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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

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"raz (*) zwey Dinge: einmal, die Socra-
"tische Philosophie fleißig zu studieren; zwey-
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, sich um eine genaue Kenntniß des
"menschlichen Lebens zu bewerben. Jenes,
"weil es der eigenthümliche Vorzug dieser
"Schule ist, ad veritatem vitae propius
"accedere;
(**) dieses, um unserer Nachah-
"mung eine desto allgemeinere Aehnlichkeit er-
"theilen zu können. Sich hiervon zu überzeu-
"gen, darf man nur erwägen, daß man sich in
"Werken der Nachahmung an die Wahrheit
"zu genau halten kann; und dieses auf doppelte
"Weise. Denn entweder kann der Künstler,
"wenn er die Natur nachbilden will, sich zu
"ängstlich befleißigen, alle und jede Beson-
"derheiten
seines Gegenstandes anzudeuten,
"und so die allgemeine Jdee der Gattung
"auszudrücken verfehlen. Oder er kann, wenn
"er sich diese allgemeine Jdee zu ertheilen be-
"müht, sie aus zu vielen Fällen des wirkli-
"chen
Lebens, nach seinem weitesten Umfange,
"zusammen setzen; da er sie vielmehr von dem
"lautern Begriffe, der sich blos in der Vorstel-
"lung der Seele findet, hernehmen sollte. Die-
"ses letztere ist der allgemeine Tadel, womit die
"Schule der Niederländischen Mahler zu

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(*) De arte poet. v. 310. 317. 18.
(**) De Orat. I. 51.

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„tiſche Philoſophie fleißig zu ſtudieren; zwey-
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, ſich um eine genaue Kenntniß des
„menſchlichen Lebens zu bewerben. Jenes,
„weil es der eigenthümliche Vorzug dieſer
„Schule iſt, ad veritatem vitæ propius
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(**) dieſes, um unſerer Nachah-
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„theilen zu können. Sich hiervon zu überzeu-
„gen, darf man nur erwägen, daß man ſich in
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„zu genau halten kann; und dieſes auf doppelte
„Weiſe. Denn entweder kann der Künſtler,
„wenn er die Natur nachbilden will, ſich zu
„ängſtlich befleißigen, alle und jede Beſon-
„derheiten
ſeines Gegenſtandes anzudeuten,
„und ſo die allgemeine Jdee der Gattung
„auszudrücken verfehlen. Oder er kann, wenn
„er ſich dieſe allgemeine Jdee zu ertheilen be-
„müht, ſie aus zu vielen Fällen des wirkli-
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Lebens, nach ſeinem weiteſten Umfange,
„zuſammen ſetzen; da er ſie vielmehr von dem
„lautern Begriffe, der ſich blos in der Vorſtel-
„lung der Seele findet, hernehmen ſollte. Die-
„ſes letztere iſt der allgemeine Tadel, womit die
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[330/0336] „tiſchen Poeſie zu erreichen, empfiehlet Ho- „raz (*) zwey Dinge: einmal, die Socra- „tiſche Philoſophie fleißig zu ſtudieren; zwey- „tens, ſich um eine genaue Kenntniß des „menſchlichen Lebens zu bewerben. Jenes, „weil es der eigenthümliche Vorzug dieſer „Schule iſt, ad veritatem vitæ propius „accedere; (**) dieſes, um unſerer Nachah- „mung eine deſto allgemeinere Aehnlichkeit er- „theilen zu können. Sich hiervon zu überzeu- „gen, darf man nur erwägen, daß man ſich in „Werken der Nachahmung an die Wahrheit „zu genau halten kann; und dieſes auf doppelte „Weiſe. Denn entweder kann der Künſtler, „wenn er die Natur nachbilden will, ſich zu „ängſtlich befleißigen, alle und jede Beſon- „derheiten ſeines Gegenſtandes anzudeuten, „und ſo die allgemeine Jdee der Gattung „auszudrücken verfehlen. Oder er kann, wenn „er ſich dieſe allgemeine Jdee zu ertheilen be- „müht, ſie aus zu vielen Fällen des wirkli- „chen Lebens, nach ſeinem weiteſten Umfange, „zuſammen ſetzen; da er ſie vielmehr von dem „lautern Begriffe, der ſich blos in der Vorſtel- „lung der Seele findet, hernehmen ſollte. Die- „ſes letztere iſt der allgemeine Tadel, womit die „Schule der Niederländiſchen Mahler zu „be- (*) De arte poet. v. 310. 317. 18. (**) De Orat. I. 51.

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/336>, abgerufen am 22.11.2024.