gends Handlung sehen, als wo die Körper so thätig sind, daß sie eine gewisse Veränderung des Rau- mes erfordern. Sie finden in keinem Trauerspiele Handlung, als wo der Liebhaber zu Füssen fällt, die Prinzessin ohnmächtig wird, die Helden sich palgen; und in keiner Fabel, als wo der Fuchs springt, der Wolf zerreisset, und der Frosch die Maus sich an das Bein bindet. Es hat ihnen nie beyfallen wollen, daß auch jeder innere Kampf von Leidenschaften, jede Folge von verschiedenen Ge- danken, wo eine die andere aufhebt, eine Handlung sey; vielleicht weil sie viel zu mechanisch denken und sühlen, als daß sie sich irgend einer Thätigkeit dabey bewußt wären. -- Ernsthafter sie zu widerlegen, würde eine unnütze Mühe seyn. Es ist aber nur Schade, daß sie sich einigermassen mit dem Bat- teux schützen, wenigstens behaupten können, ihre Erklärung mit ihm aus einerley Fabeln abstrahiret zu haben. Denn wirklich, auf welche Fabel die Er- klärung des Batteux passet, passet auch ihre, so abgeschmackt sie immer ist.
Batteux,
K 2
gends Handlung ſehen, als wo die Körper ſo thätig ſind, daß ſie eine gewiſſe Veränderung des Rau- mes erfordern. Sie finden in keinem Trauerſpiele Handlung, als wo der Liebhaber zu Füſſen fällt, die Prinzeſſin ohnmächtig wird, die Helden ſich palgen; und in keiner Fabel, als wo der Fuchs ſpringt, der Wolf zerreiſſet, und der Froſch die Maus ſich an das Bein bindet. Es hat ihnen nie beyfallen wollen, daß auch jeder innere Kampf von Leidenſchaften, jede Folge von verſchiedenen Ge- danken, wo eine die andere aufhebt, eine Handlung ſey; vielleicht weil ſie viel zu mechaniſch denken und ſühlen, als daß ſie ſich irgend einer Thätigkeit dabey bewußt wären. — Ernſthafter ſie zu widerlegen, würde eine unnütze Mühe ſeyn. Es iſt aber nur Schade, daß ſie ſich einigermaſſen mit dem Bat- teux ſchützen, wenigſtens behaupten können, ihre Erklärung mit ihm aus einerley Fabeln abſtrahiret zu haben. Denn wirklich, auf welche Fabel die Er- klärung des Batteux paſſet, paſſet auch ihre, ſo abgeſchmackt ſie immer iſt.
Batteux,
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gends Handlung ſehen, als wo die Körper ſo thätig
ſind, daß ſie eine gewiſſe Veränderung des Rau-
mes erfordern. Sie finden in keinem Trauerſpiele
Handlung, als wo der Liebhaber zu Füſſen fällt,
die Prinzeſſin ohnmächtig wird, die Helden ſich
palgen; und in keiner Fabel, als wo der Fuchs
ſpringt, der Wolf zerreiſſet, und der Froſch die
Maus ſich an das Bein bindet. Es hat ihnen nie
beyfallen wollen, daß auch jeder innere Kampf von
Leidenſchaften, jede Folge von verſchiedenen Ge-
danken, wo eine die andere aufhebt, eine Handlung
ſey; vielleicht weil ſie viel zu mechaniſch denken und
ſühlen, als daß ſie ſich irgend einer Thätigkeit dabey
bewußt wären. — Ernſthafter ſie zu widerlegen,
würde eine unnütze Mühe ſeyn. Es iſt aber nur
Schade, daß ſie ſich einigermaſſen mit dem Bat-
teux ſchützen, wenigſtens behaupten können, ihre
Erklärung mit ihm aus einerley Fabeln abſtrahiret
zu haben. Denn wirklich, auf welche Fabel die Er-
klärung des Batteux paſſet, paſſet auch ihre, ſo
abgeſchmackt ſie immer iſt.
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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/167>, abgerufen am 16.02.2025.
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