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Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876.

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a. Declination der Nomina.
liche Stämme die Endung -ja angenommen, in dieser vollen Form freilich nur
noch vereinzelt in den Volksliedern (s. Bielenst., Lett. Spr. II, 18) erhalten und
selbst da vielleicht noch etwas anders zu fassen: aber in älterer Zeit und in der
Volkspoesie ist ein mit dem vorhergehenden Vocal diphthongbildendes i häufig
(iimai = lit. zemoje, semei = lit. zemeje), welches endlich im heutigen Lettischen
ganz abgefallen ist, gerade wie man im modernen Litauischen regelmässig ranko,
aky
u. s. w. spricht. Das Lettische hat die Dehnung des Stammauslauts überall
(vgl. Bielenst., Lett. Spr. II, 15 f.)

a-st.
msc. lett. greka, wäre lit. * greko-je,
in Wirklichkeit greke,
fem. lepa = lit. lepoje.
ja-st.
msc. uncontr. zela, lit. kelyje
contr. sapni, lit. dalgyje,
fem. sale = lit. zole-je,
i-st. sirdi = lit. szirdy-je,
u-st. alu = lit. alu-je für *aluje.

Die blosse Zusammenstellung, namentlich die ganz der fem. gleichende Form des
msc. a-stammes (für diese hat das behauptete schon Smith, De locis II, 61, "e de-
clinatione femininorum huc traducta sunt", erkannt) thut wohl ohne weiteres dar,
dass hier nur Analogiebildung nach der so deutlich ausgeprägten Form des loc.
sg. fem. der a-stämme vorliegt und dass die überall herrschende Länge des
Stammauslautes auch erst dieser Form nachgebildet ist. Es ist daher im höch-
sten Grade wahrscheinlich, dass das litauische sunuje die Länge der zweiten
Silbe wegen ihrer beständigen Unbetontheit nur wieder verloren hat, oder dass
dieselbe aus dem gleichen Grunde nicht als lang gehört und so aufgezeichnet
wurde.

Somit reducirt sich für das Litauische die ursprüngliche Anwendung des
Locativsuffixes -ja auf die femininalen a-stämme, wie im Germanischen, und be-
merkenswerth ist es doch, dass auch das Sanskrit sein -jam nur bei denselben
Stämmen anwendet, -am in etwas weiterer Ausdehnung, aber doch auch nur
beim fem. der i- und u-stämme. Das litauische -ja könnte, wenn man allein die
heutige Lautgestalt -je = -ja im Auge hat, und eine andere ist uns nicht über-
liefert, mit -jam geradezu identisch sein; immerhin ist das aber schon aus dem
Litauischen heraus nicht wahrscheinlich, weil bei der einstigen Existenz des
Nasals und der Länge des a wahrscheinlich in älterer Zeit mehr Beispiele der
Schreibung mit a erhalten wären, während dieselbe ganz vereinzelt ist und
gerade die ältesten Quellen je haben (s. Schleicher, Gr. S. 172). Die deutsche
Form gibai kann natürlich nicht aus *gibajam erklärt werden. Zugleich verdient
es Beachtung, dass bei den übrigen europäischen Indogermanen irgendwelche
Locativformen auf -ja nicht nachgewiesen werden können. Scherer a. a. O. 287
(vgl. auch Curtius Etym.4 614) dachte an die räthselhaften griechischen Bildungen
wie thuraze u. a., die, wenn sie aus * thura-je lautlich erklärbar sind, allerdings
eine Analogie bieten, allein ich habe mich noch immer nicht von der Entstehung

a. Declination der Nomina.
liche Stämme die Endung -ja angenommen, in dieser vollen Form freilich nur
noch vereinzelt in den Volksliedern (s. Bielenst., Lett. Spr. II, 18) erhalten und
selbst da vielleicht noch etwas anders zu fassen: aber in älterer Zeit und in der
Volkspoesie ist ein mit dem vorhergehenden Vocal diphthongbildendes i häufig
(ıi̊mái = lit. żëmojè, ſeméi = lit. żémėje), welches endlich im heutigen Lettischen
ganz abgefallen ist, gerade wie man im modernen Litauischen regelmässig rànko,
aký
u. s. w. spricht. Das Lettische hat die Dehnung des Stammauslauts überall
(vgl. Bielenst., Lett. Spr. II, 15 f.)

a-st.
msc. lett. grékā́, wäre lit. * grëko-je,
in Wirklichkeit grëke,
fem. lëpā́ = lit. lëpoje.
ja-st.
msc. uncontr. zełā́, lit. kelyje
contr. sapnī́, lit. dalgyje,
fem. ſalḗ = lit. żolė-je,
i-st. sirdī́ = lit. szirdy-je,
u-st. alū́ = lit. alŭ-je für *alūje.

Die blosse Zusammenstellung, namentlich die ganz der fem. gleichende Form des
msc. a-stammes (für diese hat das behauptete schon Smith, De locis II, 61, «e de-
clinatione femininorum huc traducta sunt», erkannt) thut wohl ohne weiteres dar,
dass hier nur Analogiebildung nach der so deutlich ausgeprägten Form des loc.
sg. fem. der ā-stämme vorliegt und dass die überall herrschende Länge des
Stammauslautes auch erst dieser Form nachgebildet ist. Es ist daher im höch-
sten Grade wahrscheinlich, dass das litauische sūnujè die Länge der zweiten
Silbe wegen ihrer beständigen Unbetontheit nur wieder verloren hat, oder dass
dieselbe aus dem gleichen Grunde nicht als lang gehört und so aufgezeichnet
wurde.

