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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

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Hamburgische
Dramaturgie.


Siebzigstes Stück.





Wenn in dieser Vergleichung, sage ich, die
satyrische Laune nicht zu sehr vorstäche:
so würde man sie für die beste Schutz-
schrift des komisch tragischen, oder tragisch ko-
mischen Drama, (Mischspiel habe ich es einmal
auf irgend einem Titel genannt gefunden) für
die geflissendlichste Ausführung des Gedankens
beym Lope halten dürfen. Aber zugleich würde
sie auch die Widerlegung desselben seyn. Denn
sie würde zeigen, daß eben das Beyspiel der
Natur, welches die Verbindung des feyerlichen
Ernstes mit der possenhaften Lustigkeit rechtfer-
tigen soll, eben so gut jedes dramatische Unge-
heuer, das weder Plan, noch Verbindung,
noch Menschenverstand hat, rechtfertigen kön-
ne. Die Nachahmung der Natur müßte folg-
lich entweder gar kein Grundsatz der Kunst seyn;
oder, wenn sie es doch bliebe, würde durch ihn

selbst
S
Hamburgiſche
Dramaturgie.


Siebzigſtes Stück.





Wenn in dieſer Vergleichung, ſage ich, die
ſatyriſche Laune nicht zu ſehr vorſtäche:
ſo würde man ſie für die beſte Schutz-
ſchrift des komiſch tragiſchen, oder tragiſch ko-
miſchen Drama, (Miſchſpiel habe ich es einmal
auf irgend einem Titel genannt gefunden) für
die gefliſſendlichſte Ausführung des Gedankens
beym Lope halten dürfen. Aber zugleich würde
ſie auch die Widerlegung deſſelben ſeyn. Denn
ſie würde zeigen, daß eben das Beyſpiel der
Natur, welches die Verbindung des feyerlichen
Ernſtes mit der poſſenhaften Luſtigkeit rechtfer-
tigen ſoll, eben ſo gut jedes dramatiſche Unge-
heuer, das weder Plan, noch Verbindung,
noch Menſchenverſtand hat, rechtfertigen kön-
ne. Die Nachahmung der Natur müßte folg-
lich entweder gar kein Grundſatz der Kunſt ſeyn;
oder, wenn ſie es doch bliebe, würde durch ihn

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[[137]/0143] Hamburgiſche Dramaturgie. Siebzigſtes Stück. Den 1ſten Januar, 1768. Wenn in dieſer Vergleichung, ſage ich, die ſatyriſche Laune nicht zu ſehr vorſtäche: ſo würde man ſie für die beſte Schutz- ſchrift des komiſch tragiſchen, oder tragiſch ko- miſchen Drama, (Miſchſpiel habe ich es einmal auf irgend einem Titel genannt gefunden) für die gefliſſendlichſte Ausführung des Gedankens beym Lope halten dürfen. Aber zugleich würde ſie auch die Widerlegung deſſelben ſeyn. Denn ſie würde zeigen, daß eben das Beyſpiel der Natur, welches die Verbindung des feyerlichen Ernſtes mit der poſſenhaften Luſtigkeit rechtfer- tigen ſoll, eben ſo gut jedes dramatiſche Unge- heuer, das weder Plan, noch Verbindung, noch Menſchenverſtand hat, rechtfertigen kön- ne. Die Nachahmung der Natur müßte folg- lich entweder gar kein Grundſatz der Kunſt ſeyn; oder, wenn ſie es doch bliebe, würde durch ihn ſelbſt S

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. [137]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/143>, abgerufen am 29.03.2024.