Beste auch nicht einmal in allen Suppen oben- auf zu schwimmen pflegt. Meine erste Gedan- ken sind gewiß kein Haar besser, als Jedermanns erste Gedanken: und mit Jedermanns Gedan- ken bleibt man am klügsten zu Hause.
-- Endlich fiel man darauf, selbst das, was mich zu einem so langsamen, oder, wie es mei- nen rüstigern Freunden scheinet, so faulen Ar- beiter macht, selbst das, an mir nutzen zu wol- len: die Critik. Und so entsprang die Jdee zu diesem Blatte.
Sie gefiel mir, diese Jdee. Sie erinnerte mich an die Didaskalien der Griechen, d. i. an die kurzen Nachrichten, dergleichen selbst Ari- stoteles von den Stücken der griechischen Bühne zu schreiben der Mühe werth gehalten. Sie erinnerte mich, vor langer Zeit einmal über den grundgelehrten Casaubonus bey mir gelacht zu haben, der sich, aus wahrer Hochachtung für das Solide in den Wissenschaften, einbildete, daß es dem Aristoteles vornehmlich um die Be- richtigung der Chronologie bey seinen Didaska- lien zu thun gewesen. (*) -- Wahrhaftig, es
wäre
(*)(Animadv. in Athenaeum Libr. VI. cap. 7.) Di[fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt]a[fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt]kalia accipitur pro eo scripto, quo explicatur ubi, quando, quomodo & quo eventu fabula aliqua fuerit acta. -- Quan- tum critici hac diligentia veteres chrono- logos adjuverint, soli aestimabunt illi, qui
no-
Beſte auch nicht einmal in allen Suppen oben- auf zu ſchwimmen pflegt. Meine erſte Gedan- ken ſind gewiß kein Haar beſſer, als Jedermanns erſte Gedanken: und mit Jedermanns Gedan- ken bleibt man am klügſten zu Hauſe.
— Endlich fiel man darauf, ſelbſt das, was mich zu einem ſo langſamen, oder, wie es mei- nen rüſtigern Freunden ſcheinet, ſo faulen Ar- beiter macht, ſelbſt das, an mir nutzen zu wol- len: die Critik. Und ſo entſprang die Jdee zu dieſem Blatte.
Sie gefiel mir, dieſe Jdee. Sie erinnerte mich an die Didaskalien der Griechen, d. i. an die kurzen Nachrichten, dergleichen ſelbſt Ari- ſtoteles von den Stücken der griechiſchen Bühne zu ſchreiben der Mühe werth gehalten. Sie erinnerte mich, vor langer Zeit einmal über den grundgelehrten Caſaubonus bey mir gelacht zu haben, der ſich, aus wahrer Hochachtung für das Solide in den Wiſſenſchaften, einbildete, daß es dem Ariſtoteles vornehmlich um die Be- richtigung der Chronologie bey ſeinen Didaska- lien zu thun geweſen. (*) — Wahrhaftig, es
wäre
(*)(Animadv. in Athenæum Libr. VI. cap. 7.) Δι[fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt]α[fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt]καλια accipitur pro eo ſcripto, quo explicatur ubi, quando, quomodo & quo eventu fabula aliqua fuerit acta. — Quan- tum critici hac diligentia veteres chrono- logos adjuverint, ſoli æſtimabunt illi, qui
no-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0396"n="390"/>
Beſte auch nicht einmal in allen Suppen oben-<lb/>
auf zu ſchwimmen pflegt. Meine erſte Gedan-<lb/>
ken ſind gewiß kein Haar beſſer, als Jedermanns<lb/>
erſte Gedanken: und mit Jedermanns Gedan-<lb/>
ken bleibt man am klügſten zu Hauſe.</p><lb/><p>— Endlich fiel man darauf, ſelbſt das, was<lb/>
mich zu einem ſo langſamen, oder, wie es mei-<lb/>
nen rüſtigern Freunden ſcheinet, ſo faulen Ar-<lb/>
beiter macht, ſelbſt das, an mir nutzen zu wol-<lb/>
len: die Critik. Und ſo entſprang die Jdee zu<lb/>
dieſem Blatte.</p><lb/><p>Sie gefiel mir, dieſe Jdee. Sie erinnerte<lb/>
mich an die Didaskalien der Griechen, d. i. an<lb/>
die kurzen Nachrichten, dergleichen ſelbſt Ari-<lb/>ſtoteles von den Stücken der griechiſchen Bühne<lb/>
zu ſchreiben der Mühe werth gehalten. Sie<lb/>
erinnerte mich, vor langer Zeit einmal über den<lb/>
grundgelehrten Caſaubonus bey mir gelacht zu<lb/>
haben, der ſich, aus wahrer Hochachtung für<lb/>
das Solide in den Wiſſenſchaften, einbildete,<lb/>
daß es dem Ariſtoteles vornehmlich um die Be-<lb/>
richtigung der Chronologie bey ſeinen Didaska-<lb/>
lien zu thun geweſen. <notexml:id="seg2pn_33_1"next="#seg2pn_33_2"place="foot"n="(*)"><cit><quote><hirendition="#aq">(Animadv. in Athenæum Libr. VI. cap.</hi> 7.)<lb/>Δι<gapreason="fm"unit="chars"quantity="1"/>α<gapreason="fm"unit="chars"quantity="1"/>καλια<hirendition="#aq">accipitur pro eo ſcripto, quo<lb/>
explicatur ubi, quando, quomodo & quo<lb/>
eventu fabula aliqua fuerit acta. — Quan-<lb/>
tum critici hac diligentia veteres chrono-<lb/>
logos adjuverint, ſoli æſtimabunt illi, qui</hi></quote><bibl/></cit><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">no-</hi></fw></note>— Wahrhaftig, es<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wäre</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[390/0396]
Beſte auch nicht einmal in allen Suppen oben-
auf zu ſchwimmen pflegt. Meine erſte Gedan-
ken ſind gewiß kein Haar beſſer, als Jedermanns
erſte Gedanken: und mit Jedermanns Gedan-
ken bleibt man am klügſten zu Hauſe.
— Endlich fiel man darauf, ſelbſt das, was
mich zu einem ſo langſamen, oder, wie es mei-
nen rüſtigern Freunden ſcheinet, ſo faulen Ar-
beiter macht, ſelbſt das, an mir nutzen zu wol-
len: die Critik. Und ſo entſprang die Jdee zu
dieſem Blatte.
Sie gefiel mir, dieſe Jdee. Sie erinnerte
mich an die Didaskalien der Griechen, d. i. an
die kurzen Nachrichten, dergleichen ſelbſt Ari-
ſtoteles von den Stücken der griechiſchen Bühne
zu ſchreiben der Mühe werth gehalten. Sie
erinnerte mich, vor langer Zeit einmal über den
grundgelehrten Caſaubonus bey mir gelacht zu
haben, der ſich, aus wahrer Hochachtung für
das Solide in den Wiſſenſchaften, einbildete,
daß es dem Ariſtoteles vornehmlich um die Be-
richtigung der Chronologie bey ſeinen Didaska-
lien zu thun geweſen. (*) — Wahrhaftig, es
wäre
(*) (Animadv. in Athenæum Libr. VI. cap. 7.)
Δι_α_καλια accipitur pro eo ſcripto, quo
explicatur ubi, quando, quomodo & quo
eventu fabula aliqua fuerit acta. — Quan-
tum critici hac diligentia veteres chrono-
logos adjuverint, ſoli æſtimabunt illi, qui
no-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/396>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.