Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Geschichte des dritten Bischof Alberts, ein und zwanzigstes Jahr,
1218
p) Das deutsche Wort bedeutet ein aus dem Hause oder der Mauer hervorragendes Ge-
täfele, wie ein Bolwerk.
q) Das Wort Planca ist ebenfals nicht besser Lateinisch. Wir brauchen es doch aber mit
den Franzosen, um eine Reihe aufrechts gestelter Breter auszudrücken.
r) Signum sanctae crucis war eine Fahne, auf der die Figur eines Kreuzes stand.
§. 9.

Wie die Rigischen mit dem Bischof, und dem Herzog von Sachsen aus
Semgallien zurückkamen, so erinnerten sie sich alles Unglücks, was die von
Harrien und Oesel der Kirche in Liefland oftmals zugefüget, und ruheten
zwey Wochen aus, so wol sie, als ihre Pferde. Sie boten eine starke Armee von
Liven, Letten und Deutschen auf, die den Herzog Albert von Sachsen
zum Obersten, den Ordensmeister Volquin mit seinen Schwerdtbrüdern s), und
Dietrichen des Bischofs Bruder, mit den übrigen Männern der Kirche bey sich
hatten. Diese versamleten sich nahe bey Saccala, wo der Ort der Unterredung
und des Gebets für die Armee war, und rückten nachdem sie daselbst hohe Messe
gehalten, an die Pala, liessen die von Saccala und Ungannien, ingleichen
auch von Gerwen zusammen berufen, lasen sich aus ihnen Wegweiser aus, und
vertheilten die ganze Armee in drey Schwadronen. Nach geworfenem Lose erhiel-
ten die Liven den Weg zur linken Hand. Die Esthen bekamen durchs Loos
den Weg zur rechten. Die Deutschen aber samt den Letten nahmen nach ge-
wöhnlicher Manier für sich die mittlere Strasse. Als wir nun frühe vor Tage auf-
brachen, nahmen wir den mittlern Weg nach Nurmegunde, und als die Sonne
eben aufgegangen, ging auch vor unserm Augen ein starkes Feuer und ein dicker
Rauch in Gerwischen auf. Es waren aber die von Gerwen von der Lief-
ländischen
Kirche schon oft unterwürfig gemacht worden, hatten ihre Kinder auch
in Liefland zu Geisseln, und waren fertig so wol ihren Schoß jährlich zu erlegen,
als die Taufe anzunehmen. Hierauf brachten die Oeseler ein mächtig Heer zu-
sammen, und erforschten durch Loos den Willen ihrer Götter, ob sie nemlich mit
den Dänen in Revel eins wagen, oder in die Provinz Gerwen einrücken sol-
ten. Das Loos fiel aber über die von Gerwen. Und GOtt schickte sie eben den
Tag dahin, als wir kamen. Sie vertheilten also ihre Armee denselben Morgen
auf allen Dörfern, plünderten und sengten darinne, davon einige der Unseren die
Flammen und den Rauch sahen, nemlich der Herzog Albert mit seinen Rittern,
und der Ordensmeister Volquin mit seinen Brüdern. Diese legten gleich ihre
Rüstung an, und zogen den Feinden nach Gerwen entgegen. Wie sie nun alle
Dörfer angesteckt und geplündert fanden, eilten sie desto mehr hinter ihnen her, und
begegneten etlichen von Gerwen, die durch die Flucht den Feinden entgangen
waren. Und jeder von ihnen berichtete dieses Unglück und sprach: Die Oeseler
schlugen unser Land mit einer alzuschweren Plage, und ich bin allein
entrunnen, daß ichs euch ansage.
