ihn bekant, daß er dem Czaar ein Präsent
mit 10 grossen Oliven gemacht. Doch die 5 Söhne dieses Mannes, Johan, Jo-
chim, Michael, Melchior
und Abraham retteten die Ehre ihres Vaters, durch
einen

Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
1558riſchen Gnadenbrief den Narviſchen uͤberbraͤchte. Und alſo beurlaubten ſich bei-
de Abgeordnete, fanden aber bey ihrer Zuruͤckkunft die Stadt in ganz andern
Umſtaͤnden.

Der vellinſche Comtur, Gotthard Kettler, und der revelſche Comtur
Franz von Segehafen, genant Azel, waren mit etlichen 800 Man und einigem
Feldgeſchuͤtze auf dem Wege Narva zu entſetzen; dieſes machte einige Conſtabler
von der narviſchen Beſatzung ſo uͤbermuͤthig, daß ſie auf eine hoͤchſt unbeſonne-
ne Weiſe unter die in Jvanogrod an einem Feſttage bezechten Ruſſen ihr gro-
bes Geſchuͤtz losbranten, und viele toͤdteten. Die Ruſſen geriethen daruͤber in
groſſe Beſtuͤrzung, und holten von ihren Befehlshabern Befehl zur Gegenwehr
ein’ weil ſie den Stilſtand zu beobachten hatten. Zum Ungluͤck der armen Stadt
kam in des Barbiers Cordt Ulken Hauſe ploͤtzlich Feuer aus, welches unter den
mehrentheils hoͤlzernen Haͤuſern recht wuͤtend um ſich grif und ſie in Aſche legte.
Bey dieſer Unordnung ſchwammen die Ruſſen uͤber den Strom, drungen in die
Stadt hinein, beſetzten die Thore und halfen noch manches retten. Die Buͤrger-
ſchaft und Beſatzung fluͤchtete nach dem Schloſſe. Hier erboten ſie ſich ſo gleich
zur Uebergabe, unter der Bedingung eines freien Abzugs, welcher ihnen auch von
den Ruſſen zugeſtanden wurde. Kettler lag 3 Meilen von der Stadt hinter
3 Bergen, ſahe ſich aber viel zu ſchwach den Entſatz zu wagen: doch glaubte er,
dieſe Vormauer von Eſtland koͤnne ihrer Veſtigkeit wegen den grimmigſten An-
grif aushalten, zumal da eine auf Kundſchaft ausgeſchickte Parthey die Nachricht
uͤberbrachte, daß ſie nur eine halbe Meile von der Stadt geweſen, in welcher das
Feuer gluͤcklich gedaͤmpfet worden, und alles auſſer Gefahr ſey. Doch da man
im Lager erſt recht ruhen wolte, ſo kam ſchon die Buͤrgerſchaft und Garniſon aus
Narva bey ihnen an, und legte von ihrer Uebergabe den warhaftigen Bericht ab.
Die Narviſchen beklagten ſich uͤber die ausgebliebene Huͤlfe, Kettler hingegen,
der dieſen ſo unvermutheten Verluſt nicht begreifen konte, fiel auf die Gedanken,
die Stadt muͤſte durch Verraͤtherey uͤbergeben ſeyn, davon er die Urheber zu ent-
decken ſich bemuͤhte. Die Eroberung dieſes haltbaren Platzes, ſo am 12ten May
geſchahe, verurſachte in den benachbarten Oertern ein ſolches Schrecken, daß eine
Unordnung auf die andre folgte, und man dieſelbe billig fuͤr den Anfang aller wi-
derwaͤrtigen Begebenheiten damaliger Zeit halten kan.

Zwey Tage nach Einaͤſcherung der Stadt Narva kamen die Abgeordneten,
Krumhauſen und Deden, aus Moſcau mit dem czaariſchen Gnadenbriefe
zuruͤck, und ſahen ihr Hab und Gut unter der noch rauchenden Aſche verzehret.
Sie begaben ſich laut ihrem Verſprechen nach Jvanogrod und baten um die Frei-
heit der eingelieferten Geiſſeln, weil der Czaar die Stadt ſeiner Gnade verſichert.
Man verſprach auch ſie loszugeben, wenn Krumhauſen den Gnadenbrief den
ausgezogenen Einwohnern den Augenblick nachſchicken wuͤrde, damit ſie ſich wieder
anbauen und die Handlung nach Rußland fortſetzen moͤchten. Ein Buͤrger,
Namens Hans Bernd, ſtelte vor, daß es keine Lieflaͤnder, ſondern nur
Fremde waͤren, die bisher nach Rußland gehandelt haͤtten, worauf er auch in
Freiheit kam, dabey aber angeloben muſte, die czaariſche Begnadigung der Stadt
an Kettlern abzugeben. Der unſchuldige Man erhielt ein ſchlechtes Botenlohn,
indem ihn Kettler nach Revel abfuͤhren lies, wo er auf dem Schloſſe lange Zeit
gefangen ſitzen muſte. Die Beſchuldigung der Verraͤtherey traf endlich Krum-
hauſen
ſelbſt, in welchen Verdacht ſo gar der Vogt, der Rath und die ganze
Gemeine verwickelt wurde g). Denn die in Jvanogrod nachgebliebenen Geiſ-

