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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

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höchstens sagen, so viel möglich von Thorheiten
abzuhalten: wenn du aber findest, daß er durch-
aus darauf besteht, so entziehe dich ihm; denn
dein guter Name muß dir werther seyn, als
seiner."

Nur dem leiblichen Bruder verzeihen wir,
hierinn weiter zu gehen. Nur an leiblichen
Brüdern kann es uns freuen, wenn einer von
dem andern rühmet:

-- -- Illius opera nunc vivo!
Festivum caput,
Qui omnia sibi post putarit esse prae
meo commmodo:
Maledicta, famam, meum amorem &
peccatum in se transtulit.

Denn der brüderlichen Liebe wollen wir von der
Klugheit keine Grenzen gesetzt wissen. Zwar
ist es wahr, daß unser Verfasser seinem Aeschi-
nus die Thorheit überhaupt zu ersparen gewußt
hat, die der Aeschinus des Terenz für seinen
Bruder begehet. Eine gewaltsame Entführung
hat er [in] eine kleine Schlägerey verwandelt, an
welcher sein wohlgezogner Jüngling weiter kei-
nen Theil hat, als daß er sie gern verhindern
wollen. Aber gleichwohl läßt er diesen wohl-
gezognen Jüngling, für einen ungezognen Vetter
noch viel zu viel zu thun. Denn müßte es jener
wohl auf irgend eine Weise gestatten, daß dieser

ein

höchſtens ſagen, ſo viel möglich von Thorheiten
abzuhalten: wenn du aber findeſt, daß er durch-
aus darauf beſteht, ſo entziehe dich ihm; denn
dein guter Name muß dir werther ſeyn, als
ſeiner.„

Nur dem leiblichen Bruder verzeihen wir,
hierinn weiter zu gehen. Nur an leiblichen
Brüdern kann es uns freuen, wenn einer von
dem andern rühmet:

— — Illius opera nunc vivo!
Feſtivum caput,
Qui omnia ſibi poſt putarit eſſe præ
meo commmodo:
Maledicta, famam, meum amorem &
peccatum in ſe tranſtulit.

Denn der brüderlichen Liebe wollen wir von der
Klugheit keine Grenzen geſetzt wiſſen. Zwar
iſt es wahr, daß unſer Verfaſſer ſeinem Aeſchi-
nus die Thorheit überhaupt zu erſparen gewußt
hat, die der Aeſchinus des Terenz für ſeinen
Bruder begehet. Eine gewaltſame Entführung
hat er [in] eine kleine Schlägerey verwandelt, an
welcher ſein wohlgezogner Jüngling weiter kei-
nen Theil hat, als daß er ſie gern verhindern
wollen. Aber gleichwohl läßt er dieſen wohl-
gezognen Jüngling, für einen ungezognen Vetter
noch viel zu viel zu thun. Denn müßte es jener
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[362/0368] höchſtens ſagen, ſo viel möglich von Thorheiten abzuhalten: wenn du aber findeſt, daß er durch- aus darauf beſteht, ſo entziehe dich ihm; denn dein guter Name muß dir werther ſeyn, als ſeiner.„ Nur dem leiblichen Bruder verzeihen wir, hierinn weiter zu gehen. Nur an leiblichen Brüdern kann es uns freuen, wenn einer von dem andern rühmet: — — Illius opera nunc vivo! Feſtivum caput, Qui omnia ſibi poſt putarit eſſe præ meo commmodo: Maledicta, famam, meum amorem & peccatum in ſe tranſtulit. Denn der brüderlichen Liebe wollen wir von der Klugheit keine Grenzen geſetzt wiſſen. Zwar iſt es wahr, daß unſer Verfaſſer ſeinem Aeſchi- nus die Thorheit überhaupt zu erſparen gewußt hat, die der Aeſchinus des Terenz für ſeinen Bruder begehet. Eine gewaltſame Entführung hat er in eine kleine Schlägerey verwandelt, an welcher ſein wohlgezogner Jüngling weiter kei- nen Theil hat, als daß er ſie gern verhindern wollen. Aber gleichwohl läßt er dieſen wohl- gezognen Jüngling, für einen ungezognen Vetter noch viel zu viel zu thun. Denn müßte es jener wohl auf irgend eine Weiſe geſtatten, daß dieſer ein

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/368>, abgerufen am 06.05.2024.