Da wir nun die Feinde des Christlichen
Namens nennen hörten, gingen wir gleich auf sie los, und nach neun Uhr ertapten
wir viere von den Feinden, die eben ein Dorf einäscherten; Als wir diese nieder-
gehauen, und die Pferde weggenommen, eilten wir hinter andern her, und bega-
ben uns mit den Letten, so zum Nachsetzen am leichtesten waren, an ein Dorf,
Carethen genant, wo ihre Maja, das ist, ihre Versamlung gewesen war. Nach
Annäherung an dasselbe, erblickten wir so gleich ihren ganzen Schwarm gegen uns
im Anzuge aufs Feld, mit uns zu schlagen. Sie schrien mit starker Stimme,
klapperten mit ihren Schildern, und gingen auf uns zu; Auch die, so im Dorfe
nachgeblieben, folgten ihren Kameraden. Wie sie nun der Unsrigen wenige Mann-
schaft ansichtig wurden, liefen sie zu, und warfen ihre Lanzen auf uns, es mach-
ten auch die Letten, und diejenigen, so bey uns zum ersten gekommen, deren aber
noch sehr wenig waren, ein Geschrey, liefen gleichfals auf sie zu, und warfen ihre
Lanzen auf dieselben. Unser Weg war sehr enge wegen des zusammengebackenen

Schnees,
Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ein und zwanzigſtes Jahr,
1218
p) Das deutſche Wort bedeutet ein aus dem Hauſe oder der Mauer hervorragendes Ge-
taͤfele, wie ein Bolwerk.
q) Das Wort Planca iſt ebenfals nicht beſſer Lateiniſch. Wir brauchen es doch aber mit
den Franzoſen, um eine Reihe aufrechts geſtelter Breter auszudruͤcken.
r) Signum ſanctæ crucis war eine Fahne, auf der die Figur eines Kreuzes ſtand.
§. 9.

Wie die Rigiſchen mit dem Biſchof, und dem Herzog von Sachſen aus
Semgallien zuruͤckkamen, ſo erinnerten ſie ſich alles Ungluͤcks, was die von
Harrien und Oeſel der Kirche in Liefland oftmals zugefuͤget, und ruheten
zwey Wochen aus, ſo wol ſie, als ihre Pferde. Sie boten eine ſtarke Armee von
Liven, Letten und Deutſchen auf, die den Herzog Albert von Sachſen
zum Oberſten, den Ordensmeiſter Volquin mit ſeinen Schwerdtbruͤdern s), und
Dietrichen des Biſchofs Bruder, mit den uͤbrigen Maͤnnern der Kirche bey ſich
hatten. Dieſe verſamleten ſich nahe bey Saccala, wo der Ort der Unterredung
und des Gebets fuͤr die Armee war, und ruͤckten nachdem ſie daſelbſt hohe Meſſe
gehalten, an die Pala, lieſſen die von Saccala und Ungannien, ingleichen
auch von Gerwen zuſammen berufen, laſen ſich aus ihnen Wegweiſer aus, und
vertheilten die ganze Armee in drey Schwadronen. Nach geworfenem Loſe erhiel-
ten die Liven den Weg zur linken Hand. Die Eſthen bekamen durchs Loos
den Weg zur rechten. Die Deutſchen aber ſamt den Letten nahmen nach ge-
woͤhnlicher Manier fuͤr ſich die mittlere Straſſe. Als wir nun fruͤhe vor Tage auf-
brachen, nahmen wir den mittlern Weg nach Nurmegunde, und als die Sonne
eben aufgegangen, ging auch vor unſerm Augen ein ſtarkes Feuer und ein dicker
Rauch in Gerwiſchen auf. Es waren aber die von Gerwen von der Lief-
laͤndiſchen
Kirche ſchon oft unterwuͤrfig gemacht worden, hatten ihre Kinder auch
in Liefland zu Geiſſeln, und waren fertig ſo wol ihren Schoß jaͤhrlich zu erlegen,
als die Taufe anzunehmen. Hierauf brachten die Oeſeler ein maͤchtig Heer zu-
ſammen, und erforſchten durch Loos den Willen ihrer Goͤtter, ob ſie nemlich mit
den Daͤnen in Revel eins wagen, oder in die Provinz Gerwen einruͤcken ſol-
ten. Das Loos fiel aber uͤber die von Gerwen. Und GOtt ſchickte ſie eben den
Tag dahin, als wir kamen. Sie vertheilten alſo ihre Armee denſelben Morgen
auf allen Doͤrfern, pluͤnderten und ſengten darinne, davon einige der Unſeren die
Flammen und den Rauch ſahen, nemlich der Herzog Albert mit ſeinen Rittern,
und der Ordensmeiſter Volquin mit ſeinen Bruͤdern. Dieſe legten gleich ihre
Ruͤſtung an, und zogen den Feinden nach Gerwen entgegen. Wie ſie nun alle
Doͤrfer angeſteckt und gepluͤndert fanden, eilten ſie deſto mehr hinter ihnen her, und
begegneten etlichen von Gerwen, die durch die Flucht den Feinden entgangen
waren. Und jeder von ihnen berichtete dieſes Ungluͤck und ſprach: Die Oeſeler
ſchlugen unſer Land mit einer alzuſchweren Plage, und ich bin allein
entrunnen, daß ichs euch anſage.
