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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Erzb. Silvest. Stobwasser. zur Zeit der Reg. Bernh. v. der Borg.
Der ein und vierzigste Ordensmeister in Liefland,
deutschen Ordens,
Bernhard von der Borg a).

Jm andern Jahr seiner Regierung reisete die am päpstlichen Hofe1472
zu Rom erzogene Prinzeßin des griechischen Kaisers Ma-
nuels,
Namens Sophia, über Lübeck, und langte mit ei-
nem prächtigen Schiffe zu Revel an, von dannen sie nach em-
pfangenen standesmäßigen Ehrenbezeugungen nach Dörpt gefördert ward.

Hier
a) Sein Name wird nur nach einer verschiedenen Aussprache verschiedentlich angegeben,
als von der Borch, Borck oder Burgk; sein Regiment aber mus früher angegeben
werden als gemeiniglich geschiehet. Ausser dem Lehnbriefe von 1471 finden sich noch
andre, und unter denen einer von 1474 am Sontage Trinit. zu Riga, wo er an Heinrich
von Wrangeln einige Güter verlehnet. Sonst werden seine Handlungen, z. E. die
Zerstörung des Schlosses Kokenhausen unrichtig Johan Osthoffen beigemessen,
welche doch diesen Berend zum Urheber haben. Der Ordensmeister Borg hat in der
Geschichte das Unglück, als ein Tyran beschrieben zu werden. Wir wollen sein Ver-
fahren nicht durchgängig rechtfertigen, doch aber so viel bemerken daß manche Veran-
lassungen und Reitzungen auch den gelassensten und gesetztesten Man aufbringen können.
Hätten wir von allen Regenten in Liefland umständliche Nachricht, so würde man-
cher in einem bessern Character erscheinen. Wenigstens läst es überaus bescheiden, was
in dem so genanten verschlossenen Buch der kleinen Gilde der damalige Elterman mit
altdeutschen Worten und grossen Lettern von ihm angemerket hat, und wovon wir hier
die Uebersetzung in einem Auszuge mittheilen: "Jm Jahr unsers HErrn 1472 des an-
"dern Montags nach Ostern schickte der Meister Herr Berendt von der Borg, den
"Landmarschal Cordt von Esselrode und den dünemündische Comtur Willem
"von Boinchusen zu uns, und lies uns fragen, ob wir ihm auch nach dem kirchhol-
"mischen
Vertrag den Eid leisten wolten, in welchem Fal sie gevolmächtiget wären,
"ihn anzunehmen. Da traten wir zurück, jung und alt, mit den Gemeinebrüdern
"uns zu besprechen, und brachten ihm die Antwort: Wenn unser Herr und Meister
"aufs Rathhaus käme, so wollen wir ihm alles thun, was wir zu thun ihm pflichtig
"wären. Als die Gevolmächten ihre Absicht vorstelleten, daß sie hier auf der kleinen
"Gildestube, oder an einer andern heimlichen Stäte den Eid empfangen wolten, so
"traten wir nochmals zurück, und erwiederten hierauf, daß es keinesweges in unsrer
"Gewalt stünde; käme aber der Meister aufs Rathhaus, so wolten wir ihm die Pflicht
"thun. Die Gevolmächtigten bedankten sich freundlich, daß wir so gutwillig wären.
