[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister, 1330Die rigischen Bürgermeister verkauften am St. Stephanstage dem laub- vorbenamet nicht genogsam enen were an unsern Schlichten worden, So hebben wy eme Gelaten, und mit guten fryen Willen in ehre Hende gegeven twe Torne in unser Statt. Domherren ein Jnstrument niederschreiben. Der Rath und die Bürger ersuchten 3 mal das Ka-
pitel um Rath und Hülfe: es lies sich aber weder Domherr noch Prior finden. Wie sie die Verrätherey merkten, fieng der Erzvogt Hr. Heinrich Meye mit vielen Thränen an: Jhr Her- ren, und bescheidenen Männer, geistliche und weltliche, seyd hier beisammen, euch in diesem klägl. Elend einer den andern zu trösten. Hier konte er vor Weinen kein Wort mehr hervor bringen. Sein Gehülfe Hr. Joh. von Vellin fuhr hierauf fort: Ehrbare Männer, wir sind in Noth, und von allen verlassen. Glaubet nicht, daß wir was dabey versehen haben. Wir haben uns gegen den Papst und seine Cardinäle demüthig genug herausgelassen. Wir haben die Seestädte, die Regenten, die Landstädte vielfältig um Hülfe ersuchet. Keiner hat uns geantwortet oder Trost versprochen. Alle Lebensmittel sind aufgezehret. GOtt ist Zeuge, daß bey der Bürgerschaft überhaupt nicht mehr als 4 Last Mehl liegen. Manche sind weggegangen, manche haben verhungern müssen, und es komt schon so weit, daß einer den andern todschlagen wil. Ob wir gleich über den Mühl- gaben mit dem Meister tractiren wollen, so wil sich doch selbiger unter keinen andern, als uns unerträglichen Bedingungen zum Vergleich verstehen. Wer unter euch Brod hat, der gebe es her, und fordere dafür nach Belieben. Die Armen sollen euch mit der Zeit Gerechtigkeit wie- derfahren lassen. Auf diese Rede antworteten alle, sie hätten vom Grösten bis zum Kleinsten kei- nen Bissen Brod. Joh. von Vellin, der alte Vogt fieng noch einmal an zu weinen und sprach unter vielen Schluchsen: O HErr GOtt, wie wil es mit uns Armen in dieser Angst werden- Sie antworteten einmüthig, so wie es auf der Stube von Soest abgemacht worden: Wir wollen uns ergeben, der Meister verlange auch von uns, was er wolle. Und damit giengen die Tractaten an, in welchen die halbe Stadt unter den Orden gerieth. Ob nun gleich Riga für den Erzbischof schon kein angenehmer Aufenthalt war, so fand sich selbiger doch noch mehr durch diese Mitregentschaft des Meisters beleidiget. Es ist daher kein Wunder, wenn auf dieses Un- gewitter durch das Stürmen des Erzbischofs am päpstl. Hofe ein starker Donnerschlag folgte. Benedict der XIIte stelte dem dörptischen Bischof Engelbert diese Gewaltthätigkeit wider die erzbischöfl. Stadt Riga vor, und schickte ihm aus der päpstl. Kanzley alle Privilegien zu, nach welchen der Erzbischof allein Herr, der Orden aber nur Diener war. Sein Vorgänger Johan- nes der XXIIste las dem Orden einen harten Text, als derselbe Dünemünde gesperret und sich zugeeignet hatte. Der jetzige Papst aber brach mit dem hohen Banne los, da seine Kinder, die rigischen Bürger, sich musten einsperren und zu Tode hungern lassen, verlangte auch inständigst, daß alle eingezogene Güter der Geistlichen und der Stadt ohne Widerrede frey gegeben und alles in vorigen Stand gesetzet würde. Er klagt nicht nur über das Gefängnis, Angriffe und Ermor- dung der Erz- und Bischöffe, Pröbste, Dechanten, Prälaten und andrer geistlichen Personen, sondern auch