Demea, wie schon angemerkt, will im fünf- ten Akte dem Micio eine Lection nach sei- ner Art geben. Er stellt sich lustig, um die andern wahre Ausschweifungen und Toll- heiten begehen zu lassen; er spielt den Freygebi- gen, aber nicht aus seinem, sondern aus des Bruders Beutel; er möchte diesen lieber auf einmal ruiniren, um nur das boshafte Vergnü- gen zu haben, ihm am Ende sagen zu können: "Nun sieh, was du von deiner Gutherzigkeit hast!" So lange der ehrliche Micio nur von seinen Vermögen dabey zusetzt, lassen wir uns den hämischen Spaß ziemlich gefallen. Aber nun kömmt es dem Verräther gar ein, den guten Hagestolze mit einem alten verlebten Mütter- chen zu verkuppeln. Der bloße Einfall macht uns Anfangs zu lachen; wenn wir aber endlich sehen, daß es Ernst damit wird, daß sich Micio
wirk-
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Hamburgiſche Dramaturgie. Hundertſtes Stück.
Den 15ten April, 1768.
Demea, wie ſchon angemerkt, will im fünf- ten Akte dem Micio eine Lection nach ſei- ner Art geben. Er ſtellt ſich luſtig, um die andern wahre Ausſchweifungen und Toll- heiten begehen zu laſſen; er ſpielt den Freygebi- gen, aber nicht aus ſeinem, ſondern aus des Bruders Beutel; er möchte dieſen lieber auf einmal ruiniren, um nur das boshafte Vergnü- gen zu haben, ihm am Ende ſagen zu können: „Nun ſieh, was du von deiner Gutherzigkeit haſt!„ So lange der ehrliche Micio nur von ſeinen Vermögen dabey zuſetzt, laſſen wir uns den hämiſchen Spaß ziemlich gefallen. Aber nun kömmt es dem Verräther gar ein, den guten Hageſtolze mit einem alten verlebten Mütter- chen zu verkuppeln. Der bloße Einfall macht uns Anfangs zu lachen; wenn wir aber endlich ſehen, daß es Ernſt damit wird, daß ſich Micio
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[[377]/0383]
Hamburgiſche
Dramaturgie.
Hundertſtes Stück.
Den 15ten April, 1768.
Demea, wie ſchon angemerkt, will im fünf-
ten Akte dem Micio eine Lection nach ſei-
ner Art geben. Er ſtellt ſich luſtig, um
die andern wahre Ausſchweifungen und Toll-
heiten begehen zu laſſen; er ſpielt den Freygebi-
gen, aber nicht aus ſeinem, ſondern aus des
Bruders Beutel; er möchte dieſen lieber auf
einmal ruiniren, um nur das boshafte Vergnü-
gen zu haben, ihm am Ende ſagen zu können:
„Nun ſieh, was du von deiner Gutherzigkeit
haſt!„ So lange der ehrliche Micio nur von
ſeinen Vermögen dabey zuſetzt, laſſen wir uns
den hämiſchen Spaß ziemlich gefallen. Aber
nun kömmt es dem Verräther gar ein, den guten
Hageſtolze mit einem alten verlebten Mütter-
chen zu verkuppeln. Der bloße Einfall macht
uns Anfangs zu lachen; wenn wir aber endlich
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. [377]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/383>, abgerufen am 23.11.2024.
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