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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

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Noch eine einzige Kleinigkeit will ich erin-
nern, in welcher unser Verfasser sich, gleichfalls
zu seinem eigenem Nachtheile, von seinem Muster
entfernt hat.

Terenz sagt es selbst, daß er in die Brüder
des Menanders eine Episode aus einem Stücke
des Diphilus übergetragen, und so seine
Brüder zusammen gesetzt habe. Diese Epi-
sode ist die gewaltsame Entführung der Psal-
tria durch den Aeschinus: und das Stück des
Diphilus hieß, die mit einander Ster-
benden.

Synapothnescontes Diphili comoedia
est --
In Graeca adolescens est, qui lenoni
eripit
Meretricem in prima fabula -- --
-- -- eum hic locum sumpsit
sibi
In Adelphos
-- -- --

Nach diesen beiden Umständen zu urtheilen,
mochte Diphilus ein Paar Verliebte aufgefüh-
ret haben, die fest entschlossen waren, lieber mit
einander zu sterben, als sich trennen zu lassen:
und wer weis was geschehen wäre, wenn sich
gleichfalls nicht ein Freund ins Mittel geschla-
gen, und das Mädchen für den Liebhaber mit
Gewalt entführt hätte? Den Entschluß, mit

einan-

Noch eine einzige Kleinigkeit will ich erin-
nern, in welcher unſer Verfaſſer ſich, gleichfalls
zu ſeinem eigenem Nachtheile, von ſeinem Muſter
entfernt hat.

Terenz ſagt es ſelbſt, daß er in die Brüder
des Menanders eine Epiſode aus einem Stücke
des Diphilus übergetragen, und ſo ſeine
Brüder zuſammen geſetzt habe. Dieſe Epi-
ſode iſt die gewaltſame Entführung der Pſal-
tria durch den Aeſchinus: und das Stück des
Diphilus hieß, die mit einander Ster-
benden.

Synapothneſcontes Diphili comœdia
eſt —
In Græca adoleſcens eſt, qui lenoni
eripit
Meretricem in prima fabula — —
— — eum hic locum ſumpſit
ſibi
In Adelphos
— — —

Nach dieſen beiden Umſtänden zu urtheilen,
mochte Diphilus ein Paar Verliebte aufgefüh-
ret haben, die feſt entſchloſſen waren, lieber mit
einander zu ſterben, als ſich trennen zu laſſen:
und wer weis was geſchehen wäre, wenn ſich
gleichfalls nicht ein Freund ins Mittel geſchla-
gen, und das Mädchen für den Liebhaber mit
Gewalt entführt hätte? Den Entſchluß, mit

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[372/0378] Noch eine einzige Kleinigkeit will ich erin- nern, in welcher unſer Verfaſſer ſich, gleichfalls zu ſeinem eigenem Nachtheile, von ſeinem Muſter entfernt hat. Terenz ſagt es ſelbſt, daß er in die Brüder des Menanders eine Epiſode aus einem Stücke des Diphilus übergetragen, und ſo ſeine Brüder zuſammen geſetzt habe. Dieſe Epi- ſode iſt die gewaltſame Entführung der Pſal- tria durch den Aeſchinus: und das Stück des Diphilus hieß, die mit einander Ster- benden. Synapothneſcontes Diphili comœdia eſt — In Græca adoleſcens eſt, qui lenoni eripit Meretricem in prima fabula — — — — eum hic locum ſumpſit ſibi In Adelphos — — — Nach dieſen beiden Umſtänden zu urtheilen, mochte Diphilus ein Paar Verliebte aufgefüh- ret haben, die feſt entſchloſſen waren, lieber mit einander zu ſterben, als ſich trennen zu laſſen: und wer weis was geſchehen wäre, wenn ſich gleichfalls nicht ein Freund ins Mittel geſchla- gen, und das Mädchen für den Liebhaber mit Gewalt entführt hätte? Den Entſchluß, mit einan-

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/378>, abgerufen am 25.11.2024.