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Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767.

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Minna von Barnhelm,


Vertrauen, Franciska; ich glaube, der Mann
ist ein Verschwender.
Franciska. Noch eins, gnädiges Fräulein.
Jch habe ihn auch sehr oft der Treue und Bestän-
digkeit gegen Sie erwähnen hören. Wie, wenn
der Herr auch ein Flattergeist wäre?
Das Fräulein. Du Unglückliche! -- Aber
meynest du das im Ernste, Franciska?
Franciska. Wie lange hat er Jhnen nun
schon nicht geschrieben?
Das Fräulein. Ach! seit dem Frieden hat er
mir nur ein einzigesmal geschrieben.
Franciska. Auch ein Seufzer wider den Frie-
den! Wunderbar! der Friede sollte nur das Böse
wieder gut machen, das der Krieg gestiftet, und
er zerrüttet auch das Gute, was dieser sein Ge-
genpart etwa noch veranlasset hat. Der Friede
sollte so eigensinnig nicht seyn! -- Und wie lange
haben wir schon Friede? Die Zeit wird einem ge-
waltig lang, wenn es so wenig Neuigkeiten giebt. --
Umsonst gehen die Posten wieder richtig; niemand
schreibt; denn niemand hat was zu schreiben.

Das
Minna von Barnhelm,


Vertrauen, Franciska; ich glaube, der Mann
iſt ein Verſchwender.
Franciska. Noch eins, gnaͤdiges Fraͤulein.
Jch habe ihn auch ſehr oft der Treue und Beſtaͤn-
digkeit gegen Sie erwaͤhnen hoͤren. Wie, wenn
der Herr auch ein Flattergeiſt waͤre?
Das Fraͤulein. Du Ungluͤckliche! — Aber
meyneſt du das im Ernſte, Franciska?
Franciska. Wie lange hat er Jhnen nun
ſchon nicht geſchrieben?
Das Fraͤulein. Ach! ſeit dem Frieden hat er
mir nur ein einzigesmal geſchrieben.
Franciska. Auch ein Seufzer wider den Frie-
den! Wunderbar! der Friede ſollte nur das Boͤſe
wieder gut machen, das der Krieg geſtiftet, und
er zerruͤttet auch das Gute, was dieſer ſein Ge-
genpart etwa noch veranlaſſet hat. Der Friede
ſollte ſo eigenſinnig nicht ſeyn! — Und wie lange
haben wir ſchon Friede? Die Zeit wird einem ge-
waltig lang, wenn es ſo wenig Neuigkeiten giebt. —
Umſonſt gehen die Poſten wieder richtig; niemand
ſchreibt; denn niemand hat was zu ſchreiben.

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[42/0046] Minna von Barnhelm, Vertrauen, Franciska; ich glaube, der Mann iſt ein Verſchwender. Franciska. Noch eins, gnaͤdiges Fraͤulein. Jch habe ihn auch ſehr oft der Treue und Beſtaͤn- digkeit gegen Sie erwaͤhnen hoͤren. Wie, wenn der Herr auch ein Flattergeiſt waͤre? Das Fraͤulein. Du Ungluͤckliche! — Aber meyneſt du das im Ernſte, Franciska? Franciska. Wie lange hat er Jhnen nun ſchon nicht geſchrieben? Das Fraͤulein. Ach! ſeit dem Frieden hat er mir nur ein einzigesmal geſchrieben. Franciska. Auch ein Seufzer wider den Frie- den! Wunderbar! der Friede ſollte nur das Boͤſe wieder gut machen, das der Krieg geſtiftet, und er zerruͤttet auch das Gute, was dieſer ſein Ge- genpart etwa noch veranlaſſet hat. Der Friede ſollte ſo eigenſinnig nicht ſeyn! — Und wie lange haben wir ſchon Friede? Die Zeit wird einem ge- waltig lang, wenn es ſo wenig Neuigkeiten giebt. — Umſonſt gehen die Poſten wieder richtig; niemand ſchreibt; denn niemand hat was zu ſchreiben. Das

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767/46>, abgerufen am 19.04.2024.