Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779.
Um meines Mantels willen nicht, Sobald Der ganz und gar verschlissen; weder Stich Noch Fetze länger halten will: komm' ich Und borge mir bey Euch zu einem neuen, Tuch oder Geld. -- Seht nicht mit eins so finster! Noch seyd Jhr sicher; noch ists nicht so weit Mit ihm. Jhr seht; er ist so ziemlich noch Jm Stande. Nur der eine Zipfel da Hat einen garstgen Fleck; er ist versengt. Und das bekam er, als ich eure Tochter Durchs Feuer trug. Nathan. (der nach dem Zipfel greift und ihn betrachtet.) Es ist doch sonderbar, Daß so ein böser Fleck, daß so ein Brandmahl Dem Mann ein bessres Zeugniß redet, als Sein eigner Mund. Jch möcht ihn küssen gleich -- Den Flecken! -- Ah, verzeiht! -- Jch that es ungern. Tempelherr. Was? Nathan. Eine Thräne fiel darauf. Tempelherr.
Thut nichts! Er hat der Tropfen mehr. -- (Bald aber fängt Mich dieser Jnd' an zu verwirren.) Nathan.
Um meines Mantels willen nicht, Sobald Der ganz und gar verſchliſſen; weder Stich Noch Fetze laͤnger halten will: komm’ ich Und borge mir bey Euch zu einem neuen, Tuch oder Geld. — Seht nicht mit eins ſo finſter! Noch ſeyd Jhr ſicher; noch iſts nicht ſo weit Mit ihm. Jhr ſeht; er iſt ſo ziemlich noch Jm Stande. Nur der eine Zipfel da Hat einen garſtgen Fleck; er iſt verſengt. Und das bekam er, als ich eure Tochter Durchs Feuer trug. Nathan. (der nach dem Zipfel greift und ihn betrachtet.) Es iſt doch ſonderbar, Daß ſo ein boͤſer Fleck, daß ſo ein Brandmahl Dem Mann ein beſſres Zeugniß redet, als Sein eigner Mund. Jch moͤcht ihn kuͤſſen gleich — Den Flecken! — Ah, verzeiht! — Jch that es ungern. Tempelherr. Was? Nathan. Eine Thraͤne fiel darauf. Tempelherr.
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Der ganz und gar verſchliſſen; weder Stich
Noch Fetze laͤnger halten will: komm’ ich
Und borge mir bey Euch zu einem neuen,
Tuch oder Geld. — Seht nicht mit eins ſo finſter!
Noch ſeyd Jhr ſicher; noch iſts nicht ſo weit
Mit ihm. Jhr ſeht; er iſt ſo ziemlich noch
Jm Stande. Nur der eine Zipfel da
Hat einen garſtgen Fleck; er iſt verſengt.
Und das bekam er, als ich eure Tochter
Durchs Feuer trug.
Nathan.
(der nach dem Zipfel greift und ihn betrachtet.)
Es iſt doch ſonderbar,
Daß ſo ein boͤſer Fleck, daß ſo ein Brandmahl
Dem Mann ein beſſres Zeugniß redet, als
Sein eigner Mund. Jch moͤcht ihn kuͤſſen gleich —
Den Flecken! — Ah, verzeiht! — Jch that es ungern.
Tempelherr.
Was?
Nathan.
Eine Thraͤne fiel darauf.
Tempelherr.
Thut nichts!
Er hat der Tropfen mehr. — (Bald aber faͤngt
Mich dieſer Jnd’ an zu verwirren.)
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Zitationshilfe: | Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/88>, abgerufen am 22.07.2024. |