Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
Emilia Galotti.


Höflichkeit wird in ihr zur Empfindung; eine
Schmeicheley zur Betheurung; ein Einfall zum
Wunsche; ein Wunsch zum Vorsatze. Nichts
klingt in dieser Sprache wie Alles: und Alles ist
in ihr so viel als Nichts.
Emilia. O meine Mutter! -- so müßte ich
mir mit meiner Furcht vollends läch erlich vorkom-
men! -- Nun soll er gewiß nichts davon erfahren,
mein guter Appiani! Er könnte mich leicht für
mehr eitel, als tugendhaft, halten. -- Huy! daß
er da selbst kömmt! Es ist sein Gang.
Siebenter Auftritt.
Graf Appiani. Die Vorigen.
Appiani. (tritt tieffinnig, mit vor sich hingeschla-
genen Augen herein, und kömmt näher, ohne sie zu erblicken;
bis Emilia ihm entgegen springt.)
Ah, meine Theuer-
ste! -- Jch war mir Sie in dem Vorzimmer
nicht vermuthend.
Amilia. Jch wünschte Sie heiter, Herr
Graf, auch wo Sie mich nicht vermuthen. --
So feyerlich? so ernsthaft? -- Jst dieser Tag
keiner freudigern Aufwallung werth?
Appia-
D 2
Emilia Galotti.


Hoͤflichkeit wird in ihr zur Empfindung; eine
Schmeicheley zur Betheurung; ein Einfall zum
Wunſche; ein Wunſch zum Vorſatze. Nichts
klingt in dieſer Sprache wie Alles: und Alles iſt
in ihr ſo viel als Nichts.
Emilia. O meine Mutter! — ſo muͤßte ich
mir mit meiner Furcht vollends laͤch erlich vorkom-
men! — Nun ſoll er gewiß nichts davon erfahren,
mein guter Appiani! Er koͤnnte mich leicht fuͤr
mehr eitel, als tugendhaft, halten. — Huy! daß
er da ſelbſt koͤmmt! Es iſt ſein Gang.
Siebenter Auftritt.
Graf Appiani. Die Vorigen.
Appiani. (tritt tieffinnig, mit vor ſich hingeſchla-
genen Augen herein, und koͤmmt naͤher, ohne ſie zu erblicken;
bis Emilia ihm entgegen ſpringt.)
Ah, meine Theuer-
ſte! — Jch war mir Sie in dem Vorzimmer
nicht vermuthend.
Amilia. Jch wuͤnſchte Sie heiter, Herr
Graf, auch wo Sie mich nicht vermuthen. —
So feyerlich? ſo ernſthaft? — Jſt dieſer Tag
keiner freudigern Aufwallung werth?
Appia-
D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#CLA">
            <p><pb facs="#f0055" n="51"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Emilia Galotti</hi>.</fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Ho&#x0364;flichkeit wird in ihr zur Empfindung; eine<lb/>
Schmeicheley zur Betheurung; ein Einfall zum<lb/>
Wun&#x017F;che; ein Wun&#x017F;ch zum Vor&#x017F;atze. Nichts<lb/>
klingt in die&#x017F;er Sprache wie Alles: und Alles i&#x017F;t<lb/>
in ihr &#x017F;o viel als Nichts.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMI">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Emilia.</hi> </speaker>
            <p>O meine Mutter! &#x2014; &#x017F;o mu&#x0364;ßte ich<lb/>
mir mit meiner Furcht vollends la&#x0364;ch erlich vorkom-<lb/>
men! &#x2014; Nun &#x017F;oll er gewiß nichts davon erfahren,<lb/>
mein guter Appiani! Er ko&#x0364;nnte mich leicht fu&#x0364;r<lb/>
mehr eitel, als tugendhaft, halten. &#x2014; Huy! daß<lb/>
er da &#x017F;elb&#x017F;t ko&#x0364;mmt! Es i&#x017F;t &#x017F;ein Gang.</p>
          </sp>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Siebenter Auftritt.</hi> </head><lb/>
          <stage> <hi rendition="#c">Graf Appiani. Die Vorigen.</hi> </stage><lb/>
          <sp who="#APP">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Appiani.</hi> </speaker>
            <p><stage>(tritt tieffinnig, mit vor &#x017F;ich hinge&#x017F;chla-<lb/>
genen Augen herein, und ko&#x0364;mmt na&#x0364;her, ohne &#x017F;ie zu erblicken;<lb/>
bis Emilia ihm entgegen &#x017F;pringt.)</stage> Ah, meine Theuer-<lb/>
&#x017F;te! &#x2014; Jch war mir Sie in dem Vorzimmer<lb/>
nicht vermuthend.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#AMI">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Amilia.</hi> </speaker>
            <p>Jch wu&#x0364;n&#x017F;chte Sie heiter, Herr<lb/>
Graf, auch wo Sie mich nicht vermuthen. &#x2014;<lb/>
So feyerlich? &#x017F;o ern&#x017F;thaft? &#x2014; J&#x017F;t die&#x017F;er Tag<lb/>
keiner freudigern Aufwallung werth?</p>
          </sp><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">D 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Appia-</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0055] Emilia Galotti. Hoͤflichkeit wird in ihr zur Empfindung; eine Schmeicheley zur Betheurung; ein Einfall zum Wunſche; ein Wunſch zum Vorſatze. Nichts klingt in dieſer Sprache wie Alles: und Alles iſt in ihr ſo viel als Nichts. Emilia. O meine Mutter! — ſo muͤßte ich mir mit meiner Furcht vollends laͤch erlich vorkom- men! — Nun ſoll er gewiß nichts davon erfahren, mein guter Appiani! Er koͤnnte mich leicht fuͤr mehr eitel, als tugendhaft, halten. — Huy! daß er da ſelbſt koͤmmt! Es iſt ſein Gang. Siebenter Auftritt. Graf Appiani. Die Vorigen. Appiani. (tritt tieffinnig, mit vor ſich hingeſchla- genen Augen herein, und koͤmmt naͤher, ohne ſie zu erblicken; bis Emilia ihm entgegen ſpringt.) Ah, meine Theuer- ſte! — Jch war mir Sie in dem Vorzimmer nicht vermuthend. Amilia. Jch wuͤnſchte Sie heiter, Herr Graf, auch wo Sie mich nicht vermuthen. — So feyerlich? ſo ernſthaft? — Jſt dieſer Tag keiner freudigern Aufwallung werth? Appia- D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/55
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/55>, abgerufen am 24.11.2024.