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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Vorrede.
zwar diesen und jenen Canal angewiesen: allein wie solten solche kleine
Strömgen das leere Meer der historischen Begebenheiten füllen können,
welches durch gar zu starke und öftere Ableitungen bis auf den Grund
ausgetrocknet war? Der wichtigen und schon bekanten Zerstörung des al-
ten erzbischöflichen Archivs zu Kokenhausen nicht zu gedenken, so hat die
bürgerliche Geschichte durch den 1532 entstandenen Brand in Riga und
den Verlust der Gildestubenbücher einen ansehnlichen Abgang erlitten.
Aus dem rigischen Archiv holten die Pohlen 1620 ein stark Packet Ori-
ginale weg. Jm Jahr 1621 wurden aus Mitau durch die Schweden
viele daselbst verwarte lief- und estländische Documente nach Stock-
holm
gebracht, dergleichen 1710 den öffentlichen Archiven der Regierung,
des Burggerichts und des Consistorii zu Revel so gar mit Wegnehmung
aller historischen Privatsamlungen in Estland wiederfuhr. Jm Jahr
1674 den 9ten Febr. gerieth das Obertheil des rigischen Rathhauses in
Brand, wodurch die Protocolle bis 1660 zu Asche wurden, welchen Ver-
fal der Hr. Oberpastor, Mag. Brever in einer beweglichen Predigt über
Amos VII, v. 4. 5. 6 den Tag darauf beklagte. Laut des hard-
tischen
Verzeichnisses giengen recht alte und wichtige liefländische Brief-
schaften bey plötzlicher Abbrennung des königlichen Schlosses zu Stock-
holm
1697 in Rauch auf, die uns 3 Jahrhunderte hindurch Licht gege-
ben hätten. Weil auch bey den unruhigen Kriegeszeiten das Ritterschafts-
archiv von Haus zu Haus, ja wol gar zu Lande herum wandern müssen,
so ist manches schöne Original darüber verloren gegangen. Denn ob sich
wol dann und wann ein Ulysses nach langen Umschweifen und zwar ganz
unkentlich wieder zu Hause eingefunden; so haben doch viele durch die üble
Haushaltung des Mars ihren Rest, oder in den Briefladen der Privat-
leute ein unrecht angewiesenes Quartier bekommen, und in solchem un-
schuldig vermodern müssen.

Dieser Verlust wäre einigermassen zu verschmerzen, wenn sich die al-
ten Aufsätze der Pfaffen finden wolten, welche zur Zeit der Ordensregie-
rung merkwürdige Veränderungen erlebet haben. Auch diesen Papieren
haben die Regenten das Garaus gemacht. Der culmische Kanzler Lu-
cas David
berichtet, daß der Orden alle preußische Chroniken ausser
den Duisburger und Jeroschin verbrant habe. Der Hochmeister Mi-
chael
von Sternberg lies alle Chroniken vertilgen, weil sie den Hußiten
das Wort redeten, daher viele ihre Chroniken vermaurten. An Kettlern
selbst haben manche bemerken wollen, daß er keine Chroniken leiden kön-
nen, weil die Mönche gemeiniglich der Clerisey Recht gegeben.

Die Privilegien der Städte, so die Vorsicht ihres Magistrats meh-
rentheils in Urschriften aufgehoben, gehen hie und da in Abschriften durch
die Hände, und erlauben uns noch einige Blicke in die verloschenen Zeiten
des Alterthums. Doch liegen noch manche unter dem Namen der hensi-
schen
Verträge, oder wolmerscher und wendenscher Recesse, in starken
Stössen unaufgelöst und unberüret. Sie werden auch in dieser langen
Ruhe ungestört bleiben. Jhre Schrift erfordert mehr als 2 Augen, und
die Durchsicht derselben eine Freiheit von andern öffentlichen Geschäften.
Da sie keinen andern Gehalt als ein kleines Vergnügen für die Neubegier-
de gewähren, so dürfte wol der Tag ihrer Auferweckung so bald noch
nicht anbrechen.

