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Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876.

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i. Die Casus des Singulars.
scheinungen genug, um nicht in Versuchung zu kommen, in jedem einzelnen
Falle nach den indog. Grundform zu suchen. Im Litauischen haben alle Stämme
mit Ausnahme der msc. reinen a-stämme, d. h. der ohne j, das Locativsuffix -je,
d. h. ja, da a nach j nothwendig die Färbung zu e annimmt; also:

fem. a-stamm galvo-je
msc. ja-st. dalgy-je
i-st. aky-je
u-st. dangu-je
cons. St. akmenyje,

die consonantische Form ist nur der Vollständigkeit wegen mit aufgenommen, in
der That ist sie den i-stämmen entlehnt, fällt also für die Betrachtung weg,
msc. a-st. abweichend vilke.

Diese Formation mit dem vollen Suffixe -ja sieht recht alterthümlich aus und
scheint auch so angesehen zu werden. Scherer a. a. O. 287 vergleicht die weite
Anwendung dieses Suffixes im Zend, wo, wie es scheint, alle Stämme daran
Theil haben. Meine Kenntniss des Zend reicht nicht so weit, um bei der Fülle
von Formen, die in der vocalischen Declination locativisch gefasst werden und sich
lautlich zum Theil sowohl mit Genitiv-, wie mit Instrumentalformen decken, eine
Meinung aussprechen zu können, wie weit hier die Bildungen ursprüngliche, wie
weit Analogien, wie weit vielleicht überhaupt gar nicht Locative sind. Nur das steht
mir fest, dass sie mit den lit. in der Form nicht zusammentreffen. Den Beispielen,
wie bamaja, vicpaja (Spiegel, Gr. S. 123), vohuja (wenn das überhaupt loc. sein
kann, Justi, Gr. § 545), wollte man sie mit dalgyje u. s. w. vergleichen, fehlt die
dem Litauischen charakteristische Dehnung des Stammauslautes vor j, und von
Formen, die man mit akyje zusammenstellen könnte, vermag ich überhaupt nichts
zu entdecken. Es lässt sich, glaube ich, nachweisen, dass die weite Ausdehnung
des -ja im Litauischen ganz secundär ist.

Völlig erklärlich ist die Form galvo-je = * galva-ja, die Länge des stamm-
auslautenden Vocals ist ja hier ursprünglich und dieselbe stimmt völlig zu got.
gibai = *gibaja, wie zu der jedenfalls im Suffix verwandten sanskritischen auf
-a-jam. Die Länge des i in akyje ist aber ganz unerklärlich, sobald man nicht
eine einfache Anlehnung an die fem. a-stämme annimmt, die hier um so leichter
eintreten konnte, als die i-stämme mit wenigen Ausnahmen fem. gen. sind. Den-
selben Uebertritt mit Erhaltung des i und Annahme der Suffixe oder des Aus-
lauts der Casus der a-stämme bemerkt man auch sonst im sing.: so ist dat. akei
= *akiai gebildet, wie mergai, instr. akie, d. h. akia (neben akimi) wie merga;
und selbst, wenn man, was an sich möglich, in den Formen akei, akie wirkliche
i-formen sehen will, so ändert das nichts an der Thatsache, dass sie in den En-
dungen den a-formen gleich sind, also auch den loc. sg. in dieselbe Analogie
herüberziehen konnten. Bei den u-stämmen nun scheint die Dehnung des Stamm-
auslautes, hier das wichtigste, im Litauischen zu fehlen, wenigstens behandeln
Schleicher und Kurschat die Mittelsilbe von danguje als Kürze. Allein, wenn sie
auch im Litauischen heute überall entschieden kurz sein sollte, so lässt sich doch
nachweisen, dass sie es nicht immer war. Das Lettische nämlich hat für sämmt-

i. Die Casus des Singulars.
scheinungen genug, um nicht in Versuchung zu kommen, in jedem einzelnen
Falle nach den indog. Grundform zu suchen. Im Litauischen haben alle Stämme
mit Ausnahme der msc. reinen a-stämme, d. h. der ohne j, das Locativsuffix -je,
d. h. ja, da a nach j nothwendig die Färbung zu e annimmt; also:

fem. ā-stamm galvō-jè
msc. ja-st. dàlgy-je
i-st. aky-jè
u-st. dangu-jè
cons. St. akmenyjè,

die consonantische Form ist nur der Vollständigkeit wegen mit aufgenommen, in
der That ist sie den i-stämmen entlehnt, fällt also für die Betrachtung weg,
msc. a-st. abweichend vilkè.

Diese Formation mit dem vollen Suffixe -ja sieht recht alterthümlich aus und
scheint auch so angesehen zu werden. Scherer a. a. O. 287 vergleicht die weite
Anwendung dieses Suffixes im Zend, wo, wie es scheint, alle Stämme daran
Theil haben. Meine Kenntniss des Zend reicht nicht so weit, um bei der Fülle
von Formen, die in der vocalischen Declination locativisch gefasst werden und sich
lautlich zum Theil sowohl mit Genitiv-, wie mit Instrumentalformen decken, eine
Meinung aussprechen zu können, wie weit hier die Bildungen ursprüngliche, wie
weit Analogien, wie weit vielleicht überhaupt gar nicht Locative sind. Nur das steht
mir fest, dass sie mit den lit. in der Form nicht zusammentreffen. Den Beispielen,
wie bāmaja, viçpaja (Spiegel, Gr. S. 123), vohujā (wenn das überhaupt loc. sein
kann, Justi, Gr. § 545), wollte man sie mit dàlgyje u. s. w. vergleichen, fehlt die
dem Litauischen charakteristische Dehnung des Stammauslautes vor j, und von
Formen, die man mit akyjè zusammenstellen könnte, vermag ich überhaupt nichts
zu entdecken. Es lässt sich, glaube ich, nachweisen, dass die weite Ausdehnung
des -ja im Litauischen ganz secundär ist.