Somit reducirt sich für das Litauische die ursprüngliche Anwendung des
Locativsuffixes -ja auf die femininalen ā-stämme, wie im Germanischen, und be-
merkenswerth ist es doch, dass auch das Sanskrit sein -jām nur bei denselben
Stämmen anwendet, -ām in etwas weiterer Ausdehnung, aber doch auch nur
beim fem. der i- und u-stämme. Das litauische -ja könnte, wenn man allein die
heutige Lautgestalt -je = -ja im Auge hat, und eine andere ist uns nicht über-
liefert, mit -jām geradezu identisch sein; immerhin ist das aber schon aus dem
Litauischen heraus nicht wahrscheinlich, weil bei der einstigen Existenz des
Nasals und der Länge des ā wahrscheinlich in älterer Zeit mehr Beispiele der
Schreibung mit a erhalten wären, während dieselbe ganz vereinzelt ist und
gerade die ältesten Quellen je haben (s. Schleicher, Gr. S. 172). Die deutsche
Form gibai kann natürlich nicht aus *gibājām erklärt werden. Zugleich verdient
es Beachtung, dass bei den übrigen europäischen Indogermanen irgendwelche
Locativformen auf -ja nicht nachgewiesen werden können. Scherer a. a. O. 287
(vgl. auch Curtius Etym.4 614) dachte an die räthselhaften griechischen Bildungen
wie ϑύραζε u. a., die, wenn sie aus * ϑυρα-jε lautlich erklärbar sind, allerdings
eine Analogie bieten, allein ich habe mich noch immer nicht von der Entstehung

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[46/0082] a. Declination der Nomina. liche Stämme die Endung -ja angenommen, in dieser vollen Form freilich nur noch vereinzelt in den Volksliedern (s. Bielenst., Lett. Spr. II, 18) erhalten und selbst da vielleicht noch etwas anders zu fassen: aber in älterer Zeit und in der Volkspoesie ist ein mit dem vorhergehenden Vocal diphthongbildendes i häufig (ıi̊mái = lit. żëmojè, ſeméi = lit. żémėje), welches endlich im heutigen Lettischen ganz abgefallen ist, gerade wie man im modernen Litauischen regelmässig rànko, aký u. s. w. spricht. Das Lettische hat die Dehnung des Stammauslauts überall (vgl. Bielenst., Lett. Spr. II, 15 f.) a-st. msc. lett. grékā́, wäre lit. * grëko-je, in Wirklichkeit grëke, fem. lëpā́ = lit. lëpoje. ja-st. msc. uncontr. zełā́, lit. kelyje contr. sapnī́, lit. dalgyje, fem. ſalḗ = lit. żolė-je, i-st. sirdī́ = lit. szirdy-je, u-st. alū́ = lit. alŭ-je für *alūje. Die blosse Zusammenstellung, namentlich die ganz der fem. gleichende Form des msc. a-stammes (für diese hat das behauptete schon Smith, De locis II, 61, «e de- clinatione femininorum huc traducta sunt», erkannt) thut wohl ohne weiteres dar, dass hier nur Analogiebildung nach der so deutlich ausgeprägten Form des loc. sg. fem. der ā-stämme vorliegt und dass die überall herrschende Länge des Stammauslautes auch erst dieser Form nachgebildet ist. Es ist daher im höch- sten Grade wahrscheinlich, dass das litauische sūnujè die Länge der zweiten Silbe wegen ihrer beständigen Unbetontheit nur wieder verloren hat, oder dass dieselbe aus dem gleichen Grunde nicht als lang gehört und so aufgezeichnet wurde. Somit reducirt sich für das Litauische die ursprüngliche Anwendung des Locativsuffixes -ja auf die femininalen ā-stämme, wie im Germanischen, und be- merkenswerth ist es doch, dass auch das Sanskrit sein -jām nur bei denselben Stämmen anwendet, -ām in etwas weiterer Ausdehnung, aber doch auch nur beim fem. der i- und u-stämme. Das litauische -ja könnte, wenn man allein die heutige Lautgestalt -je = -ja im Auge hat, und eine andere ist uns nicht über- liefert, mit -jām geradezu identisch sein; immerhin ist das aber schon aus dem Litauischen heraus nicht wahrscheinlich, weil bei der einstigen Existenz des Nasals und der Länge des ā wahrscheinlich in älterer Zeit mehr Beispiele der Schreibung mit a erhalten wären, während dieselbe ganz vereinzelt ist und gerade die ältesten Quellen je haben (s. Schleicher, Gr. S. 172). Die deutsche Form gibai kann natürlich nicht aus *gibājām erklärt werden. Zugleich verdient es Beachtung, dass bei den übrigen europäischen Indogermanen irgendwelche Locativformen auf -ja nicht nachgewiesen werden können. Scherer a. a. O. 287 (vgl. auch Curtius Etym.4 614) dachte an die räthselhaften griechischen Bildungen wie ϑύραζε u. a., die, wenn sie aus * ϑυρα-jε lautlich erklärbar sind, allerdings eine Analogie bieten, allein ich habe mich noch immer nicht von der Entstehung

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Zitationshilfe: Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876/82>, abgerufen am 22.11.2024.