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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

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Menschen es bekannt hat, noch bekennen will,
daß sie fest entschlossen ist, unter den Prinzen
weder diesen geliebtern, noch den, welchem der
Thron heimfallen dürfte, zu ihrem Gemahle zu
wählen, daß sie allein den wählen wolle, wel-
cher sich ihr am würdigsten erzeigen werde; Ro-
dogune muß gerächet seyn wollen, muß an der
Mutter der Prinzen gerächet seyn wollen; Ro-
dogune muß ihnen erklären: wer mich von euch
haben will, der ermorde seine Mutter!

Bravo! Das nenne ich doch noch eine Intri-
gue! Diese Prinzen sind gut angekommen! Die
sollen zu thun haben, wenn sie sich herauswickeln
wollen! Die Mutter sagt zu ihnen: wer von
euch regieren will, der ermorde seine Geliebte!
Und die Geliebte sagt: wer mich haben will, er-
morde seine Mutter! Es versteht sich, daß es
sehr tugendhafte Prinzen seyn müssen, die ein-
ander von Grund der Seele lieben, die viel
Respekt für den Teufel von Mamma, und eben
so viel Zärtlichkeit für eine liebäugelnde Furie
von Gebietherinn haben. Denn wenn sie nicht
beide sehr tugendhaft sind, so ist die Verwick-
lung so arg nicht, als es scheinet; oder sie ist zu
arg, daß es gar nicht möglich ist, sie wieder auf-
zuwickeln. Der eine geht hin und schlägt die
Prinzeßinn todt, um den Thron zu haben: da-
mit ist es aus. Oder der andere geht hin und

schlägt
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Menſchen es bekannt hat, noch bekennen will,
daß ſie feſt entſchloſſen iſt, unter den Prinzen
weder dieſen geliebtern, noch den, welchem der
Thron heimfallen duͤrfte, zu ihrem Gemahle zu
waͤhlen, daß ſie allein den waͤhlen wolle, wel-
cher ſich ihr am wuͤrdigſten erzeigen werde; Ro-
dogune muß geraͤchet ſeyn wollen, muß an der
Mutter der Prinzen geraͤchet ſeyn wollen; Ro-
dogune muß ihnen erklaͤren: wer mich von euch
haben will, der ermorde ſeine Mutter!

Bravo! Das nenne ich doch noch eine Intri-
gue! Dieſe Prinzen ſind gut angekommen! Die
ſollen zu thun haben, wenn ſie ſich herauswickeln
wollen! Die Mutter ſagt zu ihnen: wer von
euch regieren will, der ermorde ſeine Geliebte!
Und die Geliebte ſagt: wer mich haben will, er-
morde ſeine Mutter! Es verſteht ſich, daß es
ſehr tugendhafte Prinzen ſeyn muͤſſen, die ein-
ander von Grund der Seele lieben, die viel
Reſpekt fuͤr den Teufel von Mamma, und eben
ſo viel Zaͤrtlichkeit fuͤr eine liebaͤugelnde Furie
von Gebietherinn haben. Denn wenn ſie nicht
beide ſehr tugendhaft ſind, ſo iſt die Verwick-
lung ſo arg nicht, als es ſcheinet; oder ſie iſt zu
arg, daß es gar nicht moͤglich iſt, ſie wieder auf-
zuwickeln. Der eine geht hin und ſchlaͤgt die
Prinzeßinn todt, um den Thron zu haben: da-
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[245/0259] Menſchen es bekannt hat, noch bekennen will, daß ſie feſt entſchloſſen iſt, unter den Prinzen weder dieſen geliebtern, noch den, welchem der Thron heimfallen duͤrfte, zu ihrem Gemahle zu waͤhlen, daß ſie allein den waͤhlen wolle, wel- cher ſich ihr am wuͤrdigſten erzeigen werde; Ro- dogune muß geraͤchet ſeyn wollen, muß an der Mutter der Prinzen geraͤchet ſeyn wollen; Ro- dogune muß ihnen erklaͤren: wer mich von euch haben will, der ermorde ſeine Mutter! Bravo! Das nenne ich doch noch eine Intri- gue! Dieſe Prinzen ſind gut angekommen! Die ſollen zu thun haben, wenn ſie ſich herauswickeln wollen! Die Mutter ſagt zu ihnen: wer von euch regieren will, der ermorde ſeine Geliebte! Und die Geliebte ſagt: wer mich haben will, er- morde ſeine Mutter! Es verſteht ſich, daß es ſehr tugendhafte Prinzen ſeyn muͤſſen, die ein- ander von Grund der Seele lieben, die viel Reſpekt fuͤr den Teufel von Mamma, und eben ſo viel Zaͤrtlichkeit fuͤr eine liebaͤugelnde Furie von Gebietherinn haben. Denn wenn ſie nicht beide ſehr tugendhaft ſind, ſo iſt die Verwick- lung ſo arg nicht, als es ſcheinet; oder ſie iſt zu arg, daß es gar nicht moͤglich iſt, ſie wieder auf- zuwickeln. Der eine geht hin und ſchlaͤgt die Prinzeßinn todt, um den Thron zu haben: da- mit iſt es aus. Oder der andere geht hin und ſchlaͤgt H h 3

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/259>, abgerufen am 15.05.2024.