Da wir nun die Feinde des Chriſtlichen
Namens nennen hoͤrten, gingen wir gleich auf ſie los, und nach neun Uhr ertapten
wir viere von den Feinden, die eben ein Dorf einaͤſcherten; Als wir dieſe nieder-
gehauen, und die Pferde weggenommen, eilten wir hinter andern her, und bega-
ben uns mit den Letten, ſo zum Nachſetzen am leichteſten waren, an ein Dorf,
Carethen genant, wo ihre Maja, das iſt, ihre Verſamlung geweſen war. Nach
Annaͤherung an daſſelbe, erblickten wir ſo gleich ihren ganzen Schwarm gegen uns
im Anzuge aufs Feld, mit uns zu ſchlagen. Sie ſchrien mit ſtarker Stimme,
klapperten mit ihren Schildern, und gingen auf uns zu; Auch die, ſo im Dorfe
nachgeblieben, folgten ihren Kameraden. Wie ſie nun der Unſrigen wenige Mann-
ſchaft anſichtig wurden, liefen ſie zu, und warfen ihre Lanzen auf uns, es mach-
ten auch die Letten, und diejenigen, ſo bey uns zum erſten gekommen, deren aber
noch ſehr wenig waren, ein Geſchrey, liefen gleichfals auf ſie zu, und warfen ihre
Lanzen auf dieſelben. Unſer Weg war ſehr enge wegen des zuſammengebackenen

Schnees,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0184" n="152"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Ge&#x017F;chichte des dritten Bi&#x017F;chof Alberts, ein und zwanzig&#x017F;tes Jahr,</hi> </fw><lb/>
              <note place="left">1218</note>
              <note place="end" n="p)">Das deut&#x017F;che Wort bedeutet ein aus dem Hau&#x017F;e oder der Mauer hervorragendes Ge-<lb/>
ta&#x0364;fele, wie ein Bolwerk.</note><lb/>
              <note place="end" n="q)">Das Wort <hi rendition="#aq">Planca</hi> i&#x017F;t ebenfals nicht be&#x017F;&#x017F;er Lateini&#x017F;ch. Wir brauchen es doch aber mit<lb/>
den <hi rendition="#fr">Franzo&#x017F;en,</hi> um eine Reihe aufrechts ge&#x017F;telter Breter auszudru&#x0364;cken.</note><lb/>
              <note place="end" n="r)"><hi rendition="#aq">Signum &#x017F;anctæ crucis</hi> war eine Fahne, auf der die Figur eines Kreuzes &#x017F;tand.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 9.</head><lb/>
              <p>Wie die <hi rendition="#fr">Rigi&#x017F;chen</hi> mit dem Bi&#x017F;chof, und dem Herzog von <hi rendition="#fr">Sach&#x017F;en</hi> aus<lb/><hi rendition="#fr">Semgallien</hi> zuru&#x0364;ckkamen, &#x017F;o erinnerten &#x017F;ie &#x017F;ich alles Unglu&#x0364;cks, was die von<lb/><hi rendition="#fr">Harrien</hi> und <hi rendition="#fr">Oe&#x017F;el</hi> der Kirche in <hi rendition="#fr">Liefland</hi> oftmals zugefu&#x0364;get, und ruheten<lb/>
zwey Wochen aus, &#x017F;o wol &#x017F;ie, als ihre Pferde. Sie boten eine &#x017F;tarke Armee von<lb/><hi rendition="#fr">Liven, Letten</hi> und <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;chen</hi> auf, die den Herzog <hi rendition="#fr">Albert</hi> von <hi rendition="#fr">Sach&#x017F;en</hi><lb/>
zum Ober&#x017F;ten, den Ordensmei&#x017F;ter <hi rendition="#fr">Volquin</hi> mit &#x017F;einen Schwerdtbru&#x0364;dern <note place="end" n="s)"/>, und<lb/><hi rendition="#fr">Dietrichen</hi> des Bi&#x017F;chofs Bruder, mit den u&#x0364;brigen Ma&#x0364;nnern der Kirche bey &#x017F;ich<lb/>
