[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.von 1218 bis 1219. als sie keine Retirade sonst hatten, baten sie um Vergebung, und ersuchten, daß1218sie zum Bischof hinunter kommen dürften. Man erlaubte ihnen Stilstand und ei- nen freyen Paß. Also kam Made und Gayde mit den andern herunter. Es wurde ihnen angedeutet, sie möchten das Schloß, und alles, was drinnen wäre, übergeben, damit sie das Leben erhielten. Den Heiden stand dieser Accord nicht an; sie kehrten wieder ins Schloß, und der Streit ward hitziger als vorher. Man machte alle Kriegsmaschinen von neuem zu rechte. Die Ritter legten ihre Rüstung an, erstiegen zugleich mit dem Herzog den Wal, und wolten sich der Spitze des Schlosses bemächtigen, sie wurden aber doch von den im Schlosse befindlichen, die kaum das halbe Leben noch hatten, zurück getrieben. Nachher machte man grosse Haufen von trocknem Holze, legte Feuer darein, und beängstigte diese Treulosen auf alle Weise, bis sie endlich ermatteten und den folgenden Morgen sich ergaben. Es kam einer nach dem andern aus der Vestung herunter gekrochen, stelte unserer Armee sich dar, und streckte seinen Hals hin. Nachdem ungefähr eine Zahl von zweyhundert Personen herunter gestiegen, siehe! so kuckte um die Mittagszeit Westhard mit seinen Semgallen und einigen Litthauern, die zusammen ei- nen starcken Haufen ausmachten, plötzlich aus dem Busche hervor, näherte sich und wolte mit uns anbinden. Wir commandirten gleich unsre Heere gegen sie, und stelten das Fußvolk um das Schlos herum. Es kamen aber von unsern Leuten etliche Narren, deren es sehr viel gibt, die krigten die Landesältesten, so aus dem Schlosse gezogen, bey den Köpfen, schlugen ihrer hundert und mehr todt, ohne daß die Herren was darum wusten, die gegen die Heiden zu fechten zu Felde gegan- gen. Viewald aber, Schloßältester von Ascherade, trat näher hin an die Feinde, und rief, sie möchten ins Feld rücken, und mit den Deutschen sich schlagen. Diese hingegen sprachen: Wir haben von den Semgallen Lohn genommen, daß wir kommen wolten eure Deutsche Armee zu sehen. Nun wir sie be- sehen haben, so gehen wir wieder unsern Weg richtig nach Hause, und sind nicht gesonnen mit euch den geschloßnen Frieden zu brechen. Nach Abzug der Litthauer, kehrten die Deutschen wieder ans Schloß und fanden die Volks- ältesten erschlagen. Die in der Burg nachgebliebenen Semgallier sahen ihre Ael- testen vor dem Schlosse umgebracht, und traueten sich nicht heraus zu kommen, son- dern befurchten ein gleiches. Also ging das Treffen von neuem an. Die Pfeile flogen. Die Lanzen der Liven und Letten vom Sturmdache tödteten viele. Man machte Feuer an, und der unterminirte Wal sank schon mit der Vestung zur Erde. Wie sie das sahen, und keinen Trost der Beschützung mehr hatten, baten sie die ganze Nacht flehentlich, es möchte die Sicherheit des Friedens ihnen von neuem zu- gestanden werden, damit sie bey ihrem Ausziehen aus dem Schloß das Leben er- hielten. Der Bischof samt dem Herzog und allem Volke hatte mit ihnen Mit- leiden, und schickte ihnen daher die