Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
Emilia Galotti.


Emilia. Mein Vater hier? -- und wollte
mich nicht erwarten?
Claudia. Wenn du in deiner Verwirrung
auch ihn das hättest hören lassen!
Emilia. Nun, meine Mutter? -- Was
hätt' er an mir strafbares finden können?
Claudia. Nichts; eben so wenig, als an mir.
Und doch, doch -- Ha, du kennest deinen Vater
nicht! Jn seinem Zorne hätt' er den unschuldigen
Gegenstand des Verbrechens mit dem Verbrecher
verwechselt. Jn seiner Wuthätt' ich ihm geschie-
nen, das veranlaßt zu haben, was ich weder ver-
hindern, noch vorhersehen können. -- Aber wei-
ter, meine Tochter, weiter! Als du den Prinzen
erkanntest -- Jch will hoffen, daß du deiner mäch-
tig genug warest, ihm in Einem Blicke alle die
Verachtung zu bezeigen, die er verdienet.
Emilia. Das war ich nicht, meine Mutter!
Nach dem Blicke, mit dem ich ihn erkannte, hatt'
ich nicht das Herz, einen zweyten auf ihn zu rich-
ten. Jch floh' --
Claudia. Und der Prinz dir nach --
Emilia.
Emilia Galotti.


Emilia. Mein Vater hier? — und wollte
mich nicht erwarten?
Claudia. Wenn du in deiner Verwirrung
auch ihn das haͤtteſt hoͤren laſſen!
Emilia. Nun, meine Mutter? — Was
haͤtt’ er an mir ſtrafbares finden koͤnnen?
Claudia. Nichts; eben ſo wenig, als an mir.
Und doch, doch — Ha, du kenneſt deinen Vater
nicht! Jn ſeinem Zorne haͤtt’ er den unſchuldigen
Gegenſtand des Verbrechens mit dem Verbrecher
verwechſelt. Jn ſeiner Wuthaͤtt’ ich ihm geſchie-
nen, das veranlaßt zu haben, was ich weder ver-
hindern, noch vorherſehen koͤnnen. — Aber wei-
ter, meine Tochter, weiter! Als du den Prinzen
erkannteſt — Jch will hoffen, daß du deiner maͤch-
tig genug wareſt, ihm in Einem Blicke alle die
Verachtung zu bezeigen, die er verdienet.
Emilia. Das war ich nicht, meine Mutter!
Nach dem Blicke, mit dem ich ihn erkannte, hatt’
ich nicht das Herz, einen zweyten auf ihn zu rich-
ten. Jch floh’ —
Claudia. Und der Prinz dir nach —
Emilia.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0051" n="47"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Emilia Galotti</hi>.</fw><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <sp who="#EMI">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Emilia.</hi> </speaker>
            <p>Mein Vater hier? &#x2014; und wollte<lb/>
mich nicht erwarten?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#CLA">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Claudia.</hi> </speaker>
            <p>Wenn du in deiner Verwirrung<lb/>
auch ihn das ha&#x0364;tte&#x017F;t ho&#x0364;ren la&#x017F;&#x017F;en!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMI">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Emilia.</hi> </speaker>
            <p>Nun, meine Mutter? &#x2014; Was<lb/>
ha&#x0364;tt&#x2019; er an mir &#x017F;trafbares finden ko&#x0364;nnen?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#CLA">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Claudia.</hi> </speaker>
            <p>Nichts; eben &#x017F;o wenig, als an mir.<lb/>
Und doch, doch &#x2014; Ha, du kenne&#x017F;t deinen Vater<lb/>
nicht! Jn &#x017F;einem Zorne ha&#x0364;tt&#x2019; er den un&#x017F;chuldigen<lb/>
Gegen&#x017F;tand des Verbrechens mit dem Verbrecher<lb/>
verwech&#x017F;elt. Jn &#x017F;einer Wutha&#x0364;tt&#x2019; ich ihm ge&#x017F;chie-<lb/>
nen, das veranlaßt zu haben, was ich weder ver-<lb/>
hindern, noch vorher&#x017F;ehen ko&#x0364;nnen. &#x2014; Aber wei-<lb/>
ter, meine Tochter, weiter! Als du den Prinzen<lb/>
erkannte&#x017F;t &#x2014; Jch will hoffen, daß du deiner ma&#x0364;ch-<lb/>
tig genug ware&#x017F;t, ihm in Einem Blicke alle die<lb/>
Verachtung zu bezeigen, die er verdienet.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMI">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Emilia.</hi> </speaker>
            <p>Das war ich nicht, meine Mutter!<lb/>
Nach dem Blicke, mit dem ich ihn erkannte, hatt&#x2019;<lb/>
ich nicht das Herz, einen zweyten auf ihn zu rich-<lb/>
ten. Jch floh&#x2019; &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#CLA">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Claudia.</hi> </speaker>
            <p>Und der Prinz dir nach &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Emilia.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0051] Emilia Galotti. Emilia. Mein Vater hier? — und wollte mich nicht erwarten? Claudia. Wenn du in deiner Verwirrung auch ihn das haͤtteſt hoͤren laſſen! Emilia. Nun, meine Mutter? — Was haͤtt’ er an mir ſtrafbares finden koͤnnen? Claudia. Nichts; eben ſo wenig, als an mir. Und doch, doch — Ha, du kenneſt deinen Vater nicht! Jn ſeinem Zorne haͤtt’ er den unſchuldigen Gegenſtand des Verbrechens mit dem Verbrecher verwechſelt. Jn ſeiner Wuthaͤtt’ ich ihm geſchie- nen, das veranlaßt zu haben, was ich weder ver- hindern, noch vorherſehen koͤnnen. — Aber wei- ter, meine Tochter, weiter! Als du den Prinzen erkannteſt — Jch will hoffen, daß du deiner maͤch- tig genug wareſt, ihm in Einem Blicke alle die Verachtung zu bezeigen, die er verdienet. Emilia. Das war ich nicht, meine Mutter! Nach dem Blicke, mit dem ich ihn erkannte, hatt’ ich nicht das Herz, einen zweyten auf ihn zu rich- ten. Jch floh’ — Claudia. Und der Prinz dir nach — Emilia.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/51
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/51>, abgerufen am 21.11.2024.