hatten. Die&#x017F;e ver&#x017F;amleten &#x017F;ich nahe bey <hi rendition="#fr">Saccala,</hi> wo der Ort der Unterredung<lb/>
und des Gebets fu&#x0364;r die Armee war, und ru&#x0364;ckten nachdem &#x017F;ie da&#x017F;elb&#x017F;t hohe Me&#x017F;&#x017F;e<lb/>
gehalten, an die <hi rendition="#fr">Pala,</hi> lie&#x017F;&#x017F;en die von <hi rendition="#fr">Saccala</hi> und <hi rendition="#fr">Ungannien,</hi> ingleichen<lb/>
auch von <hi rendition="#fr">Gerwen</hi> zu&#x017F;ammen berufen, la&#x017F;en &#x017F;ich aus ihnen Wegwei&#x017F;er aus, und<lb/>
vertheilten die ganze Armee in drey Schwadronen. Nach geworfenem Lo&#x017F;e erhiel-<lb/>
ten die <hi rendition="#fr">Liven</hi> den Weg zur linken Hand. Die <hi rendition="#fr">E&#x017F;then</hi> bekamen durchs Loos<lb/>
den Weg zur rechten. Die <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;chen</hi> aber &#x017F;amt den <hi rendition="#fr">Letten</hi> nahmen nach ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlicher Manier fu&#x0364;r &#x017F;ich die mittlere Stra&#x017F;&#x017F;e. Als wir nun fru&#x0364;he vor Tage auf-<lb/>
brachen, nahmen wir den mittlern Weg nach <hi rendition="#fr">Nurmegunde,</hi> und als die Sonne<lb/>
eben aufgegangen, ging auch vor un&#x017F;erm Augen ein &#x017F;tarkes Feuer und ein dicker<lb/>
Rauch in <hi rendition="#fr">Gerwi&#x017F;chen</hi> auf. Es waren aber die von <hi rendition="#fr">Gerwen</hi> von der <hi rendition="#fr">Lief-<lb/>
la&#x0364;ndi&#x017F;chen</hi> Kirche &#x017F;chon oft unterwu&#x0364;rfig gemacht worden, hatten ihre Kinder auch<lb/>
in <hi rendition="#fr">Liefland</hi> zu Gei&#x017F;&#x017F;eln, und waren fertig &#x017F;o wol ihren Schoß ja&#x0364;hrlich zu erlegen,<lb/>
als die Taufe anzunehmen. Hierauf brachten die <hi rendition="#fr">Oe&#x017F;eler</hi> ein ma&#x0364;chtig Heer zu-<lb/>
&#x017F;ammen, und erfor&#x017F;chten durch Loos den Willen ihrer Go&#x0364;tter, ob &#x017F;ie nemlich mit<lb/>
den <hi rendition="#fr">Da&#x0364;nen</hi> in <hi rendition="#fr">Revel</hi> eins wagen, oder in die Provinz <hi rendition="#fr">Gerwen</hi> einru&#x0364;cken &#x017F;ol-<lb/>
ten. Das Loos fiel aber u&#x0364;ber die von <hi rendition="#fr">Gerwen.</hi> Und GOtt &#x017F;chickte &#x017F;ie eben den<lb/>
Tag dahin, als wir kamen. Sie vertheilten al&#x017F;o ihre Armee den&#x017F;elben Morgen<lb/>
auf allen Do&#x0364;rfern, plu&#x0364;nderten und &#x017F;engten darinne, davon einige der Un&#x017F;eren die<lb/>
Flammen und den Rauch &#x017F;ahen, nemlich der Herzog <hi rendition="#fr">Albert</hi> mit &#x017F;einen Rittern,<lb/>
und der Ordensmei&#x017F;ter <hi rendition="#fr">Volquin</hi> mit &#x017F;einen Bru&#x0364;dern. Die&#x017F;e legten gleich ihre<lb/>
Ru&#x0364;&#x017F;tung an, und zogen den Feinden nach <hi rendition="#fr">Gerwen</hi> entgegen. Wie &#x017F;ie nun alle<lb/>
Do&#x0364;rfer ange&#x017F;teckt und geplu&#x0364;ndert fanden, eilten &#x017F;ie de&#x017F;to mehr hinter ihnen her, und<lb/>