Fahne des heiligen Kreuzes ins Schloß r). Diesem gläubten sie also, und sagten zu, sie wolten nachher nie das Sacrament der heiligen Taufe beschimpfen. Sie zogen auch vom Schlosse mit Weib und Kind aus, und jeder ging nach seinem Dorfe heim. Die Armee aber begab sich hierauf auf die Burg, erbeutete alles Geld, Vorrath, Pferde und Vieh. Die Liven und Letten liessen nichts liegen, sondern hiessen alles mit sich gehen, steckten hier- auf das Schloß in Brand, und kehrten mit aller Beute nach Liefland, wobey sie GOtt Dank brachten für die verhängte Rache über ein ungerathnes Volk, das seiner Zusage vergessen, den Christlichen Glauben von sich gestossen, die Gnade der Taufe verlachet, und kein Bedenken getragen sich mit den teuflischen Gebräuchen der Heiden wieder zu beflecken. o) Ericius, (ein Sturmigel) ist an dieser Stelle eine Kriegesmaschine, die ein Jgel hieß, weil sie wie das Thier dieses Namens allenthalben voller Spitzen und Stacheln war. Das Wort, so in diesem Verstande schon bey den Römern üblich gewesen, komt wieder vor beym Jahre 1223 n. 5. p) Das P p 2
von 1218 bis 1219. als ſie keine Retirade ſonſt hatten, baten ſie um Vergebung, und erſuchten, daß1218ſie zum Biſchof hinunter kommen duͤrften. Man erlaubte ihnen Stilſtand und ei- nen freyen Paß. Alſo kam Made und Gayde mit den andern herunter. Es wurde ihnen angedeutet, ſie moͤchten das Schloß, und alles, was drinnen waͤre, uͤbergeben, damit ſie das Leben erhielten. Den Heiden ſtand dieſer Accord nicht an; ſie kehrten wieder ins Schloß, und der Streit ward hitziger als vorher. Man machte alle Kriegsmaſchinen von neuem zu rechte. Die Ritter legten ihre Ruͤſtung an, erſtiegen zugleich mit dem Herzog den Wal, und wolten ſich der Spitze des Schloſſes bemaͤchtigen, ſie wurden aber doch von den im Schloſſe befindlichen, die kaum das halbe Leben noch hatten, zuruͤck getrieben. Nachher machte man groſſe Haufen von trocknem Holze, legte Feuer darein, und beaͤngſtigte dieſe Treuloſen auf alle Weiſe, bis ſie endlich ermatteten und den folgenden Morgen ſich ergaben. Es kam einer nach dem andern aus der Veſtung herunter gekrochen, ſtelte unſerer Armee ſich dar, und ſtreckte ſeinen Hals hin. Nachdem ungefaͤhr eine Zahl von zweyhundert Perſonen herunter geſtiegen, ſiehe! ſo kuckte um die Mittagszeit Weſthard mit ſeinen Semgallen und einigen Litthauern, die zuſammen ei- nen ſtarcken Haufen ausmachten, ploͤtzlich aus dem Buſche hervor, naͤherte ſich und wolte mit uns anbinden. Wir commandirten gleich unſre Heere gegen ſie, und ſtelten das Fußvolk um das Schlos herum. Es kamen aber von unſern Leuten etliche Narren, deren es ſehr viel gibt, die krigten die Landesaͤlteſten, ſo aus dem Schloſſe gezogen, bey den Koͤpfen, ſchlugen ihrer hundert und mehr todt, ohne daß die Herren was darum wuſten, die gegen die Heiden zu fechten zu Felde gegan- gen. Viewald aber, Schloßaͤlteſter von Aſcherade, trat naͤher hin an die Feinde, und rief, ſie moͤchten ins Feld ruͤcken, und mit den Deutſchen ſich ſchlagen. Dieſe hingegen ſprachen: Wir haben von den Semgallen Lohn