über den Ungehorsam des Ordens gegen seine Herren und obern Beschützer, und erkläret alle ihre Privilegien für nul und nichtig. Gegeben zu Avignon am 12ten Febr. 1336. Der dörptische Bischof lies solches im Chor seiner Domkirche in Beiseyn des Hrn. Herman, Abts von Valckena, aller Domherren, und der Ritter, Gottfrieds von Vyfhusen und Diedrichs von Dalen und der versamleten ganzen Stadt öffentlich verlesen. Die sämtlichen päpstlichen Urkun- den wurden von den Domherren Johan von Mühlen (de Molendino) als Official, Johan Brelo, Custos, Herman von Sobelisse aus dem hapsalschen Bistum, und Joh. Ronne aus dem dörptischen, wie auch Thiederich von Wittinge aus dem Bistum Halberstadt, die alle öffentliche Notarien waren, registriret. Der kaiserliche Notarius Kersten, genant Leyseke von Pernaw, lies alle diese Acten 1393 am 22sten Sept. zu Lübeck durch den bremischen, ver- dischen und lübischen Notarius in Abschrift nehmen. Die Stadt aber machte sich den Schutz- brief des Papstes vortreflich zu Nutze, und nahm nicht undeutlich zum Wahlspruch an: man mus dem Papst mehr gehorchen, denn dem Orden. Die Stadt selbst erkante nur den Erzbischof als Oberherren in geistlichen Sachen, weil der Bürgerschaft von den alten Bischöfen unumschränkte Freiheit gelassen war, damit die Anzahl der Bürger zunäme. Dieses muste ein münsterischer Geistlicher, Peter von Bethune, 1343 auf Befehl des Papsts Clemens des VIten in Gegen- wart der beständigen Vicarien des rigischen Schlosses, Heinrichs von Mansvelde, Jacobs von Weuden und Heinrich Saxens, untersuchen, der denn zur Antwort erhielt, daß die Stadt den Erzbischof in geistlichen Stücken allein für ihren Landesherren halte, ihm den Vogt zur Be- stätigung vorstelle, und sein Bild auf der Münze führe, die aber doch von gothländischen Korn und Schrot seyn müsse. Riga vom 10ten November. Mit der Zeit schienen die Erzbischöfe der Mitregentschaft des Ordens gewohnt zu werden, oder konten es auch am päpstl. Hofe nicht weiter bringen. Der rigische Bürgermeister, Gerhard Meye, protestirte in Gegenwart des dörptischen Bischofs gegen alles, was wider die Freiheiten der Stadt und die Statute des modenesischen Legaten Wilhelms lief, worüber der kaiserl. Notarius, Johannes Lupi, ein lübischer Clericus 1360 am 18ten Aug. um 6 Uhr ein Jnstrument errichtete. Worauf der Bi- schof von Dörpt an die Brust schlug, und bey GOtt schwur, daß der Erzbischof noch alle Mühe anwende, sie frey zu machen. Als Zeugen waren hiebey der dörptische Domherr, Albert Molenstraten, und der Ritter Bartholömäus von Tiesenhausen, Vogt zu Thoreida. Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, 1330Die rigiſchen Buͤrgermeiſter verkauften am St. Stephanstage dem laub- vorbenamet nicht genogſam enen were an unſern Schlichten worden, So hebben wy eme Gelaten, und mit guten fryen Willen in ehre Hende gegeven twe Torne in unſer Statt. Domherren ein Jnſtrument niederſchreiben. Der Rath und die Buͤrger erſuchten 3 mal das Ka-