Bey so oftmaliger Ausleerung der Archive können die einheimischen
Urkunden wenig Stof zur Historie ertheilen. Es ist daher kein Wunder,
wenn die zahlreiche Samlung unserer Handschriften nichts besonders ent-
hält, und die Liebhaber der Historie die angewandten Schreibekosten als

ein
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Vorrede.
zwar dieſen und jenen Canal angewieſen: allein wie ſolten ſolche kleine
Stroͤmgen das leere Meer der hiſtoriſchen Begebenheiten fuͤllen koͤnnen,
welches durch gar zu ſtarke und oͤftere Ableitungen bis auf den Grund
ausgetrocknet war? Der wichtigen und ſchon bekanten Zerſtoͤrung des al-
ten erzbiſchoͤflichen Archivs zu Kokenhauſen nicht zu gedenken, ſo hat die
buͤrgerliche Geſchichte durch den 1532 entſtandenen Brand in Riga und
den Verluſt der Gildeſtubenbuͤcher einen anſehnlichen Abgang erlitten.
Aus dem rigiſchen Archiv holten die Pohlen 1620 ein ſtark Packet Ori-
ginale weg. Jm Jahr 1621 wurden aus Mitau durch die Schweden
viele daſelbſt verwarte lief- und eſtlaͤndiſche Documente nach Stock-
holm
gebracht, dergleichen 1710 den oͤffentlichen Archiven der Regierung,
des Burggerichts und des Conſiſtorii zu Revel ſo gar mit Wegnehmung
aller hiſtoriſchen Privatſamlungen in Eſtland wiederfuhr. Jm Jahr
1674 den 9ten Febr. gerieth das Obertheil des rigiſchen Rathhauſes in
Brand, wodurch die Protocolle bis 1660 zu Aſche wurden, welchen Ver-
fal der Hr. Oberpaſtor, Mag. Brever in einer beweglichen Predigt uͤber
Amos VII, v. 4. 5. 6 den Tag darauf beklagte. Laut des hard-
tiſchen
Verzeichniſſes giengen recht alte und wichtige lieflaͤndiſche Brief-
ſchaften bey ploͤtzlicher Abbrennung des koͤniglichen Schloſſes zu Stock-
holm
1697 in Rauch auf, die uns 3 Jahrhunderte hindurch Licht gege-
ben haͤtten. Weil auch bey den unruhigen Kriegeszeiten das Ritterſchafts-
archiv von Haus zu Haus, ja wol gar zu Lande herum wandern muͤſſen,
ſo iſt manches ſchoͤne Original daruͤber verloren gegangen. Denn ob ſich
wol dann und wann ein Ulyſſes nach langen Umſchweifen und zwar ganz
unkentlich wieder zu Hauſe eingefunden; ſo haben doch viele durch die uͤble
Haushaltung des Mars ihren Reſt, oder in den Briefladen der Privat-
leute ein unrecht angewieſenes Quartier bekommen, und in ſolchem un-
ſchuldig vermodern muͤſſen.

Dieſer Verluſt waͤre einigermaſſen zu verſchmerzen, wenn ſich die al-
ten Aufſaͤtze der Pfaffen finden wolten, welche zur Zeit der Ordensregie-
rung merkwuͤrdige Veraͤnderungen erlebet haben. Auch dieſen Papieren
haben die Regenten das Garaus gemacht. Der culmiſche Kanzler Lu-
cas David
berichtet, daß der Orden alle preußiſche Chroniken auſſer
den Duisburger und Jeroſchin verbrant habe. Der Hochmeiſter Mi-
chael
von Sternberg lies alle Chroniken vertilgen, weil ſie den Hußiten
das Wort redeten, daher viele ihre Chroniken vermaurten. An Kettlern
ſelbſt haben manche bemerken wollen, daß er keine Chroniken leiden koͤn-
nen, weil die Moͤnche gemeiniglich der Cleriſey Recht gegeben.

Die Privilegien der Staͤdte, ſo die Vorſicht ihres Magiſtrats meh-
rentheils in Urſchriften aufgehoben, gehen hie und da in Abſchriften durch
die Haͤnde, und erlauben uns noch einige Blicke in die verloſchenen Zeiten
des Alterthums. Doch liegen noch manche unter dem Namen der henſi-
ſchen
Vertraͤge, oder wolmerſcher und wendenſcher Receſſe, in ſtarken
Stoͤſſen unaufgeloͤſt und unberuͤret. Sie werden auch in dieſer langen
Ruhe ungeſtoͤrt bleiben. Jhre Schrift erfordert mehr als 2 Augen, und
die Durchſicht derſelben eine Freiheit von andern oͤffentlichen Geſchaͤften.
Da ſie keinen andern Gehalt als ein kleines Vergnuͤgen fuͤr die Neubegier-
de gewaͤhren, ſo duͤrfte wol der Tag ihrer Auferweckung ſo bald noch
nicht anbrechen.

Bey ſo oftmaliger Ausleerung der Archive koͤnnen die einheimiſchen
Urkunden wenig Stof zur Hiſtorie ertheilen. Es iſt daher kein Wunder,
wenn die zahlreiche Samlung unſerer Handſchriften nichts beſonders ent-
haͤlt, und die Liebhaber der Hiſtorie die angewandten Schreibekoſten als

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/11>, abgerufen am 19.04.2024.