Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite

immer gewisse Personen von dem Schutze dieser
Gesetze entweder namentlich ausgeschlossen wa-
ren, oder doch stillschweigend für ausgeschlossen
gehalten wurden. Jn den Stücken des Me-
nanders selbst, wurden noch Leute genug bey ih-
ren wahren Namen genannt und lächerlich ge-
macht. (*) Doch ich muß mich nicht aus einer
Ausschweifung in die andere verlieren.

Jch
ihrer Stücke nicht erfunden? Aber so wie
es, nach ihm, in der Tragödie gar wohl
mit der poetischen Erfindung bestehen kann,
daß Namen und Umstände aus der wahren
Geschichte entlehnt sind: so muß es, seiner
Meinung nach, auch in der Komödie beste-
hen können. Es kann unmöglich seinen Be-
griffen gemäß gewesen seyn, daß die Komödie
dadurch, daß sie wahre Namen brauche, und
auf wahre Begeheiten anspiele, wiederum in
die Jambische Schmähsucht zurück falle:
vielmehr muß er geglaubt haben, daß sich
das katholou poiein logous e muthous
gar wohl damit vertrage. Er gesteht die-
ses den ältesten komischen Dichtern, dem
Epicharmus, dem Phormis und Krates zu,
und wird es gewiß dem Aristophanes nicht
abgesprochen haben, ob er schon wußte, wie
sehr er nicht allein den Kleon und Hyperbo-
lus, sondern auch den Perikles und Sokra-
tes namentlich mitgenommen.
(*) Mit der Strenge, mit welcher Plato das
Verboth, jemand in der Komödie lächerlich
zu
Q q 3

immer gewiſſe Perſonen von dem Schutze dieſer
Geſetze entweder namentlich ausgeſchloſſen wa-
ren, oder doch ſtillſchweigend für ausgeſchloſſen
gehalten wurden. Jn den Stücken des Me-
nanders ſelbſt, wurden noch Leute genug bey ih-
ren wahren Namen genannt und lächerlich ge-
macht. (*) Doch ich muß mich nicht aus einer
Ausſchweifung in die andere verlieren.

