in Ansehung der Furcht, dem was zu viel, und dem was zu wenig, steuern: so wie hinwiederum die tragische Furcht, in Ansehung des Mitleids. Dacier aber, wie gesagt, hat nur gezeigt, wie das tragische Mitleid unsere allzu große Furcht mäßige: und noch nicht einmal, wie es den gänzlichen Mangel derselben abh[ie]lfe, oder sie in dem, welcher allzu wenig von ihr empfindet, zu einem heilsamern Grade erhöhe; geschweige, daß er auch das Uebrige sollte gezeigt haben. Die nach ihm gekommen, haben, was er unter- lassen, auch im geringsten nicht ergänzet; aber wohl sonst, um nach ihrer Meinung, den Nutzen der Tragödie völlig außer Streit zu setzen, Dinge dahin gezogen, die dem Gedichte überhaupt, aber keinesweges der Tragödie, als Tragödie, ins- besondere zukommen; z. E. daß sie die Triebe der Menschlichkeit nähern und stärken; daß sie Liebe zur Tugend und Haß gegen das Laster wir- ken solle u. s. w. (*) Lieber! welches Gedicht sollte das nicht? Soll es aber ein jedes: so kann es nicht das unterscheidende Kennzeichen der Tragödie seyn; so kann es nicht das seyn, was wir suchten.
Ham-
(*) Hr. Curtius in seiner Abhandlung von der Ab- sicht des Trauerspiels, hinter der Aristoteli- schen Dichtkunst.
in Anſehung der Furcht, dem was zu viel, und dem was zu wenig, ſteuern: ſo wie hinwiederum die tragiſche Furcht, in Anſehung des Mitleids. Dacier aber, wie geſagt, hat nur gezeigt, wie das tragiſche Mitleid unſere allzu große Furcht mäßige: und noch nicht einmal, wie es den gänzlichen Mangel derſelben abh[ie]lfe, oder ſie in dem, welcher allzu wenig von ihr empfindet, zu einem heilſamern Grade erhöhe; geſchweige, daß er auch das Uebrige ſollte gezeigt haben. Die nach ihm gekommen, haben, was er unter- laſſen, auch im geringſten nicht ergänzet; aber wohl ſonſt, um nach ihrer Meinung, den Nutzen der Tragödie völlig außer Streit zu ſetzen, Dinge dahin gezogen, die dem Gedichte überhaupt, aber keinesweges der Tragödie, als Tragödie, ins- beſondere zukommen; z. E. daß ſie die Triebe der Menſchlichkeit nähern und ſtärken; daß ſie Liebe zur Tugend und Haß gegen das Laſter wir- ken ſolle u. ſ. w. (*) Lieber! welches Gedicht ſollte das nicht? Soll es aber ein jedes: ſo kann es nicht das unterſcheidende Kennzeichen der Tragödie ſeyn; ſo kann es nicht das ſeyn, was wir ſuchten.
Ham-
(*) Hr. Curtius in ſeiner Abhandlung von der Ab- ſicht des Trauerſpiels, hinter der Ariſtoteli- ſchen Dichtkunſt.
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in Anſehung der Furcht, dem was zu viel, und
dem was zu wenig, ſteuern: ſo wie hinwiederum
die tragiſche Furcht, in Anſehung des Mitleids.
Dacier aber, wie geſagt, hat nur gezeigt, wie
das tragiſche Mitleid unſere allzu große Furcht
mäßige: und noch nicht einmal, wie es den
gänzlichen Mangel derſelben abhielfe, oder ſie in
dem, welcher allzu wenig von ihr empfindet, zu
einem heilſamern Grade erhöhe; geſchweige,
daß er auch das Uebrige ſollte gezeigt haben.
Die nach ihm gekommen, haben, was er unter-
laſſen, auch im geringſten nicht ergänzet; aber
wohl ſonſt, um nach ihrer Meinung, den Nutzen
der Tragödie völlig außer Streit zu ſetzen, Dinge
dahin gezogen, die dem Gedichte überhaupt, aber
keinesweges der Tragödie, als Tragödie, ins-
beſondere zukommen; z. E. daß ſie die Triebe
der Menſchlichkeit nähern und ſtärken; daß ſie
Liebe zur Tugend und Haß gegen das Laſter wir-
ken ſolle u. ſ. w. (*) Lieber! welches Gedicht
ſollte das nicht? Soll es aber ein jedes: ſo kann
es nicht das unterſcheidende Kennzeichen der
Tragödie ſeyn; ſo kann es nicht das ſeyn, was
wir ſuchten.
Ham-
(*) Hr. Curtius in ſeiner Abhandlung von der Ab-
ſicht des Trauerſpiels, hinter der Ariſtoteli-
ſchen Dichtkunſt.
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/214>, abgerufen am 21.11.2024.
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