"Sie giengen hierauf nach der grossen Gildenstube. Da entstand ein Gerüchte, wir
"hätten dem Meister gehuldiget, und man sagte heimlich, ohne es uns zu beweisen,
"wir wären Verräther, man solte uns nehmen, unsrer 5 oder 6 in den Thurm setzen,
"und die Köpfe abhauen, es solte wol anders werden. Jtem des Sonnabends dar-
"nach schossen wir nach unsern Papagoyen, da hatten wir 2 im Rathe dabey, die sehr
"übel zu sprechen waren, und zu uns sagten, wir hätten übel gethan: wir antworteten,
"wir hätten als fromme Leute gethan, und wer anders davon dächte, das solte sich wol
"finden. Als den Sontag darnach der König (im Vogelschiessen) seine Schenkkane
"gab, da baten wir den Rath nach alter Gewohnheit zu uns zur Mahlzeit zu kommen,
"wozu nicht ein einziger kam. Darnach kam der Meister vom Schlosse, gieng in die
"Stadtherberge, und nachdem er sie besehen, gieng er in die St. Peterskirche, die-
"selbe zu besichtigen; da kam der Doctor Hr. Hinrich Nettelhorst, und bat den
"Meister sein Bier zu schmecken. Da nahm der Meister ihn und wolte in des Mei-
"ster Gardians Haus gehen, sie kamen also in die Catharinenkirche. Auf Befra-
"gen des Meisters, wessen Kirche es sey, traten 2 Brüder aus der Gildenstube heraus,
"und baten den Meister mit vielem Nöthigen, er möchte mit ihnen in die Gildenstuben
"gehen, und des Königs und der gemeinen Brüder Bier schmecken. Kurz, man
"schickte
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Erzb. Silveſt. Stobwaſſer. zur Zeit der Reg. Bernh. v. der Borg.
Der ein und vierzigſte Ordensmeiſter in Liefland,
deutſchen Ordens,
Bernhard von der Borg a).

Jm andern Jahr ſeiner Regierung reiſete die am paͤpſtlichen Hofe1472
zu Rom erzogene Prinzeßin des griechiſchen Kaiſers Ma-
nuels,
Namens Sophia, uͤber Luͤbeck, und langte mit ei-
nem praͤchtigen Schiffe zu Revel an, von dannen ſie nach em-
pfangenen ſtandesmaͤßigen Ehrenbezeugungen nach Doͤrpt gefoͤrdert ward.

Hier
a) Sein Name wird nur nach einer verſchiedenen Ausſprache verſchiedentlich angegeben,
als von der Borch, Borck oder Burgk; ſein Regiment aber mus fruͤher angegeben
werden als gemeiniglich geſchiehet. Auſſer dem Lehnbriefe von 1471 finden ſich noch
andre, und unter denen einer von 1474 am Sontage Trinit. zu Riga, wo er an Heinrich
von Wrangeln einige Guͤter verlehnet. Sonſt werden ſeine Handlungen, z. E. die
Zerſtoͤrung des Schloſſes Kokenhauſen unrichtig Johan Oſthoffen beigemeſſen,
welche doch dieſen Berend zum Urheber haben. Der Ordensmeiſter Borg hat in der
Geſchichte das Ungluͤck, als ein Tyran beſchrieben zu werden. Wir wollen ſein Ver-
fahren nicht durchgaͤngig rechtfertigen, doch aber ſo viel bemerken daß manche Veran-
laſſungen und Reitzungen auch den gelaſſenſten und geſetzteſten Man aufbringen koͤnnen.
Haͤtten wir von allen Regenten in Liefland umſtaͤndliche Nachricht, ſo wuͤrde man-
cher in einem beſſern Character erſcheinen. Wenigſtens laͤſt es uͤberaus beſcheiden, was
in dem ſo genanten verſchloſſenen Buch der kleinen Gilde der damalige Elterman mit
altdeutſchen Worten und groſſen Lettern von ihm angemerket hat, und wovon wir hier
die Ueberſetzung in einem Auszuge mittheilen: „Jm Jahr unſers HErrn 1472 des an-
„dern Montags nach Oſtern ſchickte der Meiſter Herr Berendt von der Borg, den
„Landmarſchal Cordt von Eſſelrode und den duͤnemuͤndiſche Comtur Willem
„von Boinchuſen zu uns, und lies uns fragen, ob wir ihm auch nach dem kirchhol-
„miſchen
Vertrag den Eid leiſten wolten, in welchem Fal ſie gevolmaͤchtiget waͤren,
„ihn anzunehmen. Da traten wir zuruͤck, jung und alt, mit den Gemeinebruͤdern
„uns zu beſprechen, und brachten ihm die Antwort: Wenn unſer Herr und Meiſter
„aufs Rathhaus kaͤme, ſo wollen wir ihm alles thun, was wir zu thun ihm pflichtig
„waͤren. Als die Gevolmaͤchten ihre Abſicht vorſtelleten, daß ſie hier auf der kleinen
„Gildeſtube, oder an einer andern heimlichen Staͤte den Eid empfangen wolten, ſo
„traten wir nochmals zuruͤck, und erwiederten hierauf, daß es keinesweges in unſrer
„Gewalt ſtuͤnde; kaͤme aber der Meiſter aufs Rathhaus, ſo wolten wir ihm die Pflicht
„thun. Die Gevolmaͤchtigten bedankten ſich freundlich, daß wir ſo gutwillig waͤren.
