Doch endlich vom Terenz auf unsern Nach- ahmer zu kommen -- Es ist doch sonderbar, daß auch Herr Romanus den falschen Gedanken des Voltaire gehabt zu haben scheinet. Auch er hat geglaubt, daß am Ende mit dem Cha- rakter des Demea eine gänzliche Veränderung vorgehe; wenigstens läßt er sie mit dem Cha- rakter seines Lysimons vorgehen. "Je Kinder, läßt er ihn rufen, "schweigt doch! Jhr über- "häuft mich ja mit Liebkosungen. Sohn, Bru- "der, Vetter, Diener, alles schmeichelt mir, "blos weil ich einmal ein bißchen freundlich aus- "sehe. Bin ichs denn, oder bin ichs nicht? "Jch werde wieder recht jung, Bruder! Es "ist doch hübsch, wenn man geliebt wird. Jch "will auch gewiß so bleiben. Jch wüßte nicht, "wenn ich so eine vergnügte Stunde gehabt "hätte." Und Frontin sagt: "Nun unser Al- "ter stirbt gewiß bald. (*) Die Veränderung ist "gar zu plötzlich." Ja wohl; aber das Sprüch- wort, und der gemeine Glaube, von den un- vermutheten Veränderungen, die einen nahen Tod vorbedeuten, soll doch wohl nicht im Ernste hier etwas rechtfertigen?
Ham-
(*) So soll es ohne Zweifel heissen, und nicht: stirbt ohnmöglich bald. Für viele von unsern Schauspielern ist es nöthig, auch sol- che Druckfehler anzumerken.
Doch endlich vom Terenz auf unſern Nach- ahmer zu kommen — Es iſt doch ſonderbar, daß auch Herr Romanus den falſchen Gedanken des Voltaire gehabt zu haben ſcheinet. Auch er hat geglaubt, daß am Ende mit dem Cha- rakter des Demea eine gänzliche Veränderung vorgehe; wenigſtens läßt er ſie mit dem Cha- rakter ſeines Lyſimons vorgehen. „Je Kinder, läßt er ihn rufen, „ſchweigt doch! Jhr über- „häuft mich ja mit Liebkoſungen. Sohn, Bru- „der, Vetter, Diener, alles ſchmeichelt mir, „blos weil ich einmal ein bißchen freundlich aus- „ſehe. Bin ichs denn, oder bin ichs nicht? „Jch werde wieder recht jung, Bruder! Es „iſt doch hübſch, wenn man geliebt wird. Jch „will auch gewiß ſo bleiben. Jch wüßte nicht, „wenn ich ſo eine vergnügte Stunde gehabt „hätte.„ Und Frontin ſagt: „Nun unſer Al- „ter ſtirbt gewiß bald. (*) Die Veränderung iſt „gar zu plötzlich.„ Ja wohl; aber das Sprüch- wort, und der gemeine Glaube, von den un- vermutheten Veränderungen, die einen nahen Tod vorbedeuten, ſoll doch wohl nicht im Ernſte hier etwas rechtfertigen?
Ham-
(*) So ſoll es ohne Zweifel heiſſen, und nicht: ſtirbt ohnmöglich bald. Für viele von unſern Schauſpielern iſt es nöthig, auch ſol- che Druckfehler anzumerken.
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Doch endlich vom Terenz auf unſern Nach-
ahmer zu kommen — Es iſt doch ſonderbar,
daß auch Herr Romanus den falſchen Gedanken
des Voltaire gehabt zu haben ſcheinet. Auch
er hat geglaubt, daß am Ende mit dem Cha-
rakter des Demea eine gänzliche Veränderung
vorgehe; wenigſtens läßt er ſie mit dem Cha-
rakter ſeines Lyſimons vorgehen. „Je Kinder,
läßt er ihn rufen, „ſchweigt doch! Jhr über-
„häuft mich ja mit Liebkoſungen. Sohn, Bru-
„der, Vetter, Diener, alles ſchmeichelt mir,
„blos weil ich einmal ein bißchen freundlich aus-
„ſehe. Bin ichs denn, oder bin ichs nicht?
„Jch werde wieder recht jung, Bruder! Es
„iſt doch hübſch, wenn man geliebt wird. Jch
„will auch gewiß ſo bleiben. Jch wüßte nicht,
„wenn ich ſo eine vergnügte Stunde gehabt
„hätte.„ Und Frontin ſagt: „Nun unſer Al-
„ter ſtirbt gewiß bald. (*) Die Veränderung iſt
„gar zu plötzlich.„ Ja wohl; aber das Sprüch-
wort, und der gemeine Glaube, von den un-
vermutheten Veränderungen, die einen nahen
Tod vorbedeuten, ſoll doch wohl nicht im Ernſte
hier etwas rechtfertigen?
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(*) So ſoll es ohne Zweifel heiſſen, und nicht:
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/166>, abgerufen am 22.11.2024.
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