pitel um Rath und Huͤlfe: es lies ſich aber weder Domherr noch Prior finden. Wie ſie die Verraͤtherey merkten, fieng der Erzvogt Hr. Heinrich Meye mit vielen Thraͤnen an: Jhr Her- ren, und beſcheidenen Maͤnner, geiſtliche und weltliche, ſeyd hier beiſammen, euch in dieſem klaͤgl. Elend einer den andern zu troͤſten. Hier konte er vor Weinen kein Wort mehr hervor bringen. Sein Gehuͤlfe Hr. Joh. von Vellin fuhr hierauf fort: Ehrbare Maͤnner, wir ſind in Noth, und von allen verlaſſen. Glaubet nicht, daß wir was dabey verſehen haben. Wir haben uns gegen den Papſt und ſeine Cardinaͤle demuͤthig genug herausgelaſſen. Wir haben die Seeſtaͤdte, die Regenten, die Landſtaͤdte vielfaͤltig um Huͤlfe erſuchet. Keiner hat uns geantwortet oder Troſt verſprochen. Alle Lebensmittel ſind aufgezehret. GOtt iſt Zeuge, daß bey der Buͤrgerſchaft uͤberhaupt nicht mehr als 4 Laſt Mehl liegen. Manche ſind weggegangen, manche haben verhungern muͤſſen, und es komt ſchon ſo weit, daß einer den andern todſchlagen wil. Ob wir gleich uͤber den Muͤhl- gaben mit dem Meiſter tractiren wollen, ſo wil ſich doch ſelbiger unter keinen andern, als uns unertraͤglichen Bedingungen zum Vergleich verſtehen. Wer unter euch Brod hat, der gebe es her, und fordere dafuͤr nach Belieben. Die Armen ſollen euch mit der Zeit Gerechtigkeit wie- derfahren laſſen. Auf dieſe Rede antworteten alle, ſie haͤtten vom Groͤſten bis zum Kleinſten kei- nen Biſſen Brod. Joh. von Vellin, der alte Vogt fieng noch einmal an zu weinen und ſprach unter vielen Schluchſen: O HErr GOtt, wie wil es mit uns Armen in dieſer Angſt werden- Sie antworteten einmuͤthig, ſo wie es auf der Stube von Soeſt abgemacht worden: Wir wollen uns ergeben, der Meiſter verlange auch von uns, was er wolle. Und damit giengen die Tractaten an, in welchen die halbe Stadt unter den Orden gerieth. Ob nun gleich Riga fuͤr den Erzbiſchof ſchon kein angenehmer Aufenthalt war, ſo fand ſich ſelbiger doch noch mehr durch dieſe Mitregentſchaft des Meiſters beleidiget. Es iſt daher kein Wunder, wenn auf dieſes Un- gewitter durch das Stuͤrmen des Erzbiſchofs am paͤpſtl. Hofe ein ſtarker Donnerſchlag folgte. Benedict der XIIte ſtelte dem doͤrptiſchen Biſchof Engelbert dieſe Gewaltthaͤtigkeit wider die erzbiſchoͤfl. Stadt Riga vor, und ſchickte ihm aus der paͤpſtl. Kanzley alle Privilegien zu, nach welchen der Erzbiſchof allein Herr, der Orden aber nur Diener war. Sein Vorgaͤnger Johan- nes der XXIIſte las dem Orden einen harten Text, als derſelbe Duͤnemuͤnde geſperret und ſich zugeeignet hatte. Der jetzige Papſt aber brach mit dem hohen Banne los, da ſeine Kinder, die rigiſchen Buͤrger, ſich muſten einſperren und zu Tode hungern laſſen, verlangte auch inſtaͤndigſt, daß alle eingezogene Guͤter der Geiſtlichen und der Stadt ohne Widerrede frey gegeben und alles in vorigen Stand geſetzet wuͤrde. Er klagt nicht nur uͤber das Gefaͤngnis, Angriffe und Ermor- dung der Erz- und Biſchoͤffe, Proͤbſte, Dechanten, Praͤlaten und andrer geiſtlichen Perſonen, ſondern auch uͤber den Ungehorſam des Ordens gegen ſeine Herren und obern Beſchuͤtzer, und erklaͤret alle ihre Privilegien fuͤr nul und nichtig. Gegeben zu Avignon am 12ten Febr. 1336. Der doͤrptiſche Biſchof lies ſolches im Chor ſeiner Domkirche in Beiſeyn des Hrn. Herman, Abts von Valckena, aller Domherren, und der Ritter, Gottfrieds von Vyfhuſen und Diedrichs von Dalen und der verſamleten ganzen Stadt oͤffentlich verleſen. Die ſaͤmtlichen paͤpſtlichen Urkun- den wurden von den Domherren Johan von Muͤhlen (de Molendino) als Official, Johan Brelo, Cuſtos, Herman von Sobeliſſe aus dem hapſalſchen Biſtum, und Joh. Ronne aus dem doͤrptiſchen, wie auch Thiederich von Wittinge aus dem Biſtum Halberſtadt, die alle oͤffentliche Notarien waren, regiſtriret. Der