lig machen; gleichwohl aber müsse das Wenige, was man von ihm zu zeigen für gut finde, nach dem Allgemeinen entworfen seyn, welches Ari- stoteles fordere. (*)
Und nun wäre die Frage, ob Diderot sich auch so verstanden wissen wolle? -- Warum nicht, wenn ihm daran gelegen wäre, sich nir- gends in Widerspruch mit dem Aristoteles finden zu lassen? Mir wenigstens, dem daran gelegen ist, daß zwey denkende Köpfe von der nehmli- chen Sache nicht Ja und Nein sagen, könnte es erlaubt seyn, ihm diese Auslegung unterzuschie- ben, ihm diese Ausflucht zu leihen.
Aber lieber von dieser Ausflucht selbst, ein Wort! -- Mich dünkt, es ist eine Ausflucht, und ist auch keine. Denn das Wort Allge- mein wird offenbar darinn in einer doppelten und ganz verschiedenen Bedeutung genommen. Die eine, in welcher es Hurd und Diderot von dem tragischen Charakter verneinen, ist nicht die nehmliche, in welcher es Hurd von ihm be- jaet. Freylich beruhet eben hierauf die Aus- flucht: aber wie, wenn die eine die andere schlechterdings ausschlösse?
Jn
(*)In calling the tragic character parti- cular, I suppose it only lefs repre- sentative of the kind than the comic; not that the draught of so much cha- racter as it is concerned to represent should not be general.
lig machen; gleichwohl aber müſſe das Wenige, was man von ihm zu zeigen für gut finde, nach dem Allgemeinen entworfen ſeyn, welches Ari- ſtoteles fordere. (*)
Und nun wäre die Frage, ob Diderot ſich auch ſo verſtanden wiſſen wolle? — Warum nicht, wenn ihm daran gelegen wäre, ſich nir- gends in Widerſpruch mit dem Ariſtoteles finden zu laſſen? Mir wenigſtens, dem daran gelegen iſt, daß zwey denkende Köpfe von der nehmli- chen Sache nicht Ja und Nein ſagen, könnte es erlaubt ſeyn, ihm dieſe Auslegung unterzuſchie- ben, ihm dieſe Ausflucht zu leihen.
Aber lieber von dieſer Ausflucht ſelbſt, ein Wort! — Mich dünkt, es iſt eine Ausflucht, und iſt auch keine. Denn das Wort Allge- mein wird offenbar darinn in einer doppelten und ganz verſchiedenen Bedeutung genommen. Die eine, in welcher es Hurd und Diderot von dem tragiſchen Charakter verneinen, iſt nicht die nehmliche, in welcher es Hurd von ihm be- jaet. Freylich beruhet eben hierauf die Aus- flucht: aber wie, wenn die eine die andere ſchlechterdings ausſchlöſſe?
Jn
(*)In calling the tragic character parti- cular, I ſuppoſe it only lefs repre- ſentative of the kind than the comic; not that the draught of ſo much cha- racter as it is concerned to repreſent ſhould not be general.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0348"n="342"/>
lig machen; gleichwohl aber müſſe das Wenige,<lb/>
was man von ihm zu zeigen für gut finde, nach<lb/>
dem Allgemeinen entworfen ſeyn, welches Ari-<lb/>ſtoteles fordere. <noteplace="foot"n="(*)"><cit><quote><hirendition="#aq">In calling the tragic character <hirendition="#g">parti-<lb/>
cular</hi>, I ſuppoſe it only <hirendition="#g">lefs repre-<lb/>ſentative</hi> of the kind than the comic;<lb/>
not that the draught of ſo much cha-<lb/>
racter as it is concerned to repreſent<lb/>ſhould not be <hirendition="#g">general</hi>.</hi></quote><bibl/></cit></note></p><lb/><p>Und nun wäre die Frage, ob Diderot ſich<lb/>
auch ſo verſtanden wiſſen wolle? — Warum<lb/>
nicht, wenn ihm daran gelegen wäre, ſich nir-<lb/>
gends in Widerſpruch mit dem Ariſtoteles finden<lb/>
zu laſſen? Mir wenigſtens, dem daran gelegen<lb/>
iſt, daß zwey denkende Köpfe von der nehmli-<lb/>
chen Sache nicht Ja und Nein ſagen, könnte es<lb/>
erlaubt ſeyn, ihm dieſe Auslegung unterzuſchie-<lb/>
ben, ihm dieſe Ausflucht zu leihen.</p><lb/><p>Aber lieber von dieſer Ausflucht ſelbſt, ein<lb/>
Wort! — Mich dünkt, es iſt eine Ausflucht,<lb/>
und iſt auch keine. Denn das Wort <hirendition="#g">Allge-<lb/>
mein</hi> wird offenbar darinn in einer doppelten<lb/>
und ganz verſchiedenen Bedeutung genommen.<lb/>
Die eine, in welcher es Hurd und Diderot von<lb/>
dem tragiſchen Charakter verneinen, iſt nicht<lb/>
die nehmliche, in welcher es Hurd von ihm be-<lb/>
jaet. Freylich beruhet eben hierauf die Aus-<lb/>
flucht: aber wie, wenn die eine die andere<lb/>ſchlechterdings ausſchlöſſe?</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jn</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[342/0348]
lig machen; gleichwohl aber müſſe das Wenige,
was man von ihm zu zeigen für gut finde, nach
dem Allgemeinen entworfen ſeyn, welches Ari-
ſtoteles fordere. (*)
Und nun wäre die Frage, ob Diderot ſich
auch ſo verſtanden wiſſen wolle? — Warum
nicht, wenn ihm daran gelegen wäre, ſich nir-
gends in Widerſpruch mit dem Ariſtoteles finden
zu laſſen? Mir wenigſtens, dem daran gelegen
iſt, daß zwey denkende Köpfe von der nehmli-
chen Sache nicht Ja und Nein ſagen, könnte es
erlaubt ſeyn, ihm dieſe Auslegung unterzuſchie-
ben, ihm dieſe Ausflucht zu leihen.
Aber lieber von dieſer Ausflucht ſelbſt, ein
Wort! — Mich dünkt, es iſt eine Ausflucht,
und iſt auch keine. Denn das Wort Allge-
mein wird offenbar darinn in einer doppelten
und ganz verſchiedenen Bedeutung genommen.
Die eine, in welcher es Hurd und Diderot von
dem tragiſchen Charakter verneinen, iſt nicht
die nehmliche, in welcher es Hurd von ihm be-
jaet. Freylich beruhet eben hierauf die Aus-
flucht: aber wie, wenn die eine die andere
ſchlechterdings ausſchlöſſe?
Jn
(*) In calling the tragic character parti-
cular, I ſuppoſe it only lefs repre-
ſentative of the kind than the comic;
not that the draught of ſo much cha-
racter as it is concerned to repreſent
ſhould not be general.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/348>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.