Volk, dieses erste Volk in der Welt, wie es sich selbst sehr bescheiden zu nennen pflegt, in allem, was gut und schön und erhaben und an- ständig ist, von dem gerechten Schicksale zu sei- nem Antheile erhalten hat. --
Doch dieser Locus communis ist so abgedro- schen, und die nähere Anwendung desselben könnte leicht so bitter werden, daß ich lieber da- von abbreche.
Jch war also genöthiget, anstatt der Schrit- te, welche die Kunst des dramatischen Dichters hier wirklich könnte gethan haben, mich bey de- nen zu verweilen, die sie vorläufig thun müßte, um sodann mit eins ihre Bahn mit desto schnel- lern und größern zu durchlaufen. Es waren die Schritte, welche ein Jrrender zurückgehen muß, um wieder auf den rechten Weg zu gelan- gen, und sein Ziel gerade in das Auge zu be- kommen.
Seines Fleißes darf sich jedermann rühmen: ich glaube, die dramatische Dichtkunst studiert zu haben; sie mehr studiert zu haben, als zwan- zig, die sie ausüben. Auch habe ich sie so weit ausgeübet, als es nöthig ist, um mitsprechen zu dürfen: denn ich weiß wohl, so wie der Mahler sich von niemanden gern tadeln läßt, der den Pinsel ganz und gar nicht zu führen weiß, so auch der Dichter. Jch habe es wenigstens ver- sucht, was er bewerkstelligen muß, und kann
von
Volk, dieſes erſte Volk in der Welt, wie es ſich ſelbſt ſehr beſcheiden zu nennen pflegt, in allem, was gut und ſchön und erhaben und an- ſtändig iſt, von dem gerechten Schickſale zu ſei- nem Antheile erhalten hat. —
Doch dieſer Locus communis iſt ſo abgedro- ſchen, und die nähere Anwendung deſſelben könnte leicht ſo bitter werden, daß ich lieber da- von abbreche.
Jch war alſo genöthiget, anſtatt der Schrit- te, welche die Kunſt des dramatiſchen Dichters hier wirklich könnte gethan haben, mich bey de- nen zu verweilen, die ſie vorläufig thun müßte, um ſodann mit eins ihre Bahn mit deſto ſchnel- lern und größern zu durchlaufen. Es waren die Schritte, welche ein Jrrender zurückgehen muß, um wieder auf den rechten Weg zu gelan- gen, und ſein Ziel gerade in das Auge zu be- kommen.
Seines Fleißes darf ſich jedermann rühmen: ich glaube, die dramatiſche Dichtkunſt ſtudiert zu haben; ſie mehr ſtudiert zu haben, als zwan- zig, die ſie ausüben. Auch habe ich ſie ſo weit ausgeübet, als es nöthig iſt, um mitſprechen zu dürfen: denn ich weiß wohl, ſo wie der Mahler ſich von niemanden gern tadeln läßt, der den Pinſel ganz und gar nicht zu führen weiß, ſo auch der Dichter. Jch habe es wenigſtens ver- ſucht, was er bewerkſtelligen muß, und kann
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Volk, dieſes erſte Volk in der Welt, wie es
ſich ſelbſt ſehr beſcheiden zu nennen pflegt, in
allem, was gut und ſchön und erhaben und an-
ſtändig iſt, von dem gerechten Schickſale zu ſei-
nem Antheile erhalten hat. —
Doch dieſer Locus communis iſt ſo abgedro-
ſchen, und die nähere Anwendung deſſelben
könnte leicht ſo bitter werden, daß ich lieber da-
von abbreche.
Jch war alſo genöthiget, anſtatt der Schrit-
te, welche die Kunſt des dramatiſchen Dichters
hier wirklich könnte gethan haben, mich bey de-
nen zu verweilen, die ſie vorläufig thun müßte,
um ſodann mit eins ihre Bahn mit deſto ſchnel-
lern und größern zu durchlaufen. Es waren
die Schritte, welche ein Jrrender zurückgehen
muß, um wieder auf den rechten Weg zu gelan-
gen, und ſein Ziel gerade in das Auge zu be-
kommen.
Seines Fleißes darf ſich jedermann rühmen:
ich glaube, die dramatiſche Dichtkunſt ſtudiert
zu haben; ſie mehr ſtudiert zu haben, als zwan-
zig, die ſie ausüben. Auch habe ich ſie ſo weit
ausgeübet, als es nöthig iſt, um mitſprechen zu
dürfen: denn ich weiß wohl, ſo wie der Mahler
ſich von niemanden gern tadeln läßt, der den
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auch der Dichter. Jch habe es wenigſtens ver-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/401>, abgerufen am 22.11.2024.
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