kaiſerliche Notarius Kerſten, genant Leyſeke von Pernaw, lies alle dieſe Acten 1393 am 22ſten Sept. zu Luͤbeck durch den bremiſchen, ver- diſchen und luͤbiſchen Notarius in Abſchrift nehmen. Die Stadt aber machte ſich den Schutz- brief des Papſtes vortreflich zu Nutze, und nahm nicht undeutlich zum Wahlſpruch an: man mus dem Papſt mehr gehorchen, denn dem Orden. Die Stadt ſelbſt erkante nur den Erzbiſchof als Oberherren in geiſtlichen Sachen, weil der Buͤrgerſchaft von den alten Biſchoͤfen unumſchraͤnkte Freiheit gelaſſen war, damit die Anzahl der Buͤrger zunaͤme. Dieſes muſte ein muͤnſteriſcher Geiſtlicher, Peter von Bethune, 1343 auf Befehl des Papſts Clemens des VIten in Gegen- wart der beſtaͤndigen Vicarien des rigiſchen Schloſſes, Heinrichs von Mansvelde, Jacobs von Weuden und Heinrich Saxens, unterſuchen, der denn zur Antwort erhielt, daß die Stadt den Erzbiſchof in geiſtlichen Stuͤcken allein fuͤr ihren Landesherren halte, ihm den Vogt zur Be- ſtaͤtigung vorſtelle, und ſein Bild auf der Muͤnze fuͤhre, die aber doch von gothlaͤndiſchen Korn und Schrot ſeyn muͤſſe. Riga vom 10ten November. Mit der Zeit ſchienen die Erzbiſchoͤfe der Mitregentſchaft des Ordens gewohnt zu werden, oder konten es auch am paͤpſtl. Hofe nicht weiter bringen. Der rigiſche Buͤrgermeiſter, Gerhard Meye, proteſtirte in Gegenwart des doͤrptiſchen Biſchofs gegen alles, was wider die Freiheiten der Stadt und die Statute des modeneſiſchen Legaten Wilhelms lief, woruͤber der kaiſerl. Notarius, Johannes Lupi, ein luͤbiſcher Clericus 1360 am 18ten Aug. um 6 Uhr ein Jnſtrument errichtete. Worauf der Bi- ſchof von Doͤrpt an die Bruſt ſchlug, und bey GOtt ſchwur, daß der Erzbiſchof noch alle Muͤhe anwende, ſie frey zu machen. Als Zeugen waren hiebey der doͤrptiſche Domherr, Albert Molenſtraten, und der Ritter Bartholoͤmaͤus von Tieſenhauſen, Vogt zu Thoreida. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0108" n="90"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,</hi> </fw><lb/> <note place="left">1330</note> <p>Die <hi rendition="#fr">rigiſchen</hi> Buͤrgermeiſter verkauften am St. <hi rendition="#fr">Stephans</hi>tage dem<lb/> Prior und ganzem Convent der Predigermoͤnche einen Platz innerhalb der Stadt<lb/> und St. <hi rendition="#fr">Juͤrgens</hi>hof fuͤr 6 Mark, jede Mark zu 48 Oer gerechnet, und er-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">laub-</fw><lb/><note next="#h04" xml:id="h03" prev="#h02" place="foot" n="d)">vorbenamet nicht genogſam enen were an unſern Schlichten worden, So hebben wy<lb/> eme Gelaten, und mit guten fryen Willen in ehre Hende gegeven twe Torne in unſer<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Statt.</fw></note><lb/><note xml:id="f37" prev="#f36" place="foot" n="*)">Domherren ein Jnſtrument niederſchreiben. 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Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
Die rigiſchen Buͤrgermeiſter verkauften am St. Stephanstage dem
Prior und ganzem Convent der Predigermoͤnche einen Platz innerhalb der Stadt
und St. Juͤrgenshof fuͤr 6 Mark, jede Mark zu 48 Oer gerechnet, und er-
laub-
d)
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d) vorbenamet nicht genogſam enen were an unſern Schlichten worden, So hebben wy
eme Gelaten, und mit guten fryen Willen in ehre Hende gegeven twe Torne in unſer
Statt.
*) Domherren ein Jnſtrument niederſchreiben. Der Rath und die Buͤrger erſuchten 3 mal das Ka-
pitel um Rath und Huͤlfe: es lies ſich aber weder Domherr noch Prior finden. Wie ſie die
Verraͤtherey merkten, fieng der Erzvogt Hr. Heinrich Meye mit vielen Thraͤnen an: Jhr Her-
ren, und beſcheidenen Maͤnner, geiſtliche und weltliche, ſeyd hier beiſammen, euch in dieſem klaͤgl.
Elend einer den andern zu troͤſten. Hier konte er vor Weinen kein Wort mehr hervor bringen.
Sein Gehuͤlfe Hr. Joh. von Vellin fuhr hierauf fort: Ehrbare Maͤnner, wir ſind in Noth,
und von allen verlaſſen. Glaubet nicht, daß wir was dabey verſehen haben. Wir haben uns
gegen den Papſt und ſeine Cardinaͤle demuͤthig genug herausgelaſſen. Wir haben die Seeſtaͤdte,
die Regenten, die Landſtaͤdte vielfaͤltig um Huͤlfe erſuchet. Keiner hat uns geantwortet oder
Troſt verſprochen.
Alle Lebensmittel ſind aufgezehret. GOtt iſt Zeuge, daß bey der Buͤrgerſchaft uͤberhaupt nicht
mehr als 4 Laſt Mehl liegen. Manche ſind weggegangen, manche haben verhungern muͤſſen,
und es komt ſchon ſo weit, daß einer den andern todſchlagen wil. Ob wir gleich uͤber den Muͤhl-
gaben mit dem Meiſter tractiren wollen, ſo wil ſich doch ſelbiger unter keinen andern, als uns
unertraͤglichen Bedingungen zum Vergleich verſtehen. Wer unter euch Brod hat, der gebe es
her, und fordere dafuͤr nach Belieben. Die Armen ſollen euch mit der Zeit Gerechtigkeit wie-
derfahren laſſen. Auf dieſe Rede antworteten alle, ſie haͤtten vom Groͤſten bis zum Kleinſten kei-
nen Biſſen Brod. Joh. von Vellin, der alte Vogt fieng noch einmal an zu weinen und ſprach
unter vielen Schluchſen: O HErr GOtt, wie wil es mit uns Armen in dieſer Angſt werden-
Sie antworteten einmuͤthig, ſo wie es auf der Stube von Soeſt abgemacht worden: Wir
wollen uns ergeben, der Meiſter verlange auch von uns, was er wolle. Und damit giengen die
Tractaten an, in welchen die halbe Stadt unter den Orden gerieth. Ob nun gleich Riga fuͤr
den Erzbiſchof ſchon kein angenehmer Aufenthalt war, ſo fand ſich ſelbiger doch noch mehr durch
dieſe Mitregentſchaft des Meiſters beleidiget. Es iſt daher kein Wunder, wenn auf dieſes Un-
gewitter durch das Stuͤrmen des Erzbiſchofs am paͤpſtl. Hofe ein ſtarker Donnerſchlag folgte.
