seyn; die Stephan sollte es noch anziehen; und in vier und zwanzig Stunden wird nicht immer ein Kleid fertig. Ja er durfte sich nicht einmal zu einem kleinen Nachspiele vier und zwanzig Stunden gar wohl erlauben. Denn Aristoteles sagt -- Hier ward meine Kunstrichterinn unter- brochen.
Den neun und zwanzigsten Abend (Mitte- wochs, den 3ten Junius,) ward nach der Me- lanide des De la Chaussee, der Mann nach der Uhr, oder der ordentliche Mann, gespielet.
Der Verfasser dieses Stücks ist Herr Hippel, in Danzig. Es ist reich an drolligen Einfällen; nur Schade, daß ein jeder, sobald er den Titel hört, alle diese Einfälle voraussieht. National ist es auch genug; oder vielmehr provincial. Und dieses könnte leicht das andere Extremum werden, in das unsere komischen Dichter ver- fielen, wenn sie wahre deutsche Sitten schildern wollten. Ich fürchte, daß jeder die armseligen Gewohnheiten des Winkels, in dem er gebohren worden, für die eigentlichen Sitten des gemein- schaftlichen Vaterlandes halten dürfte. Wem aber liegt daran, zu erfahren, wie vielmal im Jahre man da oder dort grünen Kohl ißt?
Ein Lustspiel kann einen doppelten Titel ha- ben; doch versteht sich, daß jeder etwas anders sagen muß. Hier ist das nicht; der Mann nach
der
ſeyn; die Stephan ſollte es noch anziehen; und in vier und zwanzig Stunden wird nicht immer ein Kleid fertig. Ja er durfte ſich nicht einmal zu einem kleinen Nachſpiele vier und zwanzig Stunden gar wohl erlauben. Denn Ariſtoteles ſagt — Hier ward meine Kunſtrichterinn unter- brochen.
Den neun und zwanzigſten Abend (Mitte- wochs, den 3ten Junius,) ward nach der Me- lanide des De la Chauſſee, der Mann nach der Uhr, oder der ordentliche Mann, geſpielet.
Der Verfaſſer dieſes Stuͤcks iſt Herr Hippel, in Danzig. Es iſt reich an drolligen Einfaͤllen; nur Schade, daß ein jeder, ſobald er den Titel hoͤrt, alle dieſe Einfaͤlle vorausſieht. National iſt es auch genug; oder vielmehr provincial. Und dieſes koͤnnte leicht das andere Extremum werden, in das unſere komiſchen Dichter ver- fielen, wenn ſie wahre deutſche Sitten ſchildern wollten. Ich fuͤrchte, daß jeder die armſeligen Gewohnheiten des Winkels, in dem er gebohren worden, fuͤr die eigentlichen Sitten des gemein- ſchaftlichen Vaterlandes halten duͤrfte. Wem aber liegt daran, zu erfahren, wie vielmal im Jahre man da oder dort gruͤnen Kohl ißt?
Ein Luſtſpiel kann einen doppelten Titel ha- ben; doch verſteht ſich, daß jeder etwas anders ſagen muß. Hier iſt das nicht; der Mann nach
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ſeyn; die Stephan ſollte es noch anziehen; und
in vier und zwanzig Stunden wird nicht immer
ein Kleid fertig. Ja er durfte ſich nicht einmal
zu einem kleinen Nachſpiele vier und zwanzig
Stunden gar wohl erlauben. Denn Ariſtoteles
ſagt — Hier ward meine Kunſtrichterinn unter-
brochen.
Den neun und zwanzigſten Abend (Mitte-
wochs, den 3ten Junius,) ward nach der Me-
lanide des De la Chauſſee, der Mann nach der
Uhr, oder der ordentliche Mann, geſpielet.
Der Verfaſſer dieſes Stuͤcks iſt Herr Hippel,
in Danzig. Es iſt reich an drolligen Einfaͤllen;
nur Schade, daß ein jeder, ſobald er den Titel
hoͤrt, alle dieſe Einfaͤlle vorausſieht. National
iſt es auch genug; oder vielmehr provincial.
Und dieſes koͤnnte leicht das andere Extremum
werden, in das unſere komiſchen Dichter ver-
fielen, wenn ſie wahre deutſche Sitten ſchildern
wollten. Ich fuͤrchte, daß jeder die armſeligen
Gewohnheiten des Winkels, in dem er gebohren
worden, fuͤr die eigentlichen Sitten des gemein-
ſchaftlichen Vaterlandes halten duͤrfte. Wem
aber liegt daran, zu erfahren, wie vielmal im
Jahre man da oder dort gruͤnen Kohl ißt?
Ein Luſtſpiel kann einen doppelten Titel ha-
ben; doch verſteht ſich, daß jeder etwas anders
ſagen muß. Hier iſt das nicht; der Mann nach
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/186>, abgerufen am 23.11.2024.
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