Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
Nicht horchen lassen! -- Zu ihr! zu ihr! -- Denn
Wie soll ich alles das ihr nun erzählen?

(ab von der andern Seite.)
Siebender Auftritt.
(Die Scene: unter den Palmen, in der Nähe des Klosters,
wo der Tempelherr Nathans wartet.)
Der Tempelherr.
(Geht, mit sich selbst kämpfend, auf und ab; bis er
losbricht.)

-- Hier hält das Opferthier ermüdet still. --
Nun gut! Jch mag nicht, mag nicht näher wissen,
Was in mir vorgeht; mag voraus nicht wittern,
Was vorgehn wird. -- Genug, ich bin umsonst
Geflohn! umsonst. -- Und weiter konnt' ich doch
Auch nichts, als fliehn? -- Nun komm', was kommen soll! --
Jhm auszubeugen, war der Streich zu schnell
Gefallen; unter den zu kommen, ich
So lang und viel mich weigerte. -- Sie sehn,
Die ich zu sehn so wenig lüstern war, --
Sie sehn, und der Entschluß, sie wieder aus
Den Augen nie zu lassen. -- Was Entschluß?
Entschluß ist Vorsatz, That: und ich, ich litt'
Jch litte blos. -- Sie sehn, und das Gefühl
An sie verstrickt, in sie verwebt zu seyn,
War eins. -- Bleibt eins. -- Von ihr getrennt
Zu
J 2
Nicht horchen laſſen! — Zu ihr! zu ihr! — Denn
Wie ſoll ich alles das ihr nun erzaͤhlen?

(ab von der andern Seite.)
Siebender Auftritt.
(Die Scene: unter den Palmen, in der Naͤhe des Kloſters,
wo der Tempelherr Nathans wartet.)
Der Tempelherr.
(Geht, mit ſich ſelbſt kaͤmpfend, auf und ab; bis er
losbricht.)

— Hier haͤlt das Opferthier ermuͤdet ſtill. —
Nun gut! Jch mag nicht, mag nicht naͤher wiſſen,
Was in mir vorgeht; mag voraus nicht wittern,
Was vorgehn wird. — Genug, ich bin umſonſt
Geflohn! umſonſt. — Und weiter konnt’ ich doch
Auch nichts, als fliehn? — Nun komm’, was kommen ſoll! —
Jhm auszubeugen, war der Streich zu ſchnell
Gefallen; unter den zu kommen, ich
So lang und viel mich weigerte. — Sie ſehn,
Die ich zu ſehn ſo wenig luͤſtern war, —
Sie ſehn, und der Entſchluß, ſie wieder aus
Den Augen nie zu laſſen. — Was Entſchluß?
Entſchluß iſt Vorſatz, That: und ich, ich litt’
Jch litte blos. — Sie ſehn, und das Gefuͤhl
An ſie verſtrickt, in ſie verwebt zu ſeyn,
War eins. — Bleibt eins. — Von ihr getrennt
Zu
J 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#SAL">
              <p><pb facs="#f0139" n="131"/>
Nicht horchen la&#x017F;&#x017F;en! &#x2014; Zu ihr! zu ihr! &#x2014; Denn<lb/>
Wie &#x017F;oll ich alles das ihr nun erza&#x0364;hlen?</p><lb/>
              <stage>(ab von der andern Seite.)</stage>
            </sp>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#g">Siebender Auftritt.</hi> </hi> </head><lb/>
            <stage>(Die Scene: unter den Palmen, in der Na&#x0364;he des Klo&#x017F;ters,<lb/>
wo der Tempelherr Nathans wartet.)</stage><lb/>
            <sp who="#TEM">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#g">Der Tempelherr.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <stage>(Geht, mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ka&#x0364;mpfend, auf und ab; bis er<lb/>
losbricht.)</stage><lb/>
              <p>&#x2014; Hier ha&#x0364;lt das Opferthier ermu&#x0364;det &#x017F;till. &#x2014;<lb/>
Nun gut! Jch mag nicht, mag nicht na&#x0364;her wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
Was in mir vorgeht; mag voraus nicht wittern,<lb/>
Was vorgehn wird. &#x2014; Genug, ich bin um&#x017F;on&#x017F;t<lb/>
Geflohn! um&#x017F;on&#x017F;t. &#x2014; Und weiter <hi rendition="#g">konnt&#x2019;</hi> ich doch<lb/>
Auch nichts, als fliehn? &#x2014; Nun komm&#x2019;, was kommen &#x017F;oll! &#x2014;<lb/>
Jhm auszubeugen, war der Streich zu &#x017F;chnell<lb/>
Gefallen; unter den zu kommen, ich<lb/>
So lang und viel mich weigerte. &#x2014; Sie &#x017F;ehn,<lb/>
Die ich zu &#x017F;ehn &#x017F;o wenig lu&#x0364;&#x017F;tern war, &#x2014;<lb/>
Sie &#x017F;ehn, und der Ent&#x017F;chluß, &#x017F;ie wieder aus<lb/>
Den Augen nie zu la&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Was Ent&#x017F;chluß?<lb/>
Ent&#x017F;chluß i&#x017F;t Vor&#x017F;atz, That: und ich, ich litt&#x2019;<lb/>
Jch litte blos. &#x2014; Sie &#x017F;ehn, und das Gefu&#x0364;hl<lb/>
An &#x017F;ie ver&#x017F;trickt, in &#x017F;ie verwebt zu &#x017F;eyn,<lb/>
War eins. &#x2014; Bleibt eins. &#x2014; Von ihr getrennt<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Zu</fw><lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0139] Nicht horchen laſſen! — Zu ihr! zu ihr! — Denn Wie ſoll ich alles das ihr nun erzaͤhlen? (ab von der andern Seite.) Siebender Auftritt. (Die Scene: unter den Palmen, in der Naͤhe des Kloſters, wo der Tempelherr Nathans wartet.) Der Tempelherr. (Geht, mit ſich ſelbſt kaͤmpfend, auf und ab; bis er losbricht.) — Hier haͤlt das Opferthier ermuͤdet ſtill. — Nun gut! Jch mag nicht, mag nicht naͤher wiſſen, Was in mir vorgeht; mag voraus nicht wittern, Was vorgehn wird. — Genug, ich bin umſonſt Geflohn! umſonſt. — Und weiter konnt’ ich doch Auch nichts, als fliehn? — Nun komm’, was kommen ſoll! — Jhm auszubeugen, war der Streich zu ſchnell Gefallen; unter den zu kommen, ich So lang und viel mich weigerte. — Sie ſehn, Die ich zu ſehn ſo wenig luͤſtern war, — Sie ſehn, und der Entſchluß, ſie wieder aus Den Augen nie zu laſſen. — Was Entſchluß? Entſchluß iſt Vorſatz, That: und ich, ich litt’ Jch litte blos. — Sie ſehn, und das Gefuͤhl An ſie verſtrickt, in ſie verwebt zu ſeyn, War eins. — Bleibt eins. — Von ihr getrennt Zu J 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/139
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/139>, abgerufen am 23.11.2024.