begegneten etlichen von <hi rendition="#fr">Gerwen,</hi> die durch die Flucht den Feinden entgangen<lb/>
waren. Und jeder von ihnen berichtete die&#x017F;es Unglu&#x0364;ck und &#x017F;prach: <hi rendition="#fr">Die Oe&#x017F;eler<lb/>
&#x017F;chlugen un&#x017F;er Land mit einer alzu&#x017F;chweren Plage, und ich bin allein<lb/>
entrunnen, daß ichs euch an&#x017F;age.</hi> Da wir nun die Feinde des Chri&#x017F;tlichen<lb/>
Namens nennen ho&#x0364;rten, gingen wir gleich auf &#x017F;ie los, und nach neun Uhr ertapten<lb/>
wir viere von den Feinden, die eben ein Dorf eina&#x0364;&#x017F;cherten; Als wir die&#x017F;e nieder-<lb/>
gehauen, und die Pferde weggenommen, eilten wir hinter andern her, und bega-<lb/>
ben uns mit den <hi rendition="#fr">Letten,</hi> &#x017F;o zum Nach&#x017F;etzen am leichte&#x017F;ten waren, an ein Dorf,<lb/><hi rendition="#fr">Carethen</hi> genant, wo ihre <hi rendition="#fr">Maja,</hi> das i&#x017F;t, ihre Ver&#x017F;amlung gewe&#x017F;en war. Nach<lb/>
Anna&#x0364;herung an da&#x017F;&#x017F;elbe, erblickten wir &#x017F;o gleich ihren ganzen Schwarm gegen uns<lb/>
im Anzuge aufs Feld, mit uns zu &#x017F;chlagen. Sie &#x017F;chrien mit &#x017F;tarker Stimme,<lb/>
klapperten mit ihren Schildern, und gingen auf uns zu; Auch die, &#x017F;o im Dorfe<lb/>
nachgeblieben, folgten ihren Kameraden. Wie &#x017F;ie nun der Un&#x017F;rigen wenige Mann-<lb/>
&#x017F;chaft an&#x017F;ichtig wurden, liefen &#x017F;ie zu, und warfen ihre Lanzen auf uns, es mach-<lb/>
ten auch die <hi rendition="#fr">Letten,</hi> und diejenigen, &#x017F;o bey uns zum er&#x017F;ten gekommen, deren aber<lb/>
noch &#x017F;ehr wenig waren, ein Ge&#x017F;chrey, liefen gleichfals auf &#x017F;ie zu, und warfen ihre<lb/>
Lanzen auf die&#x017F;elben. Un&#x017F;er Weg war &#x017F;ehr enge wegen des zu&#x017F;ammengebackenen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Schnees,</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0184] Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ein und zwanzigſtes Jahr, p⁾ Das deutſche Wort bedeutet ein aus dem Hauſe oder der Mauer hervorragendes Ge- taͤfele, wie ein Bolwerk. q⁾ Das Wort Planca iſt ebenfals nicht beſſer Lateiniſch. Wir brauchen es doch aber mit den Franzoſen, um eine Reihe aufrechts geſtelter Breter auszudruͤcken. r⁾ Signum ſanctæ crucis war eine Fahne, auf der die Figur eines Kreuzes ſtand. §. 9. Wie die Rigiſchen mit dem Biſchof, und dem Herzog von Sachſen aus Semgallien zuruͤckkamen, ſo erinnerten ſie ſich alles Ungluͤcks, was die von Harrien und Oeſel der Kirche in Liefland oftmals zugefuͤget, und ruheten zwey Wochen aus, ſo wol ſie, als ihre Pferde. Sie boten eine ſtarke Armee von Liven, Letten und Deutſchen auf, die den Herzog Albert von Sachſen zum Oberſten, den Ordensmeiſter Volquin mit ſeinen Schwerdtbruͤdern s⁾ , und Dietrichen des Biſchofs Bruder, mit den uͤbrigen Maͤnnern der Kirche bey ſich hatten. Dieſe verſamleten ſich nahe bey Saccala, wo der Ort der Unterredung und des Gebets fuͤr die Armee war, und ruͤckten nachdem ſie daſelbſt hohe Meſſe gehalten, an die