Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.Wohl liegt darinn, welche der Dichter auch in der So viel ist wahr: wenn aus einem Erfahrungs- Bild, K 4
Wohl liegt darinn, welche der Dichter auch in der So viel iſt wahr: wenn aus einem Erfahrungs- Bild, K 4
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Wohl liegt darinn, welche der Dichter auch in der
Fabel auszudrücken gehalten wäre?
So viel iſt wahr: wenn aus einem Erfahrungs-
ſatze unmittelbar eine Pflicht, etwas zu thun oder
zu laſſen, folget; ſo thut der Dichter beſſer, wenn
er die Pflicht, als wenn er den bloſſen Erfahrungs-
ſatz in ſeiner Fabel ausdrückt. — „Groß ſeyn, iſt
„nicht immer ein Glück“ — Dieſen Erfahrungsſatz
in eine ſchöne Fabel zu bringen, möchte kaum mög-
lich ſeyn. Die obige Fabel von dem Fiſcher, wel-
cher nur der größten Fiſche habhaft bleibet, indem
die kleinern glücklich durch das Netz durchſchlupfen,
iſt, in mehr als einer Betrachtung, ein ſehr mißlun-
gener Verſuch. Aber wer heißt auch dem Dichter,
die Wahrheit von dieſer ſchielenden und unfrucht-
baren Seite nehmen? Wenn groß ſeyn nicht immer
ein Glück iſt, ſo iſt es oft in Unglück; und wehe
dem, der wider ſeinen Willen groß ward, den das
Glück ohne ſeine Zuthun erhob, um ihn ohne ſein
Verſchulden deſto elender zu machen! Die großen
Fiſche mußten groß werden; es ſtand nicht bey ihnen,
klein zu bleiben. Ich danke dem Dichter für kein
Bild,
K 4
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