Leben alle Beschäftigungen sehr gleichgültig ge- wesen: ich habe mich nie zu einer gedrungen, oder nur erboten; aber auch die geringfügigste nicht von der Hand gewiesen, zu der ich mich aus einer Art von Prädilection erlesen zu seyn, glauben konnte.
Ob ich zur Aufnahme des hiesigen Theaters concurriren wolle? darauf war also leicht ge- antwortet. Alle Bedenklichkeiten waren nur die: ob ich es könne? und wie ich es am besten könne?
Jch bin weder Schauspieler, noch Dichter.
Man erweiset mir zwar manchmal die Ehre, mich für den letztern zu erkennen. Aber nur, weil man mich verkennt. Aus einigen drama- tischen Versuchen, die ich gewagt habe, sollte man nicht so freygebig folgern. Nicht jeder, der den Pinsel in die Hand nimt, und Farben verquistet, ist ein Mahler. Die ältesten von jenen Versuchen sind in den Jahren hingeschrie- ben, in welchen man Lust und Leichtigkeit so gern für Genie hält. Was in den neuerern er- trägliches ist, davon bin ich mir sehr bewußt, daß ich es einzig und allein der Critik zu verdan- ken habe. Jch fühle die lebendige Quelle nicht in mir, die durch eigene Kraft sich empor arbei- tet, durch eigene Kraft in so reichen, so frischen, so reinen Strahlen aufschießt: ich muß alles durch Druckwerk und Röhren aus mir herauf
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Leben alle Beſchäftigungen ſehr gleichgültig ge- weſen: ich habe mich nie zu einer gedrungen, oder nur erboten; aber auch die geringfügigſte nicht von der Hand gewieſen, zu der ich mich aus einer Art von Prädilection erleſen zu ſeyn, glauben konnte.
Ob ich zur Aufnahme des hieſigen Theaters concurriren wolle? darauf war alſo leicht ge- antwortet. Alle Bedenklichkeiten waren nur die: ob ich es könne? und wie ich es am beſten könne?
Jch bin weder Schauſpieler, noch Dichter.
Man erweiſet mir zwar manchmal die Ehre, mich für den letztern zu erkennen. Aber nur, weil man mich verkennt. Aus einigen drama- tiſchen Verſuchen, die ich gewagt habe, ſollte man nicht ſo freygebig folgern. Nicht jeder, der den Pinſel in die Hand nimt, und Farben verquiſtet, iſt ein Mahler. Die älteſten von jenen Verſuchen ſind in den Jahren hingeſchrie- ben, in welchen man Luſt und Leichtigkeit ſo gern für Genie hält. Was in den neuerern er- trägliches iſt, davon bin ich mir ſehr bewußt, daß ich es einzig und allein der Critik zu verdan- ken habe. Jch fühle die lebendige Quelle nicht in mir, die durch eigene Kraft ſich empor arbei- tet, durch eigene Kraft in ſo reichen, ſo friſchen, ſo reinen Strahlen aufſchießt: ich muß alles durch Druckwerk und Röhren aus mir herauf
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Leben alle Beſchäftigungen ſehr gleichgültig ge-
weſen: ich habe mich nie zu einer gedrungen,
oder nur erboten; aber auch die geringfügigſte
nicht von der Hand gewieſen, zu der ich mich
aus einer Art von Prädilection erleſen zu ſeyn,
glauben konnte.
Ob ich zur Aufnahme des hieſigen Theaters
concurriren wolle? darauf war alſo leicht ge-
antwortet. Alle Bedenklichkeiten waren nur
die: ob ich es könne? und wie ich es am beſten
könne?
Jch bin weder Schauſpieler, noch Dichter.
Man erweiſet mir zwar manchmal die Ehre,
mich für den letztern zu erkennen. Aber nur,
weil man mich verkennt. Aus einigen drama-
tiſchen Verſuchen, die ich gewagt habe, ſollte
man nicht ſo freygebig folgern. Nicht jeder,
der den Pinſel in die Hand nimt, und Farben
verquiſtet, iſt ein Mahler. Die älteſten von
jenen Verſuchen ſind in den Jahren hingeſchrie-
ben, in welchen man Luſt und Leichtigkeit ſo
gern für Genie hält. Was in den neuerern er-
trägliches iſt, davon bin ich mir ſehr bewußt,
daß ich es einzig und allein der Critik zu verdan-
ken habe. Jch fühle die lebendige Quelle nicht
in mir, die durch eigene Kraft ſich empor arbei-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/393>, abgerufen am 22.11.2024.
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