so wohl in der Natur von einander trennen las- sen, als wir sie in der Abstraction und durch den symbolischen Ausdruck trennen können, wenu die Sache dem ohngeachtet noch bestehen soll, ob ihr schon das eine oder das andere von diesen Dingen fehlt. Wenn wir z. E. von einem Frauenzimmer sagen, sie sey weder schön noch witzig: so wollen wir allerdings sagen, wir würden zufrieden seyn, wenn sie auch nur eines von beiden wäre; denn Witz und Schönheit las- sen sich nicht blos in Gedanken trennen, sondern sie sind wirklich getrennet. Aber wenn wir sagen, dieser Mensch glaubt weder Himmel noch Höl- le: wollen wir damit auch sagen, daß wir zu- frieden seyn würden, wenn er nur eines von beiden glaubte, wenn er nur den Himmel und keine Hölle, oder nur die Hölle und keinen Him- mel glaubte? Gewiß nicht: denn wer das eine glaubt, muß nothwendig auch das andere glau- ben; Himmel und Hölle, Strafe und Beloh- nung sind relativ; wenn das eine ist, ist auch das andere. Oder, um mein Exempel aus einer verwandten Kunst zu nehmen; wenn wir sagen, dieses Gemählde taugt nichts, denn es hat weder Zeichnung noch Kolorit: wollen wir da- mit sagen, daß ein gutes Gemählde sich mit einem von beiden begnügen könne? -- Das ist so klar!
Allein,
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ſo wohl in der Natur von einander trennen laſ- ſen, als wir ſie in der Abſtraction und durch den ſymboliſchen Ausdruck trennen können, wenu die Sache dem ohngeachtet noch beſtehen ſoll, ob ihr ſchon das eine oder das andere von dieſen Dingen fehlt. Wenn wir z. E. von einem Frauenzimmer ſagen, ſie ſey weder ſchön noch witzig: ſo wollen wir allerdings ſagen, wir würden zufrieden ſeyn, wenn ſie auch nur eines von beiden wäre; denn Witz und Schönheit laſ- ſen ſich nicht blos in Gedanken trennen, ſondern ſie ſind wirklich getrennet. Aber wenn wir ſagen, dieſer Menſch glaubt weder Himmel noch Höl- le: wollen wir damit auch ſagen, daß wir zu- frieden ſeyn würden, wenn er nur eines von beiden glaubte, wenn er nur den Himmel und keine Hölle, oder nur die Hölle und keinen Him- mel glaubte? Gewiß nicht: denn wer das eine glaubt, muß nothwendig auch das andere glau- ben; Himmel und Hölle, Strafe und Beloh- nung ſind relativ; wenn das eine iſt, iſt auch das andere. Oder, um mein Exempel aus einer verwandten Kunſt zu nehmen; wenn wir ſagen, dieſes Gemählde taugt nichts, denn es hat weder Zeichnung noch Kolorit: wollen wir da- mit ſagen, daß ein gutes Gemählde ſich mit einem von beiden begnügen könne? — Das iſt ſo klar!
Allein,
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ſo wohl in der Natur von einander trennen laſ-
ſen, als wir ſie in der Abſtraction und durch den
ſymboliſchen Ausdruck trennen können, wenu
die Sache dem ohngeachtet noch beſtehen ſoll,
ob ihr ſchon das eine oder das andere von dieſen
Dingen fehlt. Wenn wir z. E. von einem
Frauenzimmer ſagen, ſie ſey weder ſchön noch
witzig: ſo wollen wir allerdings ſagen, wir
würden zufrieden ſeyn, wenn ſie auch nur eines
von beiden wäre; denn Witz und Schönheit laſ-
ſen ſich nicht blos in Gedanken trennen, ſondern
ſie ſind wirklich getrennet. Aber wenn wir ſagen,
dieſer Menſch glaubt weder Himmel noch Höl-
le: wollen wir damit auch ſagen, daß wir zu-
frieden ſeyn würden, wenn er nur eines von
beiden glaubte, wenn er nur den Himmel und
keine Hölle, oder nur die Hölle und keinen Him-
mel glaubte? Gewiß nicht: denn wer das eine
glaubt, muß nothwendig auch das andere glau-
ben; Himmel und Hölle, Strafe und Beloh-
nung ſind relativ; wenn das eine iſt, iſt auch
das andere. Oder, um mein Exempel aus einer
verwandten Kunſt zu nehmen; wenn wir ſagen,
dieſes Gemählde taugt nichts, denn es hat
weder Zeichnung noch Kolorit: wollen wir da-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/193>, abgerufen am 28.11.2024.
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