Wie entbehrlich überhaupt die theatralischen Verzierungen sind, davon will man mit den Stücken des Shakespears eine sonderbare Er- fahrung gehabt haben. Welche Stücke brauch- ten, wegen ihrer beständigen Unterbrechung und Veränderung des Orts, des Beystandes der Scenen und der ganzen Kunst des Decora- teurs wohl mehr, als eben diese? Gleichwohl war eine Zeit, wo die Bühnen, auf welchen sie gespielt wurden, aus nichts bestanden, als aus einem Vorhange von schlechtem groben Zeuge, der, wenn er aufgezogen war, die bloßen blan- ken, höchstens mit Matten oder Tapeten behan- genen, Wände zeigte; da war nichts als die Ein- bildung, was dem Verständnisse des Zuschauers und der Ausführung des Spielers zu Hülfe kommen konnte: und dem ohngeachtet, sagt man, waren damals die Stücke des Shake- spears ohne alle Scenen verständlicher, als sie es hernach mit denselben gewesen sind. (*)
Wenn
(*)(Cibber's Lives of the Poets of G. B. and Ir. Vol. II. p. 78. 79.) -- Some have insinua- red, that fine scenes proved the ruin of acting. -- In the reign of Charles I. there was nothing more than a curtain of very coarse stuff, upon the drawing up of which, the stage appeared either with bare walls on the sides, coarsly matted, or covered with tapestry; so that for the place originally represented, and all the
suc-
Wie entbehrlich überhaupt die theatraliſchen Verzierungen ſind, davon will man mit den Stücken des Shakeſpears eine ſonderbare Er- fahrung gehabt haben. Welche Stücke brauch- ten, wegen ihrer beſtändigen Unterbrechung und Veränderung des Orts, des Beyſtandes der Scenen und der ganzen Kunſt des Decora- teurs wohl mehr, als eben dieſe? Gleichwohl war eine Zeit, wo die Bühnen, auf welchen ſie geſpielt wurden, aus nichts beſtanden, als aus einem Vorhange von ſchlechtem groben Zeuge, der, wenn er aufgezogen war, die bloßen blan- ken, höchſtens mit Matten oder Tapeten behan- genen, Wände zeigte; da war nichts als die Ein- bildung, was dem Verſtändniſſe des Zuſchauers und der Ausführung des Spielers zu Hülfe kommen konnte: und dem ohngeachtet, ſagt man, waren damals die Stücke des Shake- ſpears ohne alle Scenen verſtändlicher, als ſie es hernach mit denſelben geweſen ſind. (*)
Wenn
(*)(Cibber’s Lives of the Poets of G. B. and Ir. Vol. II. p. 78. 79.) — Some have inſinua- red, that fine ſcenes proved the ruin of acting. — In the reign of Charles I. there was nothing more than a curtain of very coarſe ſtuff, upon the drawing up of which, the ſtage appeared either with bare walls on the ſides, coarſly matted, or covered with tapeſtry; ſo that for the place originally repreſented, and all the
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Wie entbehrlich überhaupt die theatraliſchen
Verzierungen ſind, davon will man mit den
Stücken des Shakeſpears eine ſonderbare Er-
fahrung gehabt haben. Welche Stücke brauch-
ten, wegen ihrer beſtändigen Unterbrechung
und Veränderung des Orts, des Beyſtandes
der Scenen und der ganzen Kunſt des Decora-
teurs wohl mehr, als eben dieſe? Gleichwohl
war eine Zeit, wo die Bühnen, auf welchen ſie
geſpielt wurden, aus nichts beſtanden, als aus
einem Vorhange von ſchlechtem groben Zeuge,
der, wenn er aufgezogen war, die bloßen blan-
ken, höchſtens mit Matten oder Tapeten behan-
genen, Wände zeigte; da war nichts als die Ein-
bildung, was dem Verſtändniſſe des Zuſchauers
und der Ausführung des Spielers zu Hülfe
kommen konnte: und dem ohngeachtet, ſagt
man, waren damals die Stücke des Shake-
ſpears ohne alle Scenen verſtändlicher, als ſie
es hernach mit denſelben geweſen ſind. (*)
Wenn
(*) (Cibber’s Lives of the Poets of G. B. and
Ir. Vol. II. p. 78. 79.) — Some have inſinua-
red, that fine ſcenes proved the ruin of
acting. — In the reign of Charles I. there
was nothing more than a curtain of very
coarſe ſtuff, upon the drawing up of
which, the ſtage appeared either with
bare walls on the ſides, coarſly matted,
or covered with tapeſtry; ſo that for the
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/229>, abgerufen am 21.11.2024.
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