Königinn, es ihm zu schenken. Nun hat Not- tingham alles, was sie wünschet; nun steht es bey ihr, sich wegen ihrer verachteten Liebe an dem Grafen zu rächen. Anstatt also das auszu- richten, was er ihr aufgetragen, verleumdet sie ihn auf das boshafteste, und mahlt ihn so stolz, so trotzig, so fest entschlossen ab, nicht um Gnade zu bitten, sondern es auf das Aeußerste ankommen zu lassen, daß die Königinn dem Berichte kaum glauben kann, nach wiederholter Versicherung aber, voller Wuth und Verzweif- lung den Befehl ertheilet, das Urtheil ohne Anstand an ihm zu vollziehen. Dabey giebt ihr die boshafte Nottingham ein, den Grafen von Southampton zu begnadigen, nicht weil ihr das Unglück desselben wirklich nahe geht, sondern weil sie sich einbildet, daß Essex die Bit- terkeit seiner Strafe um so vielmehr empfinden werde, wenn er sieht, daß die Gnade, die man ihm verweigert, seinem mitschuldigen Freunde nicht entstehe. In eben dieser Absicht räth sie der Königinn auch, seiner Gemahlinn, der Gräfinn von Rutland, zu erlauben, ihn noch vor seiner Hinrichtung zu sehen. Die Königinn williget in beides, aber zum Unglücke für die grausame Rathgeberinn; denn der Graf giebt seiner Gemahlinn einen Brief an die Königinn, die sich eben in den Tower befindet, und ihn kurz darauf, als man den Grafen abgeführet,
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Königinn, es ihm zu ſchenken. Nun hat Not- tingham alles, was ſie wünſchet; nun ſteht es bey ihr, ſich wegen ihrer verachteten Liebe an dem Grafen zu rächen. Anſtatt alſo das auszu- richten, was er ihr aufgetragen, verleumdet ſie ihn auf das boshafteſte, und mahlt ihn ſo ſtolz, ſo trotzig, ſo feſt entſchloſſen ab, nicht um Gnade zu bitten, ſondern es auf das Aeußerſte ankommen zu laſſen, daß die Königinn dem Berichte kaum glauben kann, nach wiederholter Verſicherung aber, voller Wuth und Verzweif- lung den Befehl ertheilet, das Urtheil ohne Anſtand an ihm zu vollziehen. Dabey giebt ihr die boshafte Nottingham ein, den Grafen von Southampton zu begnadigen, nicht weil ihr das Unglück deſſelben wirklich nahe geht, ſondern weil ſie ſich einbildet, daß Eſſex die Bit- terkeit ſeiner Strafe um ſo vielmehr empfinden werde, wenn er ſieht, daß die Gnade, die man ihm verweigert, ſeinem mitſchuldigen Freunde nicht entſtehe. In eben dieſer Abſicht räth ſie der Königinn auch, ſeiner Gemahlinn, der Gräfinn von Rutland, zu erlauben, ihn noch vor ſeiner Hinrichtung zu ſehen. Die Königinn williget in beides, aber zum Unglücke für die grauſame Rathgeberinn; denn der Graf giebt ſeiner Gemahlinn einen Brief an die Königinn, die ſich eben in den Tower befindet, und ihn kurz darauf, als man den Grafen abgeführet,
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Königinn, es ihm zu ſchenken. Nun hat Not-
tingham alles, was ſie wünſchet; nun ſteht es
bey ihr, ſich wegen ihrer verachteten Liebe an
dem Grafen zu rächen. Anſtatt alſo das auszu-
richten, was er ihr aufgetragen, verleumdet ſie
ihn auf das boshafteſte, und mahlt ihn ſo ſtolz,
ſo trotzig, ſo feſt entſchloſſen ab, nicht um
Gnade zu bitten, ſondern es auf das Aeußerſte
ankommen zu laſſen, daß die Königinn dem
Berichte kaum glauben kann, nach wiederholter
Verſicherung aber, voller Wuth und Verzweif-
lung den Befehl ertheilet, das Urtheil ohne
Anſtand an ihm zu vollziehen. Dabey giebt
ihr die boshafte Nottingham ein, den Grafen
von Southampton zu begnadigen, nicht weil
ihr das Unglück deſſelben wirklich nahe geht,
ſondern weil ſie ſich einbildet, daß Eſſex die Bit-
terkeit ſeiner Strafe um ſo vielmehr empfinden
werde, wenn er ſieht, daß die Gnade, die man
ihm verweigert, ſeinem mitſchuldigen Freunde
nicht entſtehe. In eben dieſer Abſicht räth ſie
der Königinn auch, ſeiner Gemahlinn, der
Gräfinn von Rutland, zu erlauben, ihn noch
vor ſeiner Hinrichtung zu ſehen. Die Königinn
williget in beides, aber zum Unglücke für die
grauſame Rathgeberinn; denn der Graf giebt
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die ſich eben in den Tower befindet, und ihn
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/24>, abgerufen am 23.11.2024.
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