genommen, daß wir kommen wolten eure Deutſche Armee zu ſehen. Nun wir ſie be- ſehen haben, ſo gehen wir wieder unſern Weg richtig nach Hauſe, und ſind nicht geſonnen mit euch den geſchloßnen Frieden zu brechen. Nach Abzug der Litthauer, kehrten die Deutſchen wieder ans Schloß und fanden die Volks- aͤlteſten erſchlagen. Die in der Burg nachgebliebenen Semgallier ſahen ihre Ael- teſten vor dem Schloſſe umgebracht, und traueten ſich nicht heraus zu kommen, ſon- dern befurchten ein gleiches. Alſo ging das Treffen von neuem an. Die Pfeile flogen. Die Lanzen der Liven und Letten vom Sturmdache toͤdteten viele. Man machte Feuer an, und der unterminirte Wal ſank ſchon mit der Veſtung zur Erde. Wie ſie das ſahen, und keinen Troſt der Beſchuͤtzung mehr hatten, baten ſie die ganze Nacht flehentlich, es moͤchte die Sicherheit des Friedens ihnen von neuem zu- geſtanden werden, damit ſie bey ihrem Ausziehen aus dem Schloß das Leben er- hielten. Der Biſchof ſamt dem Herzog und allem Volke hatte mit ihnen Mit- leiden, und ſchickte ihnen daher die Fahne des heiligen Kreuzes ins Schloß r). Dieſem glaͤubten ſie alſo, und ſagten zu, ſie wolten nachher nie das Sacrament der heiligen Taufe beſchimpfen. Sie zogen auch vom Schloſſe mit Weib und Kind aus, und jeder ging nach ſeinem Dorfe heim. Die Armee aber begab ſich hierauf auf die Burg, erbeutete alles Geld, Vorrath, Pferde und Vieh. Die Liven und Letten lieſſen nichts liegen, ſondern hieſſen alles mit ſich gehen, ſteckten hier- auf das Schloß in Brand, und kehrten mit aller Beute nach Liefland, wobey ſie GOtt Dank brachten fuͤr die verhaͤngte Rache uͤber ein ungerathnes Volk, das ſeiner Zuſage vergeſſen, den Chriſtlichen Glauben von ſich geſtoſſen, die Gnade der Taufe verlachet, und kein Bedenken getragen ſich mit den teufliſchen Gebraͤuchen der Heiden wieder zu beflecken. o) Ericius, (ein Sturmigel) iſt an dieſer Stelle eine Kriegesmaſchine, die ein Jgel hieß, weil ſie wie das Thier dieſes Namens allenthalben voller Spitzen und Stacheln war. Das Wort, ſo in dieſem Verſtande ſchon bey den Roͤmern uͤblich geweſen, komt wieder vor beym Jahre 1223 n. 5. p) Das P p 2
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ſie zum Biſchof hinunter kommen duͤrften. Man erlaubte ihnen Stilſtand und ei-
nen freyen Paß. Alſo kam Made und Gayde mit den andern herunter. Es
wurde ihnen angedeutet, ſie moͤchten das Schloß, und alles, was drinnen waͤre,
uͤbergeben, damit ſie das Leben erhielten. Den Heiden ſtand dieſer Accord nicht
an; ſie kehrten wieder ins Schloß, und der Streit ward hitziger als vorher. Man
machte alle Kriegsmaſchinen von neuem zu rechte. Die Ritter legten ihre Ruͤſtung
an, erſtiegen zugleich mit dem Herzog den Wal, und wolten ſich der Spitze des
Schloſſes bemaͤchtigen, ſie wurden aber doch von den im Schloſſe befindlichen, die
kaum das halbe Leben noch hatten, zuruͤck getrieben. Nachher machte man groſſe
Haufen von trocknem Holze, legte Feuer darein, und beaͤngſtigte dieſe Treuloſen
auf alle Weiſe, bis ſie endlich ermatteten und den folgenden Morgen ſich ergaben.