Pala, lieſſen die von Saccala und Ungannien, ingleichen auch von Gerwen zuſammen berufen, laſen ſich aus ihnen Wegweiſer aus, und vertheilten die ganze Armee in drey Schwadronen. Nach geworfenem Loſe erhiel- ten die Liven den Weg zur linken Hand. Die Eſthen bekamen durchs Loos den Weg zur rechten. Die Deutſchen aber ſamt den Letten nahmen nach ge- woͤhnlicher Manier fuͤr ſich die mittlere Straſſe. Als wir nun fruͤhe vor Tage auf- brachen, nahmen wir den mittlern Weg nach Nurmegunde, und als die Sonne eben aufgegangen, ging auch vor unſerm Augen ein ſtarkes Feuer und ein dicker Rauch in Gerwiſchen auf. Es waren aber die von Gerwen von der Lief- laͤndiſchen Kirche ſchon oft unterwuͤrfig gemacht worden, hatten ihre Kinder auch in Liefland zu Geiſſeln, und waren fertig ſo wol ihren Schoß jaͤhrlich zu erlegen, als die Taufe anzunehmen. Hierauf brachten die Oeſeler ein maͤchtig Heer zu- ſammen, und erforſchten durch Loos den Willen ihrer Goͤtter, ob ſie nemlich mit den Daͤnen in Revel eins wagen, oder in die Provinz Gerwen einruͤcken ſol- ten. Das Loos fiel aber uͤber die von Gerwen. Und GOtt ſchickte ſie eben den Tag dahin, als wir kamen. Sie vertheilten alſo ihre Armee denſelben Morgen auf allen Doͤrfern, pluͤnderten und ſengten darinne, davon einige der Unſeren die Flammen und den Rauch ſahen, nemlich der Herzog Albert mit ſeinen Rittern, und der Ordensmeiſter Volquin mit ſeinen Bruͤdern. Dieſe legten gleich ihre Ruͤſtung an, und zogen den Feinden nach Gerwen entgegen. Wie ſie nun alle Doͤrfer angeſteckt und gepluͤndert fanden, eilten ſie deſto mehr hinter ihnen her, und begegneten etlichen von Gerwen, die durch die Flucht den Feinden entgangen waren. Und jeder von ihnen berichtete dieſes Ungluͤck und ſprach: Die Oeſeler ſchlugen unſer Land mit einer alzuſchweren Plage, und ich bin allein entrunnen, daß ichs euch anſage. Da wir nun die Feinde des Chriſtlichen Namens nennen hoͤrten, gingen wir gleich auf ſie los, und nach neun Uhr ertapten wir viere von den Feinden, die eben ein Dorf einaͤſcherten; Als wir dieſe nieder- gehauen, und die Pferde weggenommen, eilten wir hinter andern her, und bega- ben uns mit den Letten, ſo zum Nachſetzen am leichteſten waren, an ein Dorf, Carethen genant, wo ihre Maja, das iſt, ihre Verſamlung geweſen war. Nach Annaͤherung an daſſelbe, erblickten wir ſo gleich ihren ganzen Schwarm gegen uns im Anzuge aufs Feld, mit uns zu ſchlagen. Sie ſchrien mit ſtarker Stimme, klapperten mit ihren Schildern, und gingen auf uns zu; Auch die, ſo im Dorfe nachgeblieben, folgten ihren Kameraden. Wie ſie nun der Unſrigen wenige Mann- ſchaft anſichtig wurden, liefen ſie zu, und warfen ihre Lanzen auf uns, es mach- ten auch die Letten, und diejenigen, ſo bey uns zum erſten gekommen, deren aber noch ſehr wenig waren, ein Geſchrey, liefen gleichfals auf ſie zu, und warfen ihre Lanzen auf dieſelben. Unſer Weg war ſehr enge wegen des zuſammengebackenen Schnees,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/184
Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/184>, abgerufen am 21.11.2024.