Jch
ihrer Stücke nicht erfunden? Aber ſo wie
es, nach ihm, in der Tragödie gar wohl
mit der poetiſchen Erfindung beſtehen kann,
daß Namen und Umſtände aus der wahren
Geſchichte entlehnt ſind: ſo muß es, ſeiner
Meinung nach, auch in der Komödie beſte-
hen können. Es kann unmöglich ſeinen Be-
griffen gemäß geweſen ſeyn, daß die Komödie
dadurch, daß ſie wahre Namen brauche, und
auf wahre Begeheiten anſpiele, wiederum in
die Jambiſche Schmähſucht zurück falle:
vielmehr muß er geglaubt haben, daß ſich
das ϰαϑολου ποιειν λογους η μυϑους
gar wohl damit vertrage. Er geſteht die-
ſes den älteſten komiſchen Dichtern, dem
Epicharmus, dem Phormis und Krates zu,
und wird es gewiß dem Ariſtophanes nicht
abgeſprochen haben, ob er ſchon wußte, wie
ſehr er nicht allein den Kleon und Hyperbo-
lus, ſondern auch den Perikles und Sokra-
tes namentlich mitgenommen.
(*) Mit der Strenge, mit welcher Plato das
Verboth, jemand in der Komödie lächerlich
zu
Q q 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0315" n="309"/>
immer gewi&#x017F;&#x017F;e Per&#x017F;onen von dem Schutze die&#x017F;er<lb/>
Ge&#x017F;etze entweder namentlich ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wa-<lb/>
ren, oder doch &#x017F;till&#x017F;chweigend für ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
gehalten wurden. Jn den Stücken des Me-<lb/>
nanders &#x017F;elb&#x017F;t, wurden noch Leute genug bey ih-<lb/>
ren wahren Namen genannt und lächerlich ge-<lb/>
macht. <note xml:id="seg2pn_29_1" next="#seg2pn_29_2" place="foot" n="(*)">Mit der Strenge, mit welcher Plato das<lb/>
Verboth, jemand in der Komödie lächerlich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw></note> Doch ich muß mich nicht aus einer<lb/>
Aus&#x017F;chweifung in die andere verlieren.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">Q q 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        <p>
          <note xml:id="seg2pn_28_3" prev="#seg2pn_28_2" place="foot" n="(*)">ihrer Stücke nicht erfunden? Aber &#x017F;o wie<lb/>
es, nach ihm, in der Tragödie gar wohl<lb/>
mit der poeti&#x017F;chen Erfindung be&#x017F;tehen kann,<lb/>
daß Namen und Um&#x017F;tände aus der wahren<lb/>
Ge&#x017F;chichte entlehnt &#x017F;ind: &#x017F;o muß es, &#x017F;einer<lb/>
Meinung nach, auch in der Komödie be&#x017F;te-<lb/>
hen können. Es kann unmöglich &#x017F;einen Be-<lb/>
griffen gemäß gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, daß die Komödie<lb/>
dadurch, daß &#x017F;ie wahre Namen brauche, und<lb/>
auf wahre Begeheiten an&#x017F;piele, wiederum in<lb/>
die Jambi&#x017F;che Schmäh&#x017F;ucht zurück falle:<lb/>
vielmehr muß er geglaubt haben, daß &#x017F;ich<lb/>
das &#x03F0;&#x03B1;&#x03D1;&#x03BF;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C5; &#x03C0;&#x03BF;&#x03B9;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD; &#x03BB;&#x03BF;&#x03B3;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C2; &#x03B7; &#x03BC;&#x03C5;&#x03D1;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C2;<lb/>
gar wohl damit vertrage. Er ge&#x017F;teht die-<lb/>
&#x017F;es den älte&#x017F;ten komi&#x017F;chen Dichtern, dem<lb/>
Epicharmus, dem Phormis und Krates zu,<lb/>
und wird es gewiß dem Ari&#x017F;tophanes nicht<lb/>
abge&#x017F;prochen haben, ob er &#x017F;chon wußte, wie<lb/>
&#x017F;ehr er nicht allein den Kleon und Hyperbo-<lb/>
lus, &#x017F;ondern auch den Perikles und Sokra-<lb/>
tes namentlich mitgenommen.</note>
        </p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0315] immer gewiſſe Perſonen von dem Schutze dieſer Geſetze entweder namentlich ausgeſchloſſen wa- ren, oder doch ſtillſchweigend für ausgeſchloſſen gehalten wurden. Jn den Stücken des Me- nanders ſelbſt, wurden noch Leute genug bey ih- ren wahren Namen genannt und lächerlich ge- macht. (*) Doch ich muß mich nicht aus einer Ausſchweifung in die andere verlieren. Jch (*) (*) Mit der Strenge, mit welcher Plato das Verboth, jemand in der Komödie lächerlich zu (*) ihrer Stücke nicht erfunden? Aber ſo wie es, nach ihm, in der Tragödie gar wohl mit der poetiſchen Erfindung beſtehen kann, daß Namen und Umſtände aus der wahren Geſchichte entlehnt ſind: ſo muß es, ſeiner Meinung nach, auch in der Komödie beſte- hen können. Es kann unmöglich ſeinen Be- griffen gemäß geweſen ſeyn, daß die Komödie dadurch, daß ſie wahre Namen brauche, und auf wahre Begeheiten anſpiele, wiederum in die Jambiſche Schmähſucht zurück falle: vielmehr muß er geglaubt haben, daß ſich das ϰαϑολου ποιειν λογους η μυϑους gar wohl damit vertrage. Er geſteht die- ſes den älteſten komiſchen Dichtern, dem Epicharmus, dem Phormis und Krates zu, und wird es gewiß dem Ariſtophanes nicht abgeſprochen haben, ob er ſchon wußte, wie ſehr er nicht allein den Kleon und Hyperbo- lus, ſondern auch den Perikles und Sokra- tes namentlich mitgenommen. Q q 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/315
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/315>, abgerufen am 08.05.2024.