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Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779.

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Auch nicht zu sehn verlangt', es wäre denn,
Daß er zum zweyten Mahl es retten sollte --
Denn gnug, es ist ein Mensch ...
Daja.
Hört auf, und seht!
Nathan.
Der, der hat sterbend sich zu laben, nichts --
Als das Bewußtseyn dieser That!
Daja.
Hört auf!
Jhr tödtet sie!
Nathan.
Und du hast ihn getödtet! --
Hättst so ihn tödten können. -- Recha! Recha!
Es ist Arzney, nicht Gift, was ich dir reiche.
Er lebt! -- komm zu dir! -- ist auch wohl nicht krank;
Nicht einmahl krank!
Recha.
Gewiß? -- nicht todt? nicht krank?
Nathan.
Gewiß, nicht todt! Denn Gott lohnt Gutes, hier
Gethan, auch hier noch. -- Geh! -- Begreifst du aber,
Wie viel andächtig schwärmen leichter, als
Gut handeln ist? wie gern der schlaffste Mensch
Andächtig schwärmt, um nur, -- ist er zu Zeiten
Sich schon der Absicht deutlich nicht bewußt --
Um nur gut handeln nicht zu dürfen?

Recha.
B 3
Auch nicht zu ſehn verlangt’, es waͤre denn,
Daß er zum zweyten Mahl es retten ſollte —
Denn gnug, es iſt ein Menſch ...
Daja.
Hoͤrt auf, und ſeht!
Nathan.
Der, der hat ſterbend ſich zu laben, nichts —
Als das Bewußtſeyn dieſer That!
Daja.
Hoͤrt auf!
Jhr toͤdtet ſie!
Nathan.
Und du haſt ihn getoͤdtet! —
Haͤttſt ſo ihn toͤdten koͤnnen. — Recha! Recha!
Es iſt Arzney, nicht Gift, was ich dir reiche.
Er lebt! — komm zu dir! — iſt auch wohl nicht krank;
Nicht einmahl krank!
Recha.
Gewiß? — nicht todt? nicht krank?
Nathan.
Gewiß, nicht todt! Denn Gott lohnt Gutes, hier
Gethan, auch hier noch. — Geh! — Begreifſt du aber,
Wie viel andaͤchtig ſchwaͤrmen leichter, als
Gut handeln iſt? wie gern der ſchlaffſte Menſch
Andaͤchtig ſchwaͤrmt, um nur, — iſt er zu Zeiten
Sich ſchon der Abſicht deutlich nicht bewußt —
Um nur gut handeln nicht zu duͤrfen?

Recha.
B 3
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[21/0029] Auch nicht zu ſehn verlangt’, es waͤre denn, Daß er zum zweyten Mahl es retten ſollte — Denn gnug, es iſt ein Menſch ... Daja. Hoͤrt auf, und ſeht! Nathan. Der, der hat ſterbend ſich zu laben, nichts — Als das Bewußtſeyn dieſer That! Daja. Hoͤrt auf! Jhr toͤdtet ſie! Nathan. Und du haſt ihn getoͤdtet! — Haͤttſt ſo ihn toͤdten koͤnnen. — Recha! Recha! Es iſt Arzney, nicht Gift, was ich dir reiche. Er lebt! — komm zu dir! — iſt auch wohl nicht krank; Nicht einmahl krank! Recha. Gewiß? — nicht todt? nicht krank? Nathan. Gewiß, nicht todt! Denn Gott lohnt Gutes, hier Gethan, auch hier noch. — Geh! — Begreifſt du aber, Wie viel andaͤchtig ſchwaͤrmen leichter, als Gut handeln iſt? wie gern der ſchlaffſte Menſch Andaͤchtig ſchwaͤrmt, um nur, — iſt er zu Zeiten Sich ſchon der Abſicht deutlich nicht bewußt — Um nur gut handeln nicht zu duͤrfen? Recha. B 3

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/29>, abgerufen am 22.11.2024.