Abscheultchs Meisterstück der Herrschsucht und der List, Wofür kein Name hart, kein Schimpfwort lieblos ist! O Lehre, die erlaubt, die Gottheit selbst miß- brauchen, In ein unschuldig Herz des Hasses Dolch zu tauchen, Dich, die ihr Blutpanier oft über Leichen trug, Dich, Greuel, zu verschmähn, wer leiht mir einen Fluch! Ihr Freund', in deren Brust der Menschheit edle Stimme Laut für die Heldinn sprach, als Sie dem Priester Grimme Ein schuldlos Opfer ward, und für die Wahrheit sank: Habt Dank für dies Gefühl, für jede Thräne Dank! Wer irrt, verdient nicht Zucht des Hasses oder Spottes: Was Menschen hassen lehrt, ist keine Lehre Gottes! Ach! liebt die Irrenden, die ohne Bosheit blind, Zwar Schwächere vielleicht, doch immer Menschen sind. Belehret, duldet sie; und zwingt nicht die zu Thränen, Die sonst kein Vorwurf trift, als daß sie anders wähnen! Rechtschaffen ist der Mann, den, seinem Glauben treu, Nichts zur Verstellung zwingt, zu böser Heucheley; Der für die Wahrheit glüht, und, nie durch Furcht gezügelt, Sie freudig, wie Olint, mit seinem Blut versiegelt.
Solch
Abſcheultchs Meiſterſtuͤck der Herrſchſucht und der Liſt, Wofuͤr kein Name hart, kein Schimpfwort lieblos iſt! O Lehre, die erlaubt, die Gottheit ſelbſt miß- brauchen, In ein unſchuldig Herz des Haſſes Dolch zu tauchen, Dich, die ihr Blutpanier oft uͤber Leichen trug, Dich, Greuel, zu verſchmaͤhn, wer leiht mir einen Fluch! Ihr Freund’, in deren Bruſt der Menſchheit edle Stimme Laut fuͤr die Heldinn ſprach, als Sie dem Prieſter Grimme Ein ſchuldlos Opfer ward, und fuͤr die Wahrheit ſank: Habt Dank fuͤr dies Gefuͤhl, fuͤr jede Thraͤne Dank! Wer irrt, verdient nicht Zucht des Haſſes oder Spottes: Was Menſchen haſſen lehrt, iſt keine Lehre Gottes! Ach! liebt die Irrenden, die ohne Bosheit blind, Zwar Schwaͤchere vielleicht, doch immer Menſchen ſind. Belehret, duldet ſie; und zwingt nicht die zu Thraͤnen, Die ſonſt kein Vorwurf trift, als daß ſie anders waͤhnen! Rechtſchaffen iſt der Mann, den, ſeinem Glauben treu, Nichts zur Verſtellung zwingt, zu boͤſer Heucheley; Der fuͤr die Wahrheit gluͤht, und, nie durch Furcht gezuͤgelt, Sie freudig, wie Olint, mit ſeinem Blut verſiegelt.
Solch
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Abſcheultchs Meiſterſtuͤck der Herrſchſucht und der
Liſt,
Wofuͤr kein Name hart, kein Schimpfwort lieblos iſt!
O Lehre, die erlaubt, die Gottheit ſelbſt miß-
brauchen,
In ein unſchuldig Herz des Haſſes Dolch zu tauchen,
Dich, die ihr Blutpanier oft uͤber Leichen trug,
Dich, Greuel, zu verſchmaͤhn, wer leiht mir einen
Fluch!
Ihr Freund’, in deren Bruſt der Menſchheit edle
Stimme
Laut fuͤr die Heldinn ſprach, als Sie dem Prieſter
Grimme
Ein ſchuldlos Opfer ward, und fuͤr die Wahrheit ſank:
Habt Dank fuͤr dies Gefuͤhl, fuͤr jede Thraͤne Dank!
Wer irrt, verdient nicht Zucht des Haſſes oder
Spottes:
Was Menſchen haſſen lehrt, iſt keine Lehre Gottes!
Ach! liebt die Irrenden, die ohne Bosheit blind,
Zwar Schwaͤchere vielleicht, doch immer Menſchen
ſind.
Belehret, duldet ſie; und zwingt nicht die zu Thraͤnen,
Die ſonſt kein Vorwurf trift, als daß ſie anders
waͤhnen!
Rechtſchaffen iſt der Mann, den, ſeinem Glauben treu,
Nichts zur Verſtellung zwingt, zu boͤſer Heucheley;
Der fuͤr die Wahrheit gluͤht, und, nie durch Furcht
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/61>, abgerufen am 21.11.2024.
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