Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite

Personen Namen, welche, vermöge ihrer gram-
matischen Ableitung und Zusammensetzung, oder
auch sonstigen Bedeutung, die Beschaffenheit
dieser Personen ausdrückten: mit einem Worte,
sie gab ihnen redende Namen; Namen, die man
nur hören durfte, um sogleich zu wissen, von
welcher Art die seyn würden, die sie führen.
Jch will eine Stelle des Donatus hierüber an-
ziehen. Nomina personarum, sagt er bey
Gelegenheit der ersten Zeile in dem ersten Auf-
zuge der Brüder, in comoediis duntaxat,
habere debent rationem & etymologiam.
Etenim absurdum est, comicum aperte
argumentum confingere: vel nomen per-
sonae incongruum dare vel officium quod
sit a nomine diversum.
(*) Hinc servus

fidelis
(*) Diese Periode könnte leicht sehr falsch ver-
standen werden. Nehmlich wenn man sie
so verstehen wollte, als ob Donatus auch
das für etwas ungereimtes hielte, Comi-
cum aperte argumentum confingere.
Und
das ist doch die Meinung des Donatus gar
nicht. Sondern er will sagen: es würde
ungereimt seyn, wenn der komische Dichter,
da er seinen Stoff offenbar erfindet, gleich-
wohl den Personen unschickliche Namen, oder
Beschäftigungen beylegen wollte, die mit
ihren Namen stritten. Denn freylich, da
der Stoff ganz von der Erfindung des Dich-
ters ist, so stand es ja einzig und allein bey
ihm
P p 2

Perſonen Namen, welche, vermöge ihrer gram-
matiſchen Ableitung und Zuſammenſetzung, oder
auch ſonſtigen Bedeutung, die Beſchaffenheit
dieſer Perſonen ausdrückten: mit einem Worte,
ſie gab ihnen redende Namen; Namen, die man
nur hören durfte, um ſogleich zu wiſſen, von
welcher Art die ſeyn würden, die ſie führen.
Jch will eine Stelle des Donatus hierüber an-
ziehen. Nomina perſonarum, ſagt er bey
Gelegenheit der erſten Zeile in dem erſten Auf-
zuge der Brüder, in comœdiis duntaxat,
habere debent rationem & etymologiam.
Etenim abſurdum eſt, comicum aperte
argumentum confingere: vel nomen per-
ſonæ incongruum dare vel officium quod
ſit a nomine diverſum.
(*) Hinc ſervus

fidelis
(*) Dieſe Periode könnte leicht ſehr falſch ver-
ſtanden werden. Nehmlich wenn man ſie
ſo verſtehen wollte, als ob Donatus auch
das für etwas ungereimtes hielte, Comi-
cum aperte argumentum confingere.
Und
das iſt doch die Meinung des Donatus gar
nicht. Sondern er will ſagen: es würde
ungereimt ſeyn, wenn der komiſche Dichter,
da er ſeinen Stoff offenbar erfindet, gleich-
wohl den Perſonen unſchickliche Namen, oder
Beſchäftigungen beylegen wollte, die mit
ihren Namen ſtritten. Denn freylich, da
der Stoff ganz von der Erfindung des Dich-
ters iſt, ſo ſtand es ja einzig und allein bey
ihm
P p 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0305" n="299"/>
Per&#x017F;onen Namen, welche, vermöge ihrer gram-<lb/>
mati&#x017F;chen Ableitung und Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung, oder<lb/>
auch &#x017F;on&#x017F;tigen Bedeutung, die Be&#x017F;chaffenheit<lb/>
die&#x017F;er Per&#x017F;onen ausdrückten: mit einem Worte,<lb/>
&#x017F;ie gab ihnen redende Namen; Namen, die man<lb/>
nur hören durfte, um &#x017F;ogleich zu wi&#x017F;&#x017F;en, von<lb/>
welcher Art die &#x017F;eyn würden, die &#x017F;ie führen.<lb/>
Jch will eine Stelle des Donatus hierüber an-<lb/>
ziehen. <hi rendition="#aq">Nomina per&#x017F;onarum,</hi> &#x017F;agt er bey<lb/>
Gelegenheit der er&#x017F;ten Zeile in dem er&#x017F;ten Auf-<lb/>
zuge der Brüder, <hi rendition="#aq">in com&#x0153;diis duntaxat,<lb/>
habere debent rationem &amp; etymologiam.<lb/>
Etenim ab&#x017F;urdum e&#x017F;t, comicum aperte<lb/>
argumentum confingere: vel nomen per-<lb/>
&#x017F;onæ incongruum dare vel officium quod<lb/>
&#x017F;it a nomine diver&#x017F;um.</hi> <note xml:id="seg2pn_25_1" next="#seg2pn_25_2" place="foot" n="(*)">Die&#x017F;e Periode könnte leicht &#x017F;ehr fal&#x017F;ch ver-<lb/>
&#x017F;tanden werden. Nehmlich wenn man &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;o ver&#x017F;tehen wollte, als ob Donatus auch<lb/>
das für etwas ungereimtes hielte, <hi rendition="#aq">Comi-<lb/>
cum aperte argumentum confingere.</hi> Und<lb/>
das i&#x017F;t doch die Meinung des Donatus gar<lb/>
nicht. Sondern er will &#x017F;agen: es würde<lb/>
ungereimt &#x017F;eyn, wenn der komi&#x017F;che Dichter,<lb/>
da er &#x017F;einen Stoff offenbar erfindet, gleich-<lb/>
wohl den Per&#x017F;onen un&#x017F;chickliche Namen, oder<lb/>
Be&#x017F;chäftigungen beylegen wollte, die mit<lb/>
ihren Namen &#x017F;tritten. Denn freylich, da<lb/>
der Stoff ganz von der Erfindung des Dich-<lb/>
ters i&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;tand es ja einzig und allein bey<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihm</fw></note> <hi rendition="#aq">Hinc &#x017F;ervus</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P p 2</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">fidelis</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299/0305] Perſonen Namen, welche, vermöge ihrer gram- matiſchen Ableitung und Zuſammenſetzung, oder auch ſonſtigen Bedeutung, die Beſchaffenheit dieſer Perſonen ausdrückten: mit einem Worte, ſie gab ihnen redende Namen; Namen, die man nur hören durfte, um ſogleich zu wiſſen, von welcher Art die ſeyn würden, die ſie führen. Jch will eine Stelle des Donatus hierüber an- ziehen. Nomina perſonarum, ſagt er bey Gelegenheit der erſten Zeile in dem erſten Auf- zuge der Brüder, in comœdiis duntaxat, habere debent rationem & etymologiam. Etenim abſurdum eſt, comicum aperte argumentum confingere: vel nomen per- ſonæ incongruum dare vel officium quod ſit a nomine diverſum. (*) Hinc ſervus fidelis (*) Dieſe Periode könnte leicht ſehr falſch ver- ſtanden werden. Nehmlich wenn man ſie ſo verſtehen wollte, als ob Donatus auch das für etwas ungereimtes hielte, Comi- cum aperte argumentum confingere. Und das iſt doch die Meinung des Donatus gar nicht. Sondern er will ſagen: es würde ungereimt ſeyn, wenn der komiſche Dichter, da er ſeinen Stoff offenbar erfindet, gleich- wohl den Perſonen unſchickliche Namen, oder Beſchäftigungen beylegen wollte, die mit ihren Namen ſtritten. Denn freylich, da der Stoff ganz von der Erfindung des Dich- ters iſt, ſo ſtand es ja einzig und allein bey ihm P p 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/305
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/305>, abgerufen am 25.11.2024.