Benedict der XIIte ſtelte dem doͤrptiſchen Biſchof Engelbert dieſe Gewaltthaͤtigkeit wider die
erzbiſchoͤfl. Stadt Riga vor, und ſchickte ihm aus der paͤpſtl. Kanzley alle Privilegien zu, nach
welchen der Erzbiſchof allein Herr, der Orden aber nur Diener war. Sein Vorgaͤnger Johan-
nes der XXIIſte las dem Orden einen harten Text, als derſelbe Duͤnemuͤnde geſperret und ſich
zugeeignet hatte. Der jetzige Papſt aber brach mit dem hohen Banne los, da ſeine Kinder, die
rigiſchen Buͤrger, ſich muſten einſperren und zu Tode hungern laſſen, verlangte auch inſtaͤndigſt,
daß alle eingezogene Guͤter der Geiſtlichen und der Stadt ohne Widerrede frey gegeben und alles
in vorigen Stand geſetzet wuͤrde. Er klagt nicht nur uͤber das Gefaͤngnis, Angriffe und Ermor-
dung der Erz- und Biſchoͤffe, Proͤbſte, Dechanten, Praͤlaten und andrer geiſtlichen Perſonen, ſondern
auch uͤber den Ungehorſam des Ordens gegen ſeine Herren und obern Beſchuͤtzer, und erklaͤret
alle ihre Privilegien fuͤr nul und nichtig. Gegeben zu Avignon am 12ten Febr. 1336. Der
doͤrptiſche Biſchof lies ſolches im Chor ſeiner Domkirche in Beiſeyn des Hrn. Herman, Abts von
Valckena, aller Domherren, und der Ritter, Gottfrieds von Vyfhuſen und Diedrichs von
Dalen und der verſamleten ganzen Stadt oͤffentlich verleſen. Die ſaͤmtlichen paͤpſtlichen Urkun-
den wurden von den Domherren Johan von Muͤhlen (de Molendino) als Official, Johan
Brelo, Cuſtos, Herman von Sobeliſſe aus dem hapſalſchen Biſtum, und Joh. Ronne aus
dem doͤrptiſchen, wie auch Thiederich von Wittinge aus dem Biſtum Halberſtadt, die alle
oͤffentliche Notarien waren, regiſtriret. Der kaiſerliche Notarius Kerſten, genant Leyſeke von
Pernaw, lies alle dieſe Acten 1393 am 22ſten Sept. zu Luͤbeck durch den bremiſchen, ver-
diſchen und luͤbiſchen Notarius in Abſchrift nehmen. Die Stadt aber machte ſich den Schutz-
brief des Papſtes vortreflich zu Nutze, und nahm nicht undeutlich zum Wahlſpruch an: man mus
dem Papſt mehr gehorchen, denn dem Orden. Die Stadt ſelbſt erkante nur den Erzbiſchof als
Oberherren in geiſtlichen Sachen, weil der Buͤrgerſchaft von den alten Biſchoͤfen unumſchraͤnkte
Freiheit gelaſſen war, damit die Anzahl der Buͤrger zunaͤme. Dieſes muſte ein muͤnſteriſcher
Geiſtlicher, Peter von Bethune, 1343 auf Befehl des Papſts Clemens des VIten in Gegen-
wart der beſtaͤndigen Vicarien des rigiſchen Schloſſes, Heinrichs von Mansvelde, Jacobs
von Weuden und Heinrich Saxens, unterſuchen, der denn zur Antwort erhielt, daß die Stadt
den Erzbiſchof in geiſtlichen Stuͤcken allein fuͤr ihren Landesherren halte, ihm den Vogt zur Be-
ſtaͤtigung vorſtelle, und ſein Bild auf der Muͤnze fuͤhre, die aber doch von gothlaͤndiſchen Korn
und Schrot ſeyn muͤſſe. Riga vom 10ten November. Mit der Zeit ſchienen die Erzbiſchoͤfe
der Mitregentſchaft des Ordens gewohnt zu werden, oder konten es auch am paͤpſtl. Hofe nicht
weiter bringen. Der rigiſche Buͤrgermeiſter, Gerhard Meye, proteſtirte in Gegenwart des
doͤrptiſchen Biſchofs gegen alles, was wider die Freiheiten der Stadt und die Statute des
modeneſiſchen Legaten Wilhelms lief, woruͤber der kaiſerl. Notarius, Johannes Lupi, ein
luͤbiſcher Clericus 1360 am 18ten Aug. um 6 Uhr ein Jnſtrument errichtete. Worauf der Bi-
ſchof von Doͤrpt an die Bruſt ſchlug, und bey GOtt ſchwur, daß der Erzbiſchof noch alle Muͤhe
anwende, ſie frey zu machen. Als Zeugen waren hiebey der doͤrptiſche Domherr, Albert
Molenſtraten, und der Ritter Bartholoͤmaͤus von Tieſenhauſen, Vogt zu Thoreida.
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