[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].
eben so rechtschaffen zu finden, als tapfer ich ihn kenne! Rutland. O, nähre diese günstige Gedan- ke! Deine königliche Seele kann keine gerechtere hägen. -- Rechtschaffen! So wirst Du ihn gewiß finden. Ich wollte für ihn schwören; bey aller Deiner Herrlichkeit für ihn schwören, daß er es nie aufgehöret zu seyn. Seine Seele ist reiner als die Sonne, die Flecken hat, und irrdische Dünste an sich ziehet, und Geschmeiß ausbrütet. -- Du sagst, er ist tapfer; und wer sagt es nicht? Aber ein tapferer Mann ist keiner Niederträchtigkeit fä- hig. Bedenke, wie er die Rebellen gezüchtiget; wie furchtbar er Dich dem Spanier gemacht, der vergebens die Schätze seiner Indien wider Dich verschwendete. Sein Name floh vor Deinen Flot- ten und Völkern vorher, und ehe diese noch eintra- fen, hatte öfters schon sein Name gesiegt. Die Königinn. (bey Seite) Wie beredt sie ist! -- Ha! dieses Feuer, diese Innigkeit, -- das bloße Mitleid gehet so weit nicht. -- Ich will es gleich hören! -- (zu ihr) Und dann, Rutland, seine Gestalt -- Rutland. Recht, Königinn; seine Gestalt. -- Nie hat eine Gestalt den innern Vollkommenheiten mehr entsprochen! -- Bekenn es, Du, die Du selbst so schön bist, daß man nie einen schönern Mann gesehen! So würdig, so edel, so kühn und gebietherisch die Bildung! Jedes Glied, in welcher Har-
eben ſo rechtſchaffen zu finden, als tapfer ich ihn kenne! Rutland. O, nähre dieſe günſtige Gedan- ke! Deine königliche Seele kann keine gerechtere hägen. — Rechtſchaffen! So wirſt Du ihn gewiß finden. Ich wollte für ihn ſchwören; bey aller Deiner Herrlichkeit für ihn ſchwören, daß er es nie aufgehöret zu ſeyn. Seine Seele iſt reiner als die Sonne, die Flecken hat, und irrdiſche Dünſte an ſich ziehet, und Geſchmeiß ausbrütet. — Du ſagſt, er iſt tapfer; und wer ſagt es nicht? Aber ein tapferer Mann iſt keiner Niederträchtigkeit fä- hig. Bedenke, wie er die Rebellen gezüchtiget; wie furchtbar er Dich dem Spanier gemacht, der vergebens die Schätze ſeiner Indien wider Dich verſchwendete. Sein Name floh vor Deinen Flot- ten und Völkern vorher, und ehe dieſe noch eintra- fen, hatte öfters ſchon ſein Name geſiegt. Die Königinn. (bey Seite) Wie beredt ſie iſt! — Ha! dieſes Feuer, dieſe Innigkeit, — das bloße Mitleid gehet ſo weit nicht. — Ich will es gleich hören! — (zu ihr) Und dann, Rutland, ſeine Geſtalt — Rutland. Recht, Königinn; ſeine Geſtalt. — Nie hat eine Geſtalt den innern Vollkommenheiten mehr entſprochen! — Bekenn es, Du, die Du ſelbſt ſo ſchön biſt, daß man nie einen ſchönern Mann geſehen! So würdig, ſo edel, ſo kühn und gebietheriſch die Bildung! Jedes Glied, in welcher Har-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp> <p><pb facs="#f0052" n="46"/> eben ſo rechtſchaffen zu finden, als tapfer ich ihn<lb/> kenne!</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Rutland</hi>.</speaker> <p>O, nähre dieſe günſtige Gedan-<lb/> ke! Deine königliche Seele kann keine gerechtere<lb/> hägen. — Rechtſchaffen! So wirſt Du ihn gewiß<lb/> finden. Ich wollte für ihn ſchwören; bey aller<lb/> Deiner Herrlichkeit für ihn ſchwören, daß er es<lb/> nie aufgehöret zu ſeyn. Seine Seele iſt reiner als<lb/> die Sonne, die Flecken hat, und irrdiſche Dünſte<lb/> an ſich ziehet, und Geſchmeiß ausbrütet. — Du<lb/> ſagſt, er iſt tapfer; und wer ſagt es nicht? Aber<lb/> ein tapferer Mann iſt keiner Niederträchtigkeit fä-<lb/> hig. Bedenke, wie er die Rebellen gezüchtiget;<lb/> wie furchtbar er Dich dem Spanier gemacht, der<lb/> vergebens die Schätze ſeiner Indien wider Dich<lb/> verſchwendete. Sein Name floh vor Deinen Flot-<lb/> ten und Völkern vorher, und ehe dieſe noch eintra-<lb/> fen, hatte öfters ſchon ſein Name geſiegt.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Die Königinn</hi>.</speaker> <stage>(bey Seite)</stage> <p>Wie beredt ſie<lb/> iſt! — Ha! dieſes Feuer, dieſe Innigkeit, — das<lb/> bloße Mitleid gehet ſo weit nicht. — Ich will es<lb/> gleich hören! — <stage>(zu ihr)</stage> Und dann, Rutland,<lb/> ſeine Geſtalt —</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Rutland</hi>.</speaker> <p>Recht, Königinn; ſeine Geſtalt. —<lb/> Nie hat eine Geſtalt den innern Vollkommenheiten<lb/> mehr entſprochen! — Bekenn es, Du, die Du<lb/> ſelbſt ſo ſchön biſt, daß man nie einen ſchönern<lb/> Mann geſehen! So würdig, ſo edel, ſo kühn und<lb/> gebietheriſch die Bildung! Jedes Glied, in welcher<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Har-</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [46/0052]
eben ſo rechtſchaffen zu finden, als tapfer ich ihn
kenne!
Rutland. O, nähre dieſe günſtige Gedan-
ke! Deine königliche Seele kann keine gerechtere
hägen. — Rechtſchaffen! So wirſt Du ihn gewiß
finden. Ich wollte für ihn ſchwören; bey aller
Deiner Herrlichkeit für ihn ſchwören, daß er es
nie aufgehöret zu ſeyn. Seine Seele iſt reiner als
die Sonne, die Flecken hat, und irrdiſche Dünſte
an ſich ziehet, und Geſchmeiß ausbrütet. — Du
ſagſt, er iſt tapfer; und wer ſagt es nicht? Aber
ein tapferer Mann iſt keiner Niederträchtigkeit fä-
hig. Bedenke, wie er die Rebellen gezüchtiget;
wie furchtbar er Dich dem Spanier gemacht, der
vergebens die Schätze ſeiner Indien wider Dich
verſchwendete. Sein Name floh vor Deinen Flot-
ten und Völkern vorher, und ehe dieſe noch eintra-
fen, hatte öfters ſchon ſein Name geſiegt.
Die Königinn. (bey Seite) Wie beredt ſie
iſt! — Ha! dieſes Feuer, dieſe Innigkeit, — das
bloße Mitleid gehet ſo weit nicht. — Ich will es
gleich hören! — (zu ihr) Und dann, Rutland,
ſeine Geſtalt —
Rutland. Recht, Königinn; ſeine Geſtalt. —
Nie hat eine Geſtalt den innern Vollkommenheiten
mehr entſprochen! — Bekenn es, Du, die Du
ſelbſt ſo ſchön biſt, daß man nie einen ſchönern
Mann geſehen! So würdig, ſo edel, ſo kühn und
gebietheriſch die Bildung! Jedes Glied, in welcher
Har-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |