Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779. Tempelherr. (gelassen) Jch fühle Des Vorwurfs ganze Last, -- die Saladin Jn diese Sylbe preßt! Ah, wenn ich wüßte, Wie Assad, -- Assad sich an meiner Stelle Hierbey genommen hätte! Saladin. Nicht viel besser! -- Vermuthlich, ganz so brausend! -- Doch, wer hat Denn dich auch schon gelehrt, mich so wie er Mit Einem Worte zu bestechen? Freylich Wenn alles sich verhält, wie du mir sagest: Kann ich mich selber kaum in Nathan finden. -- Jndeß, er ist mein Freund, und meiner Freunde Muß keiner mit dem andern hadern. -- Laß Dich weisen! Geh behutsam! Gieb ihn nicht Sofort den Schwärmern deines Pöbels Preis! Verschweig, was deine Geistlichkeit, an ihm Zu rächen, mir so nahe legen würde! Sey keinem Juden, keinem Muselmanne Zum Trotz ein Christ! Tempelherr. Bald wärs damit zu spät! Doch Dank der Blutbegier des Patriarchen, Deß Werkzeug mir zu werden graute! Saladin. Wie? Du
Tempelherr. (gelaſſen) Jch fuͤhle Des Vorwurfs ganze Laſt, — die Saladin Jn dieſe Sylbe preßt! Ah, wenn ich wuͤßte, Wie Aſſad, — Aſſad ſich an meiner Stelle Hierbey genommen haͤtte! Saladin. Nicht viel beſſer! — Vermuthlich, ganz ſo brauſend! — Doch, wer hat Denn dich auch ſchon gelehrt, mich ſo wie er Mit Einem Worte zu beſtechen? Freylich Wenn alles ſich verhaͤlt, wie du mir ſageſt: Kann ich mich ſelber kaum in Nathan finden. — Jndeß, er iſt mein Freund, und meiner Freunde Muß keiner mit dem andern hadern. — Laß Dich weiſen! Geh behutſam! Gieb ihn nicht Sofort den Schwaͤrmern deines Poͤbels Preis! Verſchweig, was deine Geiſtlichkeit, an ihm Zu raͤchen, mir ſo nahe legen wuͤrde! Sey keinem Juden, keinem Muſelmanne Zum Trotz ein Chriſt! Tempelherr. Bald waͤrs damit zu ſpaͤt! Doch Dank der Blutbegier des Patriarchen, Deß Werkzeug mir zu werden graute! Saladin. Wie? Du
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Jch fuͤhle
Des Vorwurfs ganze Laſt, — die Saladin
Jn dieſe Sylbe preßt! Ah, wenn ich wuͤßte,
Wie Aſſad, — Aſſad ſich an meiner Stelle
Hierbey genommen haͤtte!
Saladin.
Nicht viel beſſer! —
Vermuthlich, ganz ſo brauſend! — Doch, wer hat
Denn dich auch ſchon gelehrt, mich ſo wie er
Mit Einem Worte zu beſtechen? Freylich
Wenn alles ſich verhaͤlt, wie du mir ſageſt:
Kann ich mich ſelber kaum in Nathan finden. —
Jndeß, er iſt mein Freund, und meiner Freunde
Muß keiner mit dem andern hadern. — Laß
Dich weiſen! Geh behutſam! Gieb ihn nicht
Sofort den Schwaͤrmern deines Poͤbels Preis!
Verſchweig, was deine Geiſtlichkeit, an ihm
Zu raͤchen, mir ſo nahe legen wuͤrde!
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Zitationshilfe: | Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/180>, abgerufen am 25.07.2024. |