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Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.

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Emilia Galotti.


Vierter Auftritt.
Der Prinz. Conti, mit den Gemälden, wo-
von er das eine verwandt gegen einen
Stuhl lehnet.
Conti. (indem er das andere zurecht stellet.) Jch
bitte, Prinz, daß Sie die Gränzen unserer Kunst
erwägen wollen. Vieles von dem Anzüglichsten
der Schönheit liegt ganz außer den Gränzen der-
selben. -- Treten Sie so! --
Der Prinz (nach einer kurzen Betrachtung.) Vor-
trefflich, Conti; -- ganz vortrefflich! -- Das
gilt ihrer Kunst, Jhrem Pinsel. -- Aber ge-
schmeichelt, Conti; ganz unendlich geschmeichelt!
Conti. Das Original schien dieser Meynung
nicht zu seyn. Auch ist es in der That nicht mehr
geschmeichelt, als die Kunst schmeicheln muß. Die
Kunst muß malen, wie sich die plastische Natur, --
wenn es eine giebt -- das Bild dachte: ohne den
Abfall, welchen der widerstrebende Stoff unver-
meidlich macht; ohne das Verderb, mit welchem
die Zeit dagegen an kämpfet.
Der
Emilia Galotti.


Vierter Auftritt.
Der Prinz. Conti, mit den Gemaͤlden, wo-
von er das eine verwandt gegen einen
Stuhl lehnet.
Conti. (indem er das andere zurecht ſtellet.) Jch
bitte, Prinz, daß Sie die Graͤnzen unſerer Kunſt
erwaͤgen wollen. Vieles von dem Anzuͤglichſten
der Schoͤnheit liegt ganz außer den Graͤnzen der-
ſelben. — Treten Sie ſo! —
Der Prinz (nach einer kurzen Betrachtung.) Vor-
trefflich, Conti; — ganz vortrefflich! — Das
gilt ihrer Kunſt, Jhrem Pinſel. — Aber ge-
ſchmeichelt, Conti; ganz unendlich geſchmeichelt!
Conti. Das Original ſchien dieſer Meynung
nicht zu ſeyn. Auch iſt es in der That nicht mehr
geſchmeichelt, als die Kunſt ſchmeicheln muß. Die
Kunſt muß malen, wie ſich die plaſtiſche Natur, —
wenn es eine giebt — das Bild dachte: ohne den
Abfall, welchen der widerſtrebende Stoff unver-
meidlich macht; ohne das Verderb, mit welchem
die Zeit dagegen an kaͤmpfet.
Der
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[8/0012] Emilia Galotti. Vierter Auftritt. Der Prinz. Conti, mit den Gemaͤlden, wo- von er das eine verwandt gegen einen Stuhl lehnet. Conti. (indem er das andere zurecht ſtellet.) Jch bitte, Prinz, daß Sie die Graͤnzen unſerer Kunſt erwaͤgen wollen. Vieles von dem Anzuͤglichſten der Schoͤnheit liegt ganz außer den Graͤnzen der- ſelben. — Treten Sie ſo! — Der Prinz (nach einer kurzen Betrachtung.) Vor- trefflich, Conti; — ganz vortrefflich! — Das gilt ihrer Kunſt, Jhrem Pinſel. — Aber ge- ſchmeichelt, Conti; ganz unendlich geſchmeichelt! Conti. Das Original ſchien dieſer Meynung nicht zu ſeyn. Auch iſt es in der That nicht mehr geſchmeichelt, als die Kunſt ſchmeicheln muß. Die Kunſt muß malen, wie ſich die plaſtiſche Natur, — wenn es eine giebt — das Bild dachte: ohne den Abfall, welchen der widerſtrebende Stoff unver- meidlich macht; ohne das Verderb, mit welchem die Zeit dagegen an kaͤmpfet. Der

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/12>, abgerufen am 29.03.2024.