Es kam einer nach dem andern aus der Veſtung herunter gekrochen, ſtelte unſerer
Armee ſich dar, und ſtreckte ſeinen Hals hin. Nachdem ungefaͤhr eine Zahl von
zweyhundert Perſonen herunter geſtiegen, ſiehe! ſo kuckte um die Mittagszeit
Weſthard mit ſeinen Semgallen und einigen Litthauern, die zuſammen ei-
nen ſtarcken Haufen ausmachten, ploͤtzlich aus dem Buſche hervor, naͤherte ſich und
wolte mit uns anbinden. Wir commandirten gleich unſre Heere gegen ſie, und
ſtelten das Fußvolk um das Schlos herum. Es kamen aber von unſern Leuten
etliche Narren, deren es ſehr viel gibt, die krigten die Landesaͤlteſten, ſo aus dem
Schloſſe gezogen, bey den Koͤpfen, ſchlugen ihrer hundert und mehr todt, ohne daß
die Herren was darum wuſten, die gegen die Heiden zu fechten zu Felde gegan-
gen. Viewald aber, Schloßaͤlteſter von Aſcherade, trat naͤher hin an die Feinde,
und rief, ſie moͤchten ins Feld ruͤcken, und mit den Deutſchen ſich ſchlagen.
Dieſe hingegen ſprachen: Wir haben von den Semgallen Lohn genommen,
daß wir kommen wolten eure Deutſche Armee zu ſehen. Nun wir ſie be-
ſehen haben, ſo gehen wir wieder unſern Weg richtig nach Hauſe, und ſind
nicht geſonnen mit euch den geſchloßnen Frieden zu brechen. Nach Abzug der
Litthauer, kehrten die Deutſchen wieder ans Schloß und fanden die Volks-
aͤlteſten erſchlagen. Die in der Burg nachgebliebenen Semgallier ſahen ihre Ael-
teſten vor dem Schloſſe umgebracht, und traueten ſich nicht heraus zu kommen, ſon-
dern befurchten ein gleiches. Alſo ging das Treffen von neuem an. Die Pfeile
flogen. Die Lanzen der Liven und Letten vom Sturmdache toͤdteten viele. Man
machte Feuer an, und der unterminirte Wal ſank ſchon mit der Veſtung zur Erde.
Wie ſie das ſahen, und keinen Troſt der Beſchuͤtzung mehr hatten, baten ſie die
ganze Nacht flehentlich, es moͤchte die Sicherheit des Friedens ihnen von neuem zu-
geſtanden werden, damit ſie bey ihrem Ausziehen aus dem Schloß das Leben er-
hielten. Der Biſchof ſamt dem Herzog und allem Volke hatte mit ihnen Mit-
leiden, und ſchickte ihnen daher die Fahne des heiligen Kreuzes ins Schloß
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Dieſem glaͤubten ſie alſo, und ſagten zu, ſie wolten nachher nie das Sacrament
der heiligen Taufe beſchimpfen. Sie zogen auch vom Schloſſe mit Weib und Kind
aus, und jeder ging nach ſeinem Dorfe heim. Die Armee aber begab ſich hierauf
auf die Burg, erbeutete alles Geld, Vorrath, Pferde und Vieh. Die Liven
und Letten lieſſen nichts liegen, ſondern hieſſen alles mit ſich gehen, ſteckten hier-
auf das Schloß in Brand, und kehrten mit aller Beute nach Liefland, wobey
ſie GOtt Dank brachten fuͤr die verhaͤngte Rache uͤber ein ungerathnes Volk, das
ſeiner Zuſage vergeſſen, den Chriſtlichen Glauben von ſich geſtoſſen, die Gnade der
Taufe verlachet, und kein Bedenken getragen ſich mit den teufliſchen Gebraͤuchen
der Heiden wieder zu beflecken.
1218
o⁾ Ericius, (ein Sturmigel) iſt an dieſer Stelle eine Kriegesmaſchine, die ein Jgel hieß,
weil ſie wie das Thier dieſes Namens allenthalben voller Spitzen und Stacheln war.
Das Wort, ſo in dieſem Verſtande ſchon bey den Roͤmern uͤblich geweſen, komt wieder
vor beym Jahre 1223 n. 5.
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