ſeln
g) Der alte Krumhauſen wird von Henningen in der lieflaͤndiſchen Chronik S. 27
und von andern mit unter die Verraͤther von Liefland gerechnet. Und warum nicht?
Es war ja auf der Tortur von andern auf ihn bekant, daß er dem Czaar ein Praͤſent
mit 10 groſſen Oliven gemacht. Doch die 5 Soͤhne dieſes Mannes, Johan, Jo-
chim, Michael, Melchior
und Abraham retteten die Ehre ihres Vaters, durch
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[232/0250] Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, riſchen Gnadenbrief den Narviſchen uͤberbraͤchte. Und alſo beurlaubten ſich bei- de Abgeordnete, fanden aber bey ihrer Zuruͤckkunft die Stadt in ganz andern Umſtaͤnden. 1558 Der vellinſche Comtur, Gotthard Kettler, und der revelſche Comtur Franz von Segehafen, genant Azel, waren mit etlichen 800 Man und einigem Feldgeſchuͤtze auf dem Wege Narva zu entſetzen; dieſes machte einige Conſtabler von der narviſchen Beſatzung ſo uͤbermuͤthig, daß ſie auf eine hoͤchſt unbeſonne- ne Weiſe unter die in Jvanogrod an einem Feſttage bezechten Ruſſen ihr gro- bes Geſchuͤtz losbranten, und viele toͤdteten. Die Ruſſen geriethen daruͤber in groſſe Beſtuͤrzung, und holten von ihren Befehlshabern Befehl zur Gegenwehr ein’ weil ſie den Stilſtand zu beobachten hatten. Zum Ungluͤck der armen Stadt kam in des Barbiers Cordt Ulken Hauſe ploͤtzlich Feuer aus, welches unter den mehrentheils hoͤlzernen Haͤuſern recht wuͤtend um ſich grif und ſie in Aſche legte. Bey dieſer Unordnung ſchwammen die Ruſſen uͤber den Strom, drungen in die Stadt hinein, beſetzten die Thore und halfen noch manches retten. Die Buͤrger- ſchaft und Beſatzung fluͤchtete nach dem Schloſſe. Hier erboten ſie ſich ſo gleich zur Uebergabe, unter der Bedingung eines freien Abzugs, welcher ihnen auch von den Ruſſen zugeſtanden wurde. Kettler lag 3 Meilen von der Stadt hinter 3 Bergen, ſahe ſich aber viel zu ſchwach den Entſatz zu wagen: doch glaubte er, dieſe Vormauer von Eſtland koͤnne ihrer Veſtigkeit wegen den grimmigſten An- grif aushalten, zumal da eine auf Kundſchaft ausgeſchickte Parthey die Nachricht uͤberbrachte, daß ſie nur eine halbe Meile von der Stadt geweſen, in welcher das Feuer gluͤcklich gedaͤmpfet worden, und alles auſſer Gefahr ſey. Doch da man im Lager erſt recht ruhen wolte, ſo kam ſchon die Buͤrgerſchaft und Garniſon aus Narva bey ihnen an, und legte von ihrer Uebergabe den warhaftigen Bericht ab. Die Narviſchen beklagten ſich uͤber die ausgebliebene Huͤlfe, Kettler hingegen, der dieſen ſo unvermutheten Verluſt nicht begreifen konte, fiel auf die Gedanken, die Stadt muͤſte durch Verraͤtherey uͤbergeben ſeyn, davon er die Urheber zu ent- decken ſich bemuͤhte. Die Eroberung dieſes haltbaren Platzes, ſo am 12ten May geſchahe, verurſachte in den benachbarten Oertern ein ſolches Schrecken, daß eine Unordnung auf die andre folgte, und man dieſelbe billig fuͤr den Anfang aller wi- derwaͤrtigen Begebenheiten damaliger Zeit halten kan. Zwey Tage nach Einaͤſcherung der Stadt Narva kamen die Abgeordneten, Krumhauſen und Deden, aus Moſcau mit dem czaariſchen Gnadenbriefe zuruͤck, und ſahen ihr Hab und Gut unter der noch rauchenden Aſche verzehret. Sie begaben ſich laut ihrem Verſprechen nach Jvanogrod und baten um die Frei- heit der eingelieferten Geiſſeln, weil der Czaar die Stadt ſeiner Gnade verſichert. Man verſprach auch ſie loszugeben, wenn Krumhauſen den Gnadenbrief den ausgezogenen Einwohnern den Augenblick nachſchicken wuͤrde, damit ſie ſich wieder anbauen und die Handlung nach Rußland fortſetzen moͤchten. Ein Buͤrger, Namens Hans Bernd, ſtelte vor, daß es keine Lieflaͤnder, ſondern nur Fremde waͤren, die bisher nach Rußland gehandelt haͤtten, worauf er auch in Freiheit kam, dabey aber angeloben muſte, die czaariſche Begnadigung der Stadt an Kettlern abzugeben. Der unſchuldige Man erhielt ein ſchlechtes Botenlohn, indem ihn Kettler nach Revel abfuͤhren lies, wo er auf dem Schloſſe lange Zeit gefangen ſitzen muſte. Die Beſchuldigung der Verraͤtherey traf endlich Krum- hauſen ſelbſt, in welchen Verdacht ſo gar der Vogt, der Rath und die ganze Gemeine verwickelt wurde g). Denn die in Jvanogrod nachgebliebenen Geiſ- ſeln g) Der alte Krumhauſen wird von Henningen in der lieflaͤndiſchen Chronik S. 27 und von andern mit unter die Verraͤther von Liefland gerechnet. Und warum nicht? Es war ja auf der Tortur von andern auf ihn bekant, daß er dem Czaar ein Praͤſent mit 10 groſſen Oliven gemacht. Doch die 5 Soͤhne dieſes Mannes, Johan, Jo- chim, Michael, Melchior und Abraham retteten die Ehre ihres Vaters, durch einen

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/250>, abgerufen am 28.04.2024.