Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774.heissen denn nun drey Einheiten, meine Lie- ben? Jst es nicht die eine, die wir bey allen Gegenständen der Erkenntniß suchen, die eine, die uns den Gesichtspunkt giebt, aus dem wir das Ganze umfangen und überschauen können? Was wollen wir mehr, oder was wollen wir weniger? Jst es den Herren be- liebig, sich in dem Verhältniß eines Hauses und eines Tages einzuschränken, in Got- tes Namen, behalten Sie Jhre Fami- lienstücke, Miniaturgemählde, und lassen uns unsere Welt. Kommt es Jhnen so sehr auf den Ort an, von dem Sie sich nicht be- wegen möchten, um dem Dichter zu folgen: wie denn, daß Sie sich nicht den Ruhepunkt Archimeds wählen: de mihi figere pedem et terram movebo? Welch ein grösser und gött- licher Vergnügen, die Bewegung einer Welt, als eines Hauses? und welche Wohlthat des Genies, Sie auf die Höhe zu führen, wo Sie einer Schlacht mit all ihrem Getümmel, Jammern und Grauen zusehen können, ohne Jhr eigen Leben, Gemüthsruhe, und Behagen hineinzuflechten, ohne auf dieser grausamen Scene Akteur zu seyn. Liebe Herren! was sollen wir mehr thun, daß ihr selig werdet? wie kann mans euch bequemer machen? Nur zuschauen, ruhen und zuschauen, mehr fo- dern wir nicht, warum wollt ihr denn nicht auf diesem Stern stehen bleiben, und in die Welt
heiſſen denn nun drey Einheiten, meine Lie- ben? Jſt es nicht die eine, die wir bey allen Gegenſtaͤnden der Erkenntniß ſuchen, die eine, die uns den Geſichtspunkt giebt, aus dem wir das Ganze umfangen und uͤberſchauen koͤnnen? Was wollen wir mehr, oder was wollen wir weniger? Jſt es den Herren be- liebig, ſich in dem Verhaͤltniß eines Hauſes und eines Tages einzuſchraͤnken, in Got- tes Namen, behalten Sie Jhre Fami- lienſtuͤcke, Miniaturgemaͤhlde, und laſſen uns unſere Welt. Kommt es Jhnen ſo ſehr auf den Ort an, von dem Sie ſich nicht be- wegen moͤchten, um dem Dichter zu folgen: wie denn, daß Sie ſich nicht den Ruhepunkt Archimeds waͤhlen: de mihi figere pedem et terram movebo? Welch ein groͤſſer und goͤtt- licher Vergnuͤgen, die Bewegung einer Welt, als eines Hauſes? und welche Wohlthat des Genies, Sie auf die Hoͤhe zu fuͤhren, wo Sie einer Schlacht mit all ihrem Getuͤmmel, Jammern und Grauen zuſehen koͤnnen, ohne Jhr eigen Leben, Gemuͤthsruhe, und Behagen hineinzuflechten, ohne auf dieſer grauſamen Scene Akteur zu ſeyn. Liebe Herren! was ſollen wir mehr thun, daß ihr ſelig werdet? wie kann mans euch bequemer machen? Nur zuſchauen, ruhen und zuſchauen, mehr fo- dern wir nicht, warum wollt ihr denn nicht auf dieſem Stern ſtehen bleiben, und in die Welt
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heiſſen denn nun drey Einheiten, meine Lie-
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allen Gegenſtaͤnden der Erkenntniß ſuchen, die
eine, die uns den Geſichtspunkt giebt, aus dem
wir das Ganze umfangen und uͤberſchauen
koͤnnen? Was wollen wir mehr, oder was
wollen wir weniger? Jſt es den Herren be-
liebig, ſich in dem Verhaͤltniß eines Hauſes
und eines Tages einzuſchraͤnken, in Got-
tes Namen, behalten Sie Jhre Fami-
lienſtuͤcke, Miniaturgemaͤhlde, und laſſen
uns unſere Welt. Kommt es Jhnen ſo ſehr
auf den Ort an, von dem Sie ſich nicht be-
wegen moͤchten, um dem Dichter zu folgen:
wie denn, daß Sie ſich nicht den Ruhepunkt
Archimeds waͤhlen: de mihi figere pedem et
terram movebo? Welch ein groͤſſer und goͤtt-
licher Vergnuͤgen, die Bewegung einer Welt,
als eines Hauſes? und welche Wohlthat des
Genies, Sie auf die Hoͤhe zu fuͤhren, wo
Sie einer Schlacht mit all ihrem Getuͤmmel,
Jammern und Grauen zuſehen koͤnnen, ohne
Jhr eigen Leben, Gemuͤthsruhe, und Behagen
hineinzuflechten, ohne auf dieſer grauſamen
Scene Akteur zu ſeyn. Liebe Herren! was
ſollen wir mehr thun, daß ihr ſelig werdet?
wie kann mans euch bequemer machen? Nur
zuſchauen, ruhen und zuſchauen, mehr fo-
dern wir nicht, warum wollt ihr denn nicht
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