„Sie giengen hierauf nach der groſſen Gildenſtube. Da entſtand ein Geruͤchte, wir
„haͤtten dem Meiſter gehuldiget, und man ſagte heimlich, ohne es uns zu beweiſen,
„wir waͤren Verraͤther, man ſolte uns nehmen, unſrer 5 oder 6 in den Thurm ſetzen,
„und die Koͤpfe abhauen, es ſolte wol anders werden. Jtem des Sonnabends dar-
„nach ſchoſſen wir nach unſern Papagoyen, da hatten wir 2 im Rathe dabey, die ſehr
„uͤbel zu ſprechen waren, und zu uns ſagten, wir haͤtten uͤbel gethan: wir antworteten,
„wir haͤtten als fromme Leute gethan, und wer anders davon daͤchte, das ſolte ſich wol
„finden. Als den Sontag darnach der Koͤnig (im Vogelſchieſſen) ſeine Schenkkane
„gab, da baten wir den Rath nach alter Gewohnheit zu uns zur Mahlzeit zu kommen,
„wozu nicht ein einziger kam. Darnach kam der Meiſter vom Schloſſe, gieng in die
„Stadtherberge, und nachdem er ſie beſehen, gieng er in die St. Peterskirche, die-
„ſelbe zu beſichtigen; da kam der Doctor Hr. Hinrich Nettelhorſt, und bat den
„Meiſter ſein Bier zu ſchmecken. Da nahm der Meiſter ihn und wolte in des Mei-
„ſter Gardians Haus gehen, ſie kamen alſo in die Catharinenkirche. Auf Befra-
„gen des Meiſters, weſſen Kirche es ſey, traten 2 Bruͤder aus der Gildenſtube heraus,
„und baten den Meiſter mit vielem Noͤthigen, er moͤchte mit ihnen in die Gildenſtuben
„gehen, und des Koͤnigs und der gemeinen Bruͤder Bier ſchmecken. Kurz, man
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[153/0171] Erzb. Silveſt. Stobwaſſer. zur Zeit der Reg. Bernh. v. der Borg. Der ein und vierzigſte Ordensmeiſter in Liefland, deutſchen Ordens, Bernhard von der Borg a). Jm andern Jahr ſeiner Regierung reiſete die am paͤpſtlichen Hofe zu Rom erzogene Prinzeßin des griechiſchen Kaiſers Ma- nuels, Namens Sophia, uͤber Luͤbeck, und langte mit ei- nem praͤchtigen Schiffe zu Revel an, von dannen ſie nach em- pfangenen ſtandesmaͤßigen Ehrenbezeugungen nach Doͤrpt gefoͤrdert ward. Hier 1472 a) Sein Name wird nur nach einer verſchiedenen Ausſprache verſchiedentlich angegeben, als von der Borch, Borck oder Burgk; ſein Regiment aber mus fruͤher angegeben werden als gemeiniglich geſchiehet. Auſſer dem Lehnbriefe von 1471 finden ſich noch andre, und unter denen einer von 1474 am Sontage Trinit. zu Riga, wo er an Heinrich von Wrangeln einige Guͤter verlehnet. Sonſt werden ſeine Handlungen, z. E. die Zerſtoͤrung des Schloſſes Kokenhauſen unrichtig Johan Oſthoffen beigemeſſen, welche doch dieſen Berend zum Urheber haben. Der Ordensmeiſter Borg hat in der Geſchichte das Ungluͤck, als ein Tyran beſchrieben zu werden. Wir wollen ſein Ver- fahren nicht durchgaͤngig rechtfertigen, doch aber ſo viel bemerken daß manche Veran- laſſungen und Reitzungen auch den gelaſſenſten und geſetzteſten Man aufbringen koͤnnen. Haͤtten wir von allen Regenten in Liefland umſtaͤndliche