welcher aus den Bedürfnissen der Kunst herge- nommen ist, welcher uns um weiter nichts, als sehr mittelmäßige Stücke bringen kann, ist dar- um nichts schlechter, weil er den schwächern Ge- müthern zu Statten kömmt, die, ich weiß nicht welchen Schauder empfinden, wenn sie Gesin- nungen, auf die sie sich nur an einer heiligern Stäte gefaßt machen, im Theater zu hören be- kommen. Das Theater soll niemanden, wer es auch sey, Anstoß geben; und ich wünschte, daß es auch allem genommenen Anstoße vorbeugen könnte und wollte.
Cronegk hatte sein Stück nur bis gegen das Ende des vierten Aufzuges gebracht. Das übrige hat eine Feder in Wien dazu gefüget; eine Feder -- denn die Arbeit eines Kopfes ist dabey nicht sehr sichtbar. Der Ergänzer hat, allem Ansehen nach, die Geschichte ganz anders geendet, als sie Cronegk zu enden Willens gewe- sen. Der Tod löset alle Verwirrungen am besten; darum läßt er beide sterben, den Olint und die Sophronia. Beym Tasso kommen sie beide davon; denn Clorinde nimmt sich mit der uneigennützigsten Großmuth ihrer an. Cronegk aber hatte Clorinden verliebt gemacht, und da war es freylich schwer zu errathen, wie er zwey Nebenbuhlerinnen aus einander setzen wollen, ohne den Tod zu Hülfe zu rufen. In einem an- dern noch schlechtern Trauerspiele, wo eine von
den
welcher aus den Beduͤrfniſſen der Kunſt herge- nommen iſt, welcher uns um weiter nichts, als ſehr mittelmaͤßige Stuͤcke bringen kann, iſt dar- um nichts ſchlechter, weil er den ſchwaͤchern Ge- muͤthern zu Statten koͤmmt, die, ich weiß nicht welchen Schauder empfinden, wenn ſie Geſin- nungen, auf die ſie ſich nur an einer heiligern Staͤte gefaßt machen, im Theater zu hoͤren be- kommen. Das Theater ſoll niemanden, wer es auch ſey, Anſtoß geben; und ich wuͤnſchte, daß es auch allem genommenen Anſtoße vorbeugen koͤnnte und wollte.
Cronegk hatte ſein Stuͤck nur bis gegen das Ende des vierten Aufzuges gebracht. Das uͤbrige hat eine Feder in Wien dazu gefuͤget; eine Feder — denn die Arbeit eines Kopfes iſt dabey nicht ſehr ſichtbar. Der Ergaͤnzer hat, allem Anſehen nach, die Geſchichte ganz anders geendet, als ſie Cronegk zu enden Willens gewe- ſen. Der Tod loͤſet alle Verwirrungen am beſten; darum laͤßt er beide ſterben, den Olint und die Sophronia. Beym Taſſo kommen ſie beide davon; denn Clorinde nimmt ſich mit der uneigennuͤtzigſten Großmuth ihrer an. Cronegk aber hatte Clorinden verliebt gemacht, und da war es freylich ſchwer zu errathen, wie er zwey Nebenbuhlerinnen aus einander ſetzen wollen, ohne den Tod zu Huͤlfe zu rufen. In einem an- dern noch ſchlechtern Trauerſpiele, wo eine von
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welcher aus den Beduͤrfniſſen der Kunſt herge-
nommen iſt, welcher uns um weiter nichts, als
ſehr mittelmaͤßige Stuͤcke bringen kann, iſt dar-
um nichts ſchlechter, weil er den ſchwaͤchern Ge-
muͤthern zu Statten koͤmmt, die, ich weiß nicht
welchen Schauder empfinden, wenn ſie Geſin-
nungen, auf die ſie ſich nur an einer heiligern
Staͤte gefaßt machen, im Theater zu hoͤren be-
kommen. Das Theater ſoll niemanden, wer es
auch ſey, Anſtoß geben; und ich wuͤnſchte, daß
es auch allem genommenen Anſtoße vorbeugen
koͤnnte und wollte.
Cronegk hatte ſein Stuͤck nur bis gegen das
Ende des vierten Aufzuges gebracht. Das
uͤbrige hat eine Feder in Wien dazu gefuͤget;
eine Feder — denn die Arbeit eines Kopfes iſt
dabey nicht ſehr ſichtbar. Der Ergaͤnzer hat,
allem Anſehen nach, die Geſchichte ganz anders
geendet, als ſie Cronegk zu enden Willens gewe-
ſen. Der Tod loͤſet alle Verwirrungen am
beſten; darum laͤßt er beide ſterben, den Olint
und die Sophronia. Beym Taſſo kommen ſie
beide davon; denn Clorinde nimmt ſich mit der
uneigennuͤtzigſten Großmuth ihrer an. Cronegk
aber hatte Clorinden verliebt gemacht, und da
war es freylich ſchwer zu errathen, wie er zwey
Nebenbuhlerinnen aus einander ſetzen wollen,
ohne den Tod zu Huͤlfe zu rufen. In einem an-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/26>, abgerufen am 22.11.2024.
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