Sie sagt blos, Blanca suche sich zu verheyra- then, und da sie hierauf sich mit einem Manne, dessen Stand so weit über den ihrigen erhaben sey, doch keine Rechnung machen könne, so durfte sie schwerlich seiner Liebe Gehör geben. -- (Man erwartet, daß der Herzog auf diesen Ein- wurf die Lauterkeit seiner Absichten betheuern werde: aber davon kein Wort! Die Spanier sind in diesem Punkte lange so strenge und deli- kat nicht, als die Franzosen.) Er hat einen Brief an die Blanca geschrieben, den Flora übergeben soll. Er wünscht, es selbst mit an- zusehen, was dieser Brief für Eindruck auf sie machen werde. Er schenkt Floren eine güldne Kette, und Flora versteckt ihn in eine anstoßende Gallerie, indem Blanca mit Cosme hereintritt, welcher ihr die Ankunft seines Herrn meldet.
Essex kömmt. Nach den zärtlichsten Bewill- kommungen der Blanca, nach den theuersten Versicherungen des Grafen, wie sehr er ihrer Liebe sich würdig zu zeigen wünsche, müssen sich Flora und Cosme entfernen, und Blanca bleibt mit dem Grafen allein. Sie erinnert ihn, mit welchem Eifer und mit welcher Standhaftigkeit er sich um ihre Liebe beworben habe. Nachdem sie ihm drey Jahre widerstanden, habe sie end- lich sich ihm ergeben, und ihn, unter Versiche- rung sie zu heyrathen, zum Eigenthümer ihrer
Ehre
Sie ſagt blos, Blanca ſuche ſich zu verheyra- then, und da ſie hierauf ſich mit einem Manne, deſſen Stand ſo weit über den ihrigen erhaben ſey, doch keine Rechnung machen könne, ſo durfte ſie ſchwerlich ſeiner Liebe Gehör geben. — (Man erwartet, daß der Herzog auf dieſen Ein- wurf die Lauterkeit ſeiner Abſichten betheuern werde: aber davon kein Wort! Die Spanier ſind in dieſem Punkte lange ſo ſtrenge und deli- kat nicht, als die Franzoſen.) Er hat einen Brief an die Blanca geſchrieben, den Flora übergeben ſoll. Er wünſcht, es ſelbſt mit an- zuſehen, was dieſer Brief für Eindruck auf ſie machen werde. Er ſchenkt Floren eine güldne Kette, und Flora verſteckt ihn in eine anſtoßende Gallerie, indem Blanca mit Coſme hereintritt, welcher ihr die Ankunft ſeines Herrn meldet.
Eſſex kömmt. Nach den zärtlichſten Bewill- kommungen der Blanca, nach den theuerſten Verſicherungen des Grafen, wie ſehr er ihrer Liebe ſich würdig zu zeigen wünſche, müſſen ſich Flora und Coſme entfernen, und Blanca bleibt mit dem Grafen allein. Sie erinnert ihn, mit welchem Eifer und mit welcher Standhaftigkeit er ſich um ihre Liebe beworben habe. Nachdem ſie ihm drey Jahre widerſtanden, habe ſie end- lich ſich ihm ergeben, und ihn, unter Verſiche- rung ſie zu heyrathen, zum Eigenthümer ihrer
Ehre
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0069"n="63"/>
Sie ſagt blos, Blanca ſuche ſich zu verheyra-<lb/>
then, und da ſie hierauf ſich mit einem Manne,<lb/>
deſſen Stand ſo weit über den ihrigen erhaben<lb/>ſey, doch keine Rechnung machen könne, ſo<lb/>
durfte ſie ſchwerlich ſeiner Liebe Gehör geben. —<lb/>
(Man erwartet, daß der Herzog auf dieſen Ein-<lb/>
wurf die Lauterkeit ſeiner Abſichten betheuern<lb/>
werde: aber davon kein Wort! Die Spanier<lb/>ſind in dieſem Punkte lange ſo ſtrenge und deli-<lb/>
kat nicht, als die Franzoſen.) Er hat einen<lb/>
Brief an die Blanca geſchrieben, den Flora<lb/>
übergeben ſoll. Er wünſcht, es ſelbſt mit an-<lb/>
zuſehen, was dieſer Brief für Eindruck auf ſie<lb/>
machen werde. Er ſchenkt Floren eine güldne<lb/>
Kette, und Flora verſteckt ihn in eine anſtoßende<lb/>
Gallerie, indem Blanca mit Coſme hereintritt,<lb/>
welcher ihr die Ankunft ſeines Herrn meldet.</p><lb/><p>Eſſex kömmt. Nach den zärtlichſten Bewill-<lb/>
kommungen der Blanca, nach den theuerſten<lb/>
Verſicherungen des Grafen, wie ſehr er ihrer<lb/>
Liebe ſich würdig zu zeigen wünſche, müſſen ſich<lb/>
Flora und Coſme entfernen, und Blanca bleibt<lb/>
mit dem Grafen allein. Sie erinnert ihn, mit<lb/>
welchem Eifer und mit welcher Standhaftigkeit<lb/>
er ſich um ihre Liebe beworben habe. Nachdem<lb/>ſie ihm drey Jahre widerſtanden, habe ſie end-<lb/>
lich ſich ihm ergeben, und ihn, unter Verſiche-<lb/>
rung ſie zu heyrathen, zum Eigenthümer ihrer<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ehre</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[63/0069]
Sie ſagt blos, Blanca ſuche ſich zu verheyra-
then, und da ſie hierauf ſich mit einem Manne,
deſſen Stand ſo weit über den ihrigen erhaben
ſey, doch keine Rechnung machen könne, ſo
durfte ſie ſchwerlich ſeiner Liebe Gehör geben. —
(Man erwartet, daß der Herzog auf dieſen Ein-
wurf die Lauterkeit ſeiner Abſichten betheuern
werde: aber davon kein Wort! Die Spanier
ſind in dieſem Punkte lange ſo ſtrenge und deli-
kat nicht, als die Franzoſen.) Er hat einen
Brief an die Blanca geſchrieben, den Flora
übergeben ſoll. Er wünſcht, es ſelbſt mit an-
zuſehen, was dieſer Brief für Eindruck auf ſie
machen werde. Er ſchenkt Floren eine güldne
Kette, und Flora verſteckt ihn in eine anſtoßende
Gallerie, indem Blanca mit Coſme hereintritt,
welcher ihr die Ankunft ſeines Herrn meldet.
Eſſex kömmt. Nach den zärtlichſten Bewill-
kommungen der Blanca, nach den theuerſten
Verſicherungen des Grafen, wie ſehr er ihrer
Liebe ſich würdig zu zeigen wünſche, müſſen ſich
Flora und Coſme entfernen, und Blanca bleibt
mit dem Grafen allein. Sie erinnert ihn, mit
welchem Eifer und mit welcher Standhaftigkeit
er ſich um ihre Liebe beworben habe. Nachdem
ſie ihm drey Jahre widerſtanden, habe ſie end-
lich ſich ihm ergeben, und ihn, unter Verſiche-
rung ſie zu heyrathen, zum Eigenthümer ihrer
Ehre
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/69>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.