nur um den seinen bekümmern sollte? Antwor- te. (*) u. s. w.
Wer sich hier nur an die Worte hält, und kein so richtiger Beobachter ist, als es der Dichter war, kann leicht glauben, daß Demea viel zu geschwind austobe, viel zu geschwind diesen ge- lassenern Ton anstimme. Nach einiger Ueber- legung wird ihm zwar vielleicht beyfallen, daß jeder Affekt, wenn er aufs äußerste gekommen, nothwendig wieder sinken müsse; daß Demea, auf den Verweiß seines Bruders, sich des un- gestümen Jachzorns nicht anders als schämen könne: das alles ist auch ganz gut, aber es ist doch noch nicht das rechte. Dieses lasse er sich also vom Donatus lehren, der hier zwey vor- treffliche Anmerkungen hat. Videtur, sagt er, paulo citius destomachatus, quam res etiam incertae poscebant. Sed & hoc mo- rale: nam juste irati, omissa saevitia ad
ra-
(*)-- -- -- De. Eccum adest Communis corruptela nostrum liberum. Mi. Tandem reprime iracundiam, atque ad te redi. De. Repressi, redii, mitto maledicta om- nia: Rem ipsam putemus. Dictum hoc inter nos fuit, Et ex te adeo est ortum, ne te curares meum, Neve ego tuum? responde. --
nur um den ſeinen bekümmern ſollte? Antwor- te. (*) u. ſ. w.
Wer ſich hier nur an die Worte hält, und kein ſo richtiger Beobachter iſt, als es der Dichter war, kann leicht glauben, daß Demea viel zu geſchwind austobe, viel zu geſchwind dieſen ge- laſſenern Ton anſtimme. Nach einiger Ueber- legung wird ihm zwar vielleicht beyfallen, daß jeder Affekt, wenn er aufs äußerſte gekommen, nothwendig wieder ſinken müſſe; daß Demea, auf den Verweiß ſeines Bruders, ſich des un- geſtümen Jachzorns nicht anders als ſchämen könne: das alles iſt auch ganz gut, aber es iſt doch noch nicht das rechte. Dieſes laſſe er ſich alſo vom Donatus lehren, der hier zwey vor- treffliche Anmerkungen hat. Videtur, ſagt er, paulo citius deſtomachatus, quam res etiam incertæ poſcebant. Sed & hoc mo- rale: nam juſte irati, omiſſa ſævitia ad
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(*)— — — De. Eccum adeſt Communis corruptela noſtrum liberum. Mi. Tandem reprime iracundiam, atque ad te redi. De. Repreſſi, redii, mitto maledicta om- nia: Rem ipſam putemus. Dictum hoc inter nos fuit, Et ex te adeo eſt ortum, ne te curares meum, Neve ego tuum? reſponde. —
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nur um den ſeinen bekümmern ſollte? Antwor-
te. (*) u. ſ. w.
Wer ſich hier nur an die Worte hält, und kein
ſo richtiger Beobachter iſt, als es der Dichter
war, kann leicht glauben, daß Demea viel zu
geſchwind austobe, viel zu geſchwind dieſen ge-
laſſenern Ton anſtimme. Nach einiger Ueber-
legung wird ihm zwar vielleicht beyfallen, daß
jeder Affekt, wenn er aufs äußerſte gekommen,
nothwendig wieder ſinken müſſe; daß Demea,
auf den Verweiß ſeines Bruders, ſich des un-
geſtümen Jachzorns nicht anders als ſchämen
könne: das alles iſt auch ganz gut, aber es iſt
doch noch nicht das rechte. Dieſes laſſe er ſich
alſo vom Donatus lehren, der hier zwey vor-
treffliche Anmerkungen hat. Videtur, ſagt
er, paulo citius deſtomachatus, quam res
etiam incertæ poſcebant. Sed & hoc mo-
rale: nam juſte irati, omiſſa ſævitia ad
ra-
(*) — — — De. Eccum adeſt
Communis corruptela noſtrum liberum.
Mi. Tandem reprime iracundiam, atque ad
te redi.
De. Repreſſi, redii, mitto maledicta om-
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Rem ipſam putemus. Dictum hoc inter
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/157>, abgerufen am 22.11.2024.
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