Nachricht, ſo wuͤrde man- cher in einem beſſern Character erſcheinen. Wenigſtens laͤſt es uͤberaus beſcheiden, was in dem ſo genanten verſchloſſenen Buch der kleinen Gilde der damalige Elterman mit altdeutſchen Worten und groſſen Lettern von ihm angemerket hat, und wovon wir hier die Ueberſetzung in einem Auszuge mittheilen: „Jm Jahr unſers HErrn 1472 des an- „dern Montags nach Oſtern ſchickte der Meiſter Herr Berendt von der Borg, den „Landmarſchal Cordt von Eſſelrode und den duͤnemuͤndiſche Comtur Willem „von Boinchuſen zu uns, und lies uns fragen, ob wir ihm auch nach dem kirchhol- „miſchen Vertrag den Eid leiſten wolten, in welchem Fal ſie gevolmaͤchtiget waͤren, „ihn anzunehmen. Da traten wir zuruͤck, jung und alt, mit den Gemeinebruͤdern „uns zu beſprechen, und brachten ihm die Antwort: Wenn unſer Herr und Meiſter „aufs Rathhaus kaͤme, ſo wollen wir ihm alles thun, was wir zu thun ihm pflichtig „waͤren. Als die Gevolmaͤchten ihre Abſicht vorſtelleten, daß ſie hier auf der kleinen „Gildeſtube, oder an einer andern heimlichen Staͤte den Eid empfangen wolten, ſo „traten wir nochmals zuruͤck, und erwiederten hierauf, daß es keinesweges in unſrer „Gewalt ſtuͤnde; kaͤme aber der Meiſter aufs Rathhaus, ſo wolten wir ihm die Pflicht „thun. Die Gevolmaͤchtigten bedankten ſich freundlich, daß wir ſo gutwillig waͤren. „Sie giengen hierauf nach der groſſen Gildenſtube. Da entſtand ein Geruͤchte, wir „haͤtten dem Meiſter gehuldiget, und man ſagte heimlich, ohne es uns zu beweiſen, „wir waͤren Verraͤther, man ſolte uns nehmen, unſrer 5 oder 6 in den Thurm ſetzen, „und die Koͤpfe abhauen, es ſolte wol anders werden. Jtem des Sonnabends dar- „nach ſchoſſen wir nach unſern Papagoyen, da hatten wir 2 im Rathe dabey, die ſehr „uͤbel zu ſprechen waren, und zu uns ſagten, wir haͤtten uͤbel gethan: wir antworteten, „wir haͤtten als fromme Leute gethan, und wer anders davon daͤchte, das ſolte ſich wol „finden. Als den Sontag darnach der Koͤnig (im Vogelſchieſſen) ſeine Schenkkane „gab, da baten wir den Rath nach alter Gewohnheit zu uns zur Mahlzeit zu kommen, „wozu nicht ein einziger kam. Darnach kam der Meiſter vom Schloſſe, gieng in die „Stadtherberge, und nachdem er ſie beſehen, gieng er in die St. Peterskirche, die- „ſelbe zu beſichtigen; da kam der Doctor Hr. Hinrich Nettelhorſt, und bat den „Meiſter ſein Bier zu ſchmecken. Da nahm der Meiſter ihn und wolte in des Mei- „ſter Gardians Haus gehen, ſie kamen alſo in die Catharinenkirche. Auf Befra- „gen des Meiſters, weſſen Kirche es ſey, traten 2 Bruͤder aus der Gildenſtube heraus, „und baten den Meiſter mit vielem Noͤthigen, er moͤchte mit ihnen in die Gildenſtuben „gehen, und des Koͤnigs und der gemeinen Bruͤder Bier ſchmecken. Kurz, man „ſchickte Q q

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/171>, abgerufen am 23.11.2024.