Völlig erklärlich ist die Form galvō-jè = * galvā-ja, die Länge des stamm-
auslautenden Vocals ist ja hier ursprünglich und dieselbe stimmt völlig zu got.
gibai = *gibāja, wie zu der jedenfalls im Suffix verwandten sanskritischen auf
-ā-jām. Die Länge des i in akyjè ist aber ganz unerklärlich, sobald man nicht
eine einfache Anlehnung an die fem. ā-stämme annimmt, die hier um so leichter
eintreten konnte, als die i-stämme mit wenigen Ausnahmen fem. gen. sind. Den-
selben Uebertritt mit Erhaltung des i und Annahme der Suffixe oder des Aus-
lauts der Casus der ā-stämme bemerkt man auch sonst im sing.: so ist dat. ákei
= *akiai gebildet, wie mérgai, instr. akiè, d. h. akià (neben akimì) wie mergà;
und selbst, wenn man, was an sich möglich, in den Formen ákei, akiè wirkliche
i-formen sehen will, so ändert das nichts an der Thatsache, dass sie in den En-
dungen den ā-formen gleich sind, also auch den loc. sg. in dieselbe Analogie
herüberziehen konnten. Bei den u-stämmen nun scheint die Dehnung des Stamm-
auslautes, hier das wichtigste, im Litauischen zu fehlen, wenigstens behandeln
Schleicher und Kurschat die Mittelsilbe von dangujè als Kürze. Allein, wenn sie
auch im Litauischen heute überall entschieden kurz sein sollte, so lässt sich doch
nachweisen, dass sie es nicht immer war. Das Lettische nämlich hat für sämmt-

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[45/0081] i. Die Casus des Singulars. scheinungen genug, um nicht in Versuchung zu kommen, in jedem einzelnen Falle nach den indog. Grundform zu suchen. Im Litauischen haben alle Stämme mit Ausnahme der msc. reinen a-stämme, d. h. der ohne j, das Locativsuffix -je, d. h. ja, da a nach j nothwendig die Färbung zu e annimmt; also: fem. ā-stamm galvō-jè msc. ja-st. dàlgy-je i-st. aky-jè u-st. dangu-jè cons. St. akmenyjè, die consonantische Form ist nur der Vollständigkeit wegen mit aufgenommen, in der That ist sie den i-stämmen entlehnt, fällt also für die Betrachtung weg, msc. a-st. abweichend vilkè. Diese Formation mit dem vollen Suffixe -ja sieht recht alterthümlich aus und scheint auch so angesehen zu werden. Scherer a. a. O. 287 vergleicht die weite Anwendung dieses Suffixes im Zend, wo, wie es scheint, alle Stämme daran Theil haben. Meine Kenntniss des Zend reicht nicht so weit, um bei der Fülle von Formen, die in der vocalischen Declination locativisch gefasst werden und sich lautlich zum Theil sowohl mit Genitiv-, wie mit Instrumentalformen decken, eine Meinung aussprechen zu können, wie weit hier die Bildungen ursprüngliche, wie weit Analogien, wie weit vielleicht überhaupt gar nicht Locative sind. Nur das steht mir fest, dass sie mit den lit. in der Form nicht zusammentreffen. Den Beispielen, wie bāmaja, viçpaja (Spiegel, Gr. S. 123), vohujā (wenn das überhaupt loc. sein kann, Justi, Gr. § 545), wollte man sie mit dàlgyje u. s. w. vergleichen, fehlt die dem Litauischen charakteristische Dehnung des Stammauslautes vor j, und von Formen, die man mit akyjè zusammenstellen könnte, vermag ich überhaupt nichts zu entdecken. Es lässt sich, glaube ich, nachweisen, dass die weite Ausdehnung des -ja im Litauischen ganz secundär ist. Völlig erklärlich ist die Form galvō-jè = * galvā-ja, die Länge des stamm- auslautenden Vocals ist ja hier ursprünglich und dieselbe stimmt völlig zu got. gibai = *gibāja, wie zu der jedenfalls im Suffix verwandten sanskritischen auf -ā-jām. Die Länge des i in akyjè ist aber ganz unerklärlich, sobald man nicht eine einfache Anlehnung an die fem. ā-stämme annimmt, die hier um so leichter eintreten konnte, als die i-stämme mit wenigen Ausnahmen fem. gen. sind. Den- selben Uebertritt mit Erhaltung des i und Annahme der Suffixe oder des Aus- lauts der Casus der ā-stämme bemerkt man auch sonst im sing.: so ist dat. ákei = *akiai gebildet, wie mérgai, instr. akiè, d. h. akià (neben akimì) wie mergà; und selbst, wenn man, was an sich möglich, in den Formen ákei, akiè wirkliche i-formen sehen will, so ändert das nichts an der Thatsache, dass sie in den En- dungen den ā-formen gleich sind, also auch den loc. sg. in dieselbe Analogie herüberziehen konnten. Bei den u-stämmen nun scheint die Dehnung des Stamm- auslautes, hier das wichtigste, im Litauischen zu fehlen, wenigstens behandeln Schleicher und Kurschat die Mittelsilbe von dangujè als Kürze. Allein, wenn sie auch im Litauischen heute überall entschieden kurz sein sollte, so lässt sich doch nachweisen, dass sie es nicht immer war. Das Lettische nämlich hat für sämmt-

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Zitationshilfe: Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876/81